Anlage 4 zur Anlage zum Rundschreiben 4/2008

Anlage zum Rundschreiben 4/2008
Rundschreiben 4/2008

Vortrag
Dr. Gustav W. Sauer, Abteilungsleiter Technologie und Energie
im Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein


Herr Dr. Sauer referiert zur Energieversorgung Schleswig-Holsteins im Jahr 2020. Das Grünbuch des MWV kann im Internet heruntergeladen werden (www.schleswig-hol­stein.de/MWV/DE/Service/Broschueren/Energie/32gruenbuchEnergie.html__nnn=true). Herr Dr. Sauer verteilt das Grünbuch als Papierversion, die bei der Geschäftsstelle abgefordert werden kann.

Herr Dr. Sauer berichtet, daß die Produktion von Energie in Schleswig-Holstein stets höher war und ist als der Verbrauch. Schleswig-Holstein exportiert also Energie. Im Jahre 2005 wurde aus Wind fast genauso viel Energie erzeugt, wie aus Kohle (4,0 : 4,5 TWh). 26 TWh wurden aus Kernenergie erzeugt. Dem stand ein Stromverbrauch von nur 13,5 TWh gegenüber.

Für das Jahr 2020 wird ein nur noch geringfügig gestiegener Stromverbrauch pro­gnostiziert, weniger als 15 TWh. Dann sollen indes 20,5 TWh aus Wind erzeugt werden, was aus Netzsicherheitsgründen von 19,2 TWh aus Kohle begleitet sein muß. Ein voll­ständiger Verzicht auf Kernenergie wird gemäß jetzigem Koalitionsvertrag unter­stellt. Schleswig-Holstein ist Spitzen­reiter bei der erzeugten Windenergie in Kilowatt­stunden pro Kopf. Dafür wird 1 % der Landesfläche (aktuell 0,8 %), entsprechend ca. 120 km² in Anspruch genommen. Bis zum Jahr 2020 wird jeder Standort voraus­sicht­lich einmal „repowered“ worden sein. Im Offshore kann erheblich mehr Wind geerntet werden. Die Nennlaststunden (Windgeschwindigkeiten 12 bis 25 m/sec) betragen dort 3000 Stunden im Jahr, während an Land in SH mit der in D besten Windcharakteristik allenfalls 900 Stunden anfallen. Über alles wird in SH im Offshore etwa doppelt soviel Strom geerntet als an Land.

Bei den alternativen Energien wird im Jahre 2020 eine Erzeugung von 8 TWh aus Windkraft onshore und 12 TWh aus Windkraft offshore prognostiziert. Das Potential der Biomasse liegt bei weniger als 2 TWh. Lediglich 1 TWh aus anderen Quellen (Wasser­kraft, Solar, Müllver­brennung etc.).

Am Standort Brunsbüttel sind Investitionsentscheidungen für Kohlekraftwerke ange­kündigt. Insgesamt könnten  -  und müssen aus Netzgründen  -  23 TWh aus fossilen Brennstoffen in 2020 erzeugt werden.

Herr Dr. Sauer kritisiert die Einspeisungsvergütung für Strom aus Photovoltaik in Höhe von 0,55 € als erheblich überhöht und als Ergebnis eines unkontrollierbaren Lobbyings, bis hinein in den Energiegipfel. Die Vergütung liegt um das 20fache über dem, was der Strom aus dem billigsten Kraftwerk kostet. Gegenüber Wind ist 14-fach erhöht, 7x in der Vergütung bei halber Stromausbeute.

Solarthermie ist nach Herrn Dr. Sauer mit einem hohen Potential positiv zu bewerten, insbesondere bei Neubauten, wo sich mit dem Wärmeschutzstandard von weniger als 70 Kwh/m².a die Einsparung von 400 Liter Öl sofort rechnen. Dies ist bei Alt­bausanierung mit mehr als 240 KWh/m².a Wärmebedarfszahl nicht der Fall. Deshalb würden auch Vorstellungen zum WärmeEEG aus BaWü an den Realitäten und der Kaufkraft der Bevölkerung vorbeizielen. Hier kann ein 20jährige Sanierungszeitraum helfen. Und auch nur dann, wenn auf ideologisches energiepolitisches Hasardieren verzichtet wird.

Allerdings wird durch die Abwicklung der Kernenergie erzwungene Nutzung von fossi­len Kraftwerken auch nur dann vermittelbar, wenn die Akzeptanz vernunftgesteuert ist. So besehen wird die CCS(Carbon-Capture-Sequestration)-technologie unverzichtbar. In der Technik gilt generell, daß Vorteile immer auch von Nachteilen begleitet werden. Da die Emission von CO2 in die Atmosphäre vermieden wird, das CO2 aber nicht verschwunden ist, muß es endgelagert werden. Hierzu hat Norddeutschland den Vorteil, die Lagerung in tiefen salinen Aquiferen anzubieten, die eine Aufnahmefähig­keit von 50 Jahren des gesamtdeutschen Kohlekraftwerke aufweist. Damit wird klar, daß Kohle und Kernenergie jede für sich nur eine Übergangstechnik sein können. Untersuchungen hierzu beginnen bereits. CCS wird erst nach 2002 relevant.

In der Diskussion des Vortrages wird die Gasversorgung aus Rußland und das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Kernenergie behandelt. Wasserstoffenergie könnte mit "blauer Erzeugung" durch Offshore-Elektrolyse frühestens ab dem Jahr 2020 wirtschaftlich genutzt werden.

In der Diskussion über zukünftige Landesplanungsvorgaben in Sachen wird sich MWV dafür einsetzen, daß die Obergrenze von 1 % für die Windenergieerzeugung onshore nicht zu starr zu handhaben, aber auch nicht merklich überschritten wird.

Herr Dr. Sauer hat uns in klarer österreichischer Diktion existentielle Zukunftsbe­trachtungen nahe gebracht. Wir danken ihm insbesondere auch für seine offenen Worte.

Kiel, den 22.05.2008

gez. Dr. Giesen

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