Vortrag
Dr. Gustav W. Sauer, Abteilungsleiter Technologie und Energie
im Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes
Schleswig-Holstein
Herr Dr. Sauer referiert zur Energieversorgung Schleswig-Holsteins im
Jahr 2020. Das Grünbuch des MWV kann im Internet heruntergeladen werden
(www.schleswig-holstein.de/MWV/DE/Service/Broschueren/Energie/32gruenbuchEnergie.html__nnn=true).
Herr Dr. Sauer verteilt das Grünbuch als Papierversion, die bei der
Geschäftsstelle abgefordert werden kann.
Herr Dr. Sauer berichtet, daß die Produktion von Energie in
Schleswig-Holstein stets höher war und ist als der Verbrauch.
Schleswig-Holstein exportiert also Energie. Im Jahre 2005 wurde aus Wind
fast genauso viel Energie erzeugt, wie aus Kohle (4,0 : 4,5 TWh). 26 TWh
wurden aus Kernenergie erzeugt. Dem stand ein Stromverbrauch von nur
13,5 TWh gegenüber.
Für das Jahr 2020 wird ein nur noch geringfügig gestiegener
Stromverbrauch prognostiziert, weniger als 15 TWh. Dann sollen indes
20,5 TWh aus Wind erzeugt werden, was aus Netzsicherheitsgründen von
19,2 TWh aus Kohle begleitet sein muß. Ein vollständiger Verzicht auf
Kernenergie wird gemäß jetzigem Koalitionsvertrag unterstellt.
Schleswig-Holstein ist Spitzenreiter bei der erzeugten Windenergie in
Kilowattstunden pro Kopf. Dafür wird 1 % der Landesfläche (aktuell 0,8
%), entsprechend ca. 120 km² in Anspruch genommen. Bis zum Jahr 2020
wird jeder Standort voraussichtlich einmal „repowered“ worden sein. Im
Offshore kann erheblich mehr Wind geerntet werden. Die Nennlaststunden
(Windgeschwindigkeiten 12 bis 25 m/sec) betragen dort 3000 Stunden im
Jahr, während an Land in SH mit der in D besten Windcharakteristik
allenfalls 900 Stunden anfallen. Über alles wird in SH im Offshore etwa
doppelt soviel Strom geerntet als an Land.
Bei den alternativen Energien wird im Jahre 2020 eine Erzeugung von 8
TWh aus Windkraft onshore und 12 TWh aus Windkraft offshore
prognostiziert. Das Potential der Biomasse liegt bei weniger als 2 TWh.
Lediglich 1 TWh aus anderen Quellen (Wasserkraft, Solar,
Müllverbrennung etc.).
Am Standort Brunsbüttel sind Investitionsentscheidungen für
Kohlekraftwerke angekündigt. Insgesamt könnten - und müssen aus
Netzgründen - 23 TWh aus fossilen Brennstoffen in 2020 erzeugt werden.
Herr Dr. Sauer kritisiert die Einspeisungsvergütung für Strom aus
Photovoltaik in Höhe von 0,55 € als erheblich überhöht und als Ergebnis
eines unkontrollierbaren Lobbyings, bis hinein in den Energiegipfel. Die
Vergütung liegt um das 20fache über dem, was der Strom aus dem
billigsten Kraftwerk kostet. Gegenüber Wind ist 14-fach erhöht, 7x in
der Vergütung bei halber Stromausbeute.
Solarthermie ist nach Herrn Dr. Sauer mit einem hohen Potential positiv
zu bewerten, insbesondere bei Neubauten, wo sich mit dem
Wärmeschutzstandard von weniger als 70 Kwh/m².a die Einsparung von 400
Liter Öl sofort rechnen. Dies ist bei Altbausanierung mit mehr als 240
KWh/m².a Wärmebedarfszahl nicht der Fall. Deshalb würden auch
Vorstellungen zum WärmeEEG aus BaWü an den Realitäten und der Kaufkraft
der Bevölkerung vorbeizielen. Hier kann ein 20jährige Sanierungszeitraum
helfen. Und auch nur dann, wenn auf ideologisches energiepolitisches
Hasardieren verzichtet wird.
Allerdings wird durch die Abwicklung der Kernenergie erzwungene Nutzung
von fossilen Kraftwerken auch nur dann vermittelbar, wenn die Akzeptanz
vernunftgesteuert ist. So besehen wird die
CCS(Carbon-Capture-Sequestration)-technologie unverzichtbar. In der
Technik gilt generell, daß Vorteile immer auch von Nachteilen begleitet
werden. Da die Emission von CO2 in
die Atmosphäre vermieden wird, das CO2 aber
nicht verschwunden ist, muß es endgelagert werden. Hierzu hat
Norddeutschland den Vorteil, die Lagerung in tiefen salinen Aquiferen
anzubieten, die eine Aufnahmefähigkeit von 50 Jahren des
gesamtdeutschen Kohlekraftwerke aufweist. Damit wird klar, daß Kohle
und Kernenergie jede für sich nur eine Übergangstechnik sein
können. Untersuchungen hierzu beginnen bereits. CCS wird erst nach 2002
relevant.
In der Diskussion des Vortrages wird die Gasversorgung aus Rußland und
das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Kernenergie behandelt.
Wasserstoffenergie könnte mit "blauer Erzeugung" durch
Offshore-Elektrolyse frühestens ab dem Jahr 2020 wirtschaftlich genutzt
werden.
In der Diskussion über zukünftige Landesplanungsvorgaben in Sachen wird
sich MWV dafür einsetzen, daß die Obergrenze von 1 % für die
Windenergieerzeugung onshore nicht zu starr zu handhaben, aber auch
nicht merklich überschritten wird.
Herr Dr. Sauer hat uns in klarer österreichischer Diktion existentielle
Zukunftsbetrachtungen nahe gebracht. Wir danken ihm insbesondere auch
für seine offenen Worte.
Kiel, den 22.05.2008
gez. Dr. Giesen
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