Anlage zum Rundschreiben 5/2006

Rundschreiben 5/2006

Vorab per e-mail
Ministerium für Landwirtschaft,
Umwelt und ländliche Räume
des Landes Schleswig-Holstein
Mercatorstraße 1 - 3

24106 Kiel

Kiel, den 16.05.2006

Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes
Beteiligungsverfahren

 

Sehr geehrte Frau Dr. Krings,

haben Sie ganz herzlichen Dank für Ihren Brief vom 07.03.2006, mit dem Sie den Ent­wurf eines Gesetzes zum Schutz der Natur (Landesnaturschutzgesetz - LNatSchG) und zur Änderung anderer Vorschriften mit Stand vom 28.02.2006 zur Stellungnahme übersenden. Von der Möglichkeit zur Stellungnahme machen wir gerne Gebrauch wie folgt:

Inhalt
A. Allgemeines
  I. Regelungstechnik
  II. Bundesrechtlicher Spielraum
  III. Behördenbeiträge im Gesetzgebungsverfahren
B. Im einzelnen
  I. Übergangs- und Spezialvorschriften
  II. Relativierung von Reformansätzen
  III. Bedeutung von Nutzungen für die Kultur- und Erholungslandschaft
  IV. Teillandschaftspläne
  V. Eingriffs-/Ausgleichsregelung
    1. Huckepack-Verfahren
    2. Bewertung von Eingriff und Kompensation
    3. Landwirtschaftsklausel
    4. Versagungsvoraussetzungen
    5. UNB Superprüfungsbehörde
    6. Artenschutzverschärfung
    7. Ausgleichsflächenkataster
    8. Sicherheitsleistungen für Rückbaumaßnahmen
    9. Ungenehmigte Eingriffe
  Vi. Minister-LSG
  VII. Nutzungen in NSG
  VIII. Landschaftsschutzgebiete
    1. LSG zur Umsetzung von NATURA 2000 ?
    2. Bundesrechtliche Vorgabe ?
  IX. Biotopschutz
  X. Kein gesetzlicher Schutz für NATURA 2000 - Gebiete
  XI. GVO
  XII. Artenschutz
  XIII. Camping
  XIV. Stege
  XV. Entschädigung
  XVI. Beauftragte / Beiräte
  XVII. Duldungspflichten / Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen
  XVIII. Ausnahmen
  XIX. Was zu loben ist
  1. Allgemeines

In der Präambel zum Gesetzentwurf wird als Ausgangsproblem die Aufnahme um­fangreicher Detailregelungen in das Landschaftspflegegesetz von 1973 benannt. Als Lösung wird die weitestgehende Befreiung von Detailregelungen angeboten.

Über diese trockene Umschreibung von Problem und Lösung hinaus ist der Gesetz­entwurf politisch sehr viel grundsätzlicher kommuniziert worden. Eingeleitet werde ein Paradigmenwechsel, ein Befreiungsschlag gegen ausufernde Bürokratie, eine große Reform etc.

In der Tat ist Gesetzentwurf ein Schritt in die richtige Richtung und als solcher außer­ordentlich zu begrüßen.

Gleichwohl ergeben sich Anmerkungen, die dazu beitragen sollen, die politisch kom­munizierten Ziele noch besser zu erreichen. Die Wiederherstellung von Hand­lungs­spielräumen für die Verwaltung darf nicht zur Aufrechterhaltung oder Neuschaffung behördlicher Eingriffsbefugnisse in Freiheit und Eigentum führen. Das Interesse an einer zügigen Umsetzung des Europarechts darf seine "1 : 1 - Umsetzung" bei gleichzeitiger Streichung überholter nationaler Regelungen (Harmonisierung) nicht überdecken.

Grundlage dieser Stellungnahme sind die mit Rundschreiben unseres Arbeitskreises 3/2006 vom 24.03.2006 versandte erste Durchsicht des Gesetzentwurfes, deren Dis­kussion anläßlich der Mitgliederversammlung am 25.04.2006 mit dem an­schließen­den Vortrag Herrn Ministers Dr. von Boetticher, die Arbeitsbesprechung auf Refe­rentenebene am 03.05.2006 sowie einige bilaterale Kontakte. Die hiesigen Äußerun­gen verstehen sich als Beitrag in einem Diskussionsprozeß, der seinen Abschluß noch nicht gefunden hat.

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  1. Regelungstechnik

Herr Minister Dr. von Boetticher hat es als grundlegende Regelungstechnik des Ge­setz­entwurfes dargestellt, den Unteren Naturschutzbehörden Handlungsspielräume zu er­öffnen. Dem Ziel "Stärkung der Wirtschaft durch Entbürokratisierung" ent­gegen­laufende Fehlentscheidungen einzelner Sachbearbeiter müsse im Wege ver­besser­ter Personalaufsicht vorgebeugt werden.

Nun kann aber Personalaufsicht im Grunde ge­nommen nur reagieren und angesichts dienstrechtlicher Bindungen nur selten kurz­fristig gestalten. Gleichwohl hat es sich alles in allem bewährt, den Sachbearbeitern Entscheidungsfreiheit innerhalb eines durch die gesetzlichen Tatbestände vorgegebenen Programms einzuräumen. Diese Entscheidungsfreiheit wird in der Regel verantwortlich ausgeübt.

Dies kommt in dem berühmten Grundsatz der Legislativlehre zum Ausdruck, daß Gesetze "kurz und unklar" sein müssen. Vor diesem Hintergrund ist die Regelungs­technik des Entwurfes im Grundsatz positiv zu bewerten.

Es muß allerdings darauf geachtet werden, an den entscheidenden Stellen im Ge­samtkonzept mit dem Gesetz eine Richtschnur für die Rechtsanwendung durch Verwaltung und Rechtsprechung zu geben. Als neuralgische Punkte haben sich in der Vergangenheit insbesondere diejenigen Sachbereiche ergeben, für die die in unserem Arbeitskreis zusammengeschlossenen Verbände und Organisationen stehen. Unser Arbeitskreis entstand aus einer sehr speziellen landesrechtlichen und politischen Konstellation und Geschichte seit 1993. Anregungen der Mitglieder unseres Arbeitskreises nachzukommen, bedeutet insofern nicht, Partikularinteressen einseitig zu bevorzugen, sondern bedeutet vielmehr, im Gesetzesvollzug aufge­deckte Probleme angemessen zu bewältigen. Beispielhaft sei etwa die Diskussion um den Eingriffscharakter von Weihnachtsbaumkulturen, von Folientunneln zur gar­tenbaulichen Erzeugung oder auch um die Stegproblematik angesprochen.

Wir werben deshalb dafür, Anregungen aus dem Kreise unserer Mitglieder auch in der Gesetzesbegründung zur Behebung überkommener Miß­stände aufzugreifen. In der Gesetzesbegründung kann konkretisiert werden, was der Ge­setzestext abstrakt halten muß. Das hält das Gesetz schlank, teilt der An­wen­dungspraxis aber die Auf­fassung des Gesetzgebers mit und entfaltet eine er­hebliche Steuerungskraft für die forensische und exekutive Praxis.

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  1. Bundesrechtlicher Spielraum

Der Gesetzgeber kann ermuntert werden, sich auch von den in Abgrenzung zu nicht bindenden Handlungsaufträgen als bindend verstandenen Regelungsaufträgen des Bundesnaturschutzgesetzes zu lösen. Das Bundesrecht muß nämlich verfassungs­konform ausgelegt werden. Nach Art. 75 Abs. 1 GG hat der Bund das Recht, Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder über den Naturschutz zu erlassen nur unter den Voraussetzungen des Art. 72. Nach Art. 72 Abs. 1 GG haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Diese Gesetzgebungszuständigkeit hat der Bund nach Art. 72 Abs. 2 GG (nur), wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Das geltende Bundesnatur­schutz­gesetz kollidiert in mehreren Regelungsaufträgen anerkanntermaßen mit dieser Ver­fassungs­rechtslage.

Der Verweis auf Art. 72 GG ist in Abs. 1 des Art. 75 GG auf Empfehlung der ge­meinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bun­desrat aufgenommen worden. Ausdrücklich sollte damit der Spielraum der Länder erweitert werden (vgl. dazu BT - Drs. 12/6000). Das Bundesverfassungsgericht hat die Kompetenzver­teilung zwischen Bund und Ländern im berühmten Junior­professur-Urteil vom 27.07.2004, 2 BvF 2/2002, ausgeführt.

Danach

  • ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der Länder auszu­gehen;

  • schränkt die von Art. 75 GG gewollte Parallelität der Gesetzgebung den Bund in seinem Regelungsvorhaben ein;

  • müssen Rahmengesetze der ergänzenden Gesetzgebung der Länder sub­stantielle Freiräume lassen, damit diese politisch selbstverantwortlich Recht setzen können;

  • muß der legislative Rahmen des Bundes dem Land die Möglichkeit lassen, die Sachmaterie entsprechend den besonderen Verhältnissen des Landes zu regeln;

  • müssen die Länder die ihnen zur Regelung überlassenen Sachgebiete nicht notwendig einheitlich ordnen;

  • war schon nach der Verfassungsrechtslage bis 1994 der bloße Nachvollzug bundesrechtlicher Gesetzgebungsanordnungen mit der Verfassungs­rechts­lage nicht vereinbar;

  • muß nach 1994 vor dem Hintergrund der Verfassungsänderung besonders be­rücksichtigt werden, daß die Rahmenvorschriften des Bundesgesetzgebers nun­mehr in besonderer Weise eine eigenständige gesetzgeberische Ge­stal­tung durch den Landesgesetzgeber ermöglichen sollen.

Wie es also Art. 75 Abs. 2 GG treffend zusammenfaßt: Rahmenvorschriften dürfen nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Rege­lungen enthalten.

Vor diesem Hintergrund besteht keine Pflicht zur Regelung etwa

  • der Schutzkategorie der Landschaftsschutzgebiete,

  • der Festsetzung regionaler Mindestdichten linearer und punktförmiger Land­schaftselemente,

  • der Übernahme sämtlicher Biotoptypen des § 30 BNatSchG,

  • der Verwendung gentechnisch veränderter Produkte in der Land- und Forstwirt­schaft etc.

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  1. Behördenbeiträge im Gesetzgebungsverfahren

Im bisherigen Beteiligungsverfahren haben sich die Unteren Naturschutzbehörden, teilweise deren Beiräte und auch der Schleswig-Holsteinische Landkreistag ge­äußert. Die Äußerungen stehen den Anliegen des Gesetzentwurfes teils diametral entgegen. Insoweit können sie geradezu als Beleg für die Not­wen­digkeit der Streichung von Kompetenzen, von Zuständigkeiten und vor allem von Auf­gaben zur Konsolidierung des Haushalts und zur Belebung der Wirtschaft durch De­regulierung gewertet werden. Diskussionsbeiträge aus der Exekutive kommen im Gesetzge­bungsverfahren nicht von vornherein aus berufenem Munde.

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  1. Im einzelnen
     

  2. Übergangs- und Spezialvorschriften

Die Ressortabstimmung des Referentenentwurfs hat Änderungen ergeben, die negativ zu bewerten sind. Dies gilt beispielsweise für die Übergangsvorschriften, die die Reformansätze des eigentlichen Gesetzestextes teils wieder in Frage stellen. So ordnet etwa § 76 die Fortgeltung der Landschaftsrahmenpläne und der Grün­ordnungspläne bis zur Veröffentlichung eines neuen Landschaftsprogrammes bzw. bis zur Aufstellung eines Bauleitplanes an. Beide Plankategorien sollten jedoch sofort ersatzlos gestrichen werden. Sie sind überflüssig, zumal etwa die Vor­ranggebiete für den Naturschutz bereits in die Raumordnungspläne übernommen sind.

Gleiches gilt für § 77, der die Fortgeltung des Verbotes für Zerstörung und er­hebliche Beeinträchtigung (§ 25) für längstens vier Jahre nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes anordnet. Die Sukzessionsbiotope sollten sofort entfallen. Störun­gen laufender Planungsverfahren sind davon nicht zu erwarten. Im Gegenteil werden die Pla­nungsverfahren erleichtert, weil Kompensationsaufwand entfällt. Bereits fertig­ge­stellte Planungen können verwirklicht werden, da eine Überkompensation nicht planschädlich ist. Es obliegt dann der Entscheidung des Planungsträgers, ob er auf die neue Gesetzeslage umplant oder es bei der bisherigen Planung beläßt. Diese Entscheidungsfreiheit stärkt die Planungshoheit.

Die Spezialvorschriften für Golfplätze (§ 46) und Sportboothäfen (§ 45 Abs. 3 bis 7) sollten entfallen. Golfplätze sind bauliche Anlagen, für deren Genehmigung die Baubehörden nach materiellem Baurecht kompetent sein sollten. Gleiches gilt grund­sätzlich für Sportboothäfen, für die bei großräumlicher Lagekongruenz die allgemein für Häfen zuständigen Behörden kompetent sind.

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  1. Relativierung von Reformansätzen

Der Gesetzentwurf enthält in mehreren Vorschriften begrüßenswerte Grundsatz­rege­lungen. Diese werden aber durch teils unmittelbar nachfolgende Ausnahme-Spezial­vorschriften in ihrer Regelungskraft wieder relativiert. Es ist absehbar, daß sich die forensische und die exekutive Praxis aus dem ihr innewohnenden Trägheitsmoment heraus auf die Ausnahme-Spezialvorschriften stützen wird und damit die Wirkung der Grundsätze verpufft.

Durch das Weglassen der Ausnahme-Spezialvorschriften sollte den grundsätzlichen Regelungsaussagen zu besserer Wirksamkeit verholfen werden.

Dies gilt etwa für:

  1. § 3 Absatz 3: Die Vorschrift ändert die bisher praktisch wirkungslose Regelprüf­pflicht des § 2 Abs. 2 Satz 1 ("sollen") in Satz 1 in eine ausnahmslos durch­zuführende Prüfung ("haben"). Das ist positiv. Eine Prüfpflicht, die an das Ergebnis der Prüfung keine Rechtsfolgen bindet, ist jedoch praktisch wertlos. Sie verbessert die Rechtsposition des Bürgers gegenüber dem Staat nicht. Deshalb ist zum ersten Satz 2 zu streichen, wonach die sonstigen Befugnisse der Naturschutzbehörden von der Prüfpflicht unberührt bleiben. Zum zweiten ist an der frei werdenden Stelle die Rechtsfolge des Vorranges vertraglicher Rege­lungen auszusprechen. Satz 2 könnte in Anlehnung an § 10 Abs. 1 des Entwurfes der CDU-Landtagsfraktion 2002 lauten:

"Verträge haben Vorrang vor ordnungsrechtlichen Maßnahmen, wenn gleichwertiger Schutz bei angemessenem Aufwand gewährleistet ist".

  1. § 13 Abs. 2 Satz 4 fingiert die Vollständigkeit von Unterlagen, die zur Beurteilung des Eingriffs erforderlich sind. Die Vollständigkeitsfiktion gilt nicht, wenn die zuständige Naturschutzbehörde innerhalb von vier Wochen weitere Unterlagen nachfordert. Daß einzelne Naturschutzbehörden lieber nachfordern, als sich unter Zeitdruck setzen zu lassen, dürfte naheliegen. Deshalb ist bei Bei­be­haltung des Nachforderungsrechtes entweder die Vierwochenfrist zu verkürzen oder aber das Nachforderungsrecht ist zu streichen. Im letzteren Falle wäre eine Verlängerung der Vollständigkeitsfrist von vier auf fünf Wochen tragbar.
     

  2. Nach § 13 Abs. 4 Satz 1 soll eine Genehmigungsfiktion greifen, wenn die zu­ständige Naturschutzbehörde nicht innerhalb von sechs Wochen nach Eingang des vollständigen Antrages entschieden hat. Satz 2 hebt den Grundsatz u.a. auf für Verfahren, die "aufgrund ihres Umfanges" oder "wegen besonderer Schwie­rigkeiten" eines längeren Prüfungs- und Entscheidungszeitraums bedürfen. Es liegt nahe, daß einzelne Naturschutzbehörden in "Umfang" oder "Schwierig­keiten" fliehen werden.

Deshalb sind zum ersten die Ausnahmetatbestände "Umfang" oder "wegen besonderer Schwierigkeiten" zu streichen. Erfahrungsgemäß ist der Zeitdruck für Investoren bei kleineren Vorhaben oft geringer als bei größeren. Wenn es darum geht, gerade größere Vorhaben zur Stärkung der Wirtschaftskraft zu unter­stützen, sollte es insoweit bei der Regelfiktion bleiben.

Dies gilt insbesondere, als bei größeren Vorhaben regelmäßig die Gemeinde oder Dritte notwendig zu beteiligen sind. Eine vollständige Aufhebung der Frist für die Genehmigungsfiktion ist auch in diesen Fällen nicht sinnvoll. In den Be­teiligungsfällen sollte die Genehmigungsfiktion mit der Zweimonatsfrist nach § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB als Obergrenze harmonisiert werden.

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  1. Bedeutung von Nutzungen für die Kultur- und Erholungslandschaft

Die Regelung zur Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft in § 5 Abs. 1 ist ambivalent. Gemeint ist doch sicherlich die Erfahrung, daß Nutzungen Naturschutz- und Landschaftspflege in aller Regel nicht behindern, sondern ihr sogar förderlich sind. Dies sollte dann auch ausgesprochen werden. Formuliert werden könnte etwa:

"Nutzungen wie Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei haben regelmäßig positive Bedeutung für die Erhaltung der Kultur- und Erholungslandschaft."

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  1. Teillandschaftspläne

Positiv ist zu vermerken, daß § 9 Abs. 5 Ausnahmemöglichkeiten für die Erstellung eines Landschaftsplanes für Teile von Gemeinden regelt. Damit wird § 16 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG übernommen. Vorstellbar wäre, in der Gesetzesbegründung dar­zulegen, wann von planungsrechtlicher Sicherung der Entsprechung von vor­herrschender Nutzung mit den Zielen und Grundsätzen des Naturschutzes und der Landschaftspflege ausgegangen werden kann. Vorzubeugen ist einer Auslegung, wonach nur Festsetzungen zur Sicherung ausreichen. Schon Darstellungen führen zur Absicherung im Sinne der Vorschrift.

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  1. Eingriffs-/Ausgleichsregelung
     

  2. Huckepack-Verfahren

Zentrales Anliegen ist die Rückkehr zum "Huckepack-Verfahren". Der Gesetzentwurf beläßt es in der Kombination der §§ 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1 Satz 1 bei einem Generalgenehmigungstatbestand für alles Wirtschaftens in der Natur. Eine ganze Reihe von Kleinst- und Bagatelleingriffen wird damit ausschließlich nach Natur­schutzrecht genehmigungsbedürftig, obwohl anderes öffentlich-rechtliches Fach­recht derartige Maßnahmen bewußt von Anzeige- oder Genehmigungspflichten freihält. Die Naturschutzbehörden - und die Bürger - werden mit viel "Kleinkram" belastet.

Im Nachbarland Niedersachsen gilt das Huckepack-Verfahren seit vielen Jahren, ohne daß es dort zu Mißständen gekommen ist. § 9 NNatG definiert den Geltungs­bereich der Eingriffs-/Ausgleichsregelung für Eingriffe, die

"

  1. nach öffentlichem Recht einer behördlichen Genehmigung oder eines entsprechenden Verwaltungsaktes bedürfen oder einer Behörde anzu­zeigen sind,

  2. nach öffentlichem Recht einer Planfeststellung bedürfen oder

  3. nicht unter die Nummern 1 und 2 fallen, jedoch von einer Behörde durch­geführt oder geleitet werden."

Die drei Fälle werden dann in den §§ 13, 14 und 15 NNatG auch verfahrensrechtlich differenziert. Das niedersächsische Regelungsmodell empfiehlt sich auch für Schleswig-Holstein.

  1. Bewertung von Eingriff und Kompensation

Praktisches Kernstück aller Vorschriften über den Eingriff und seine Kompensation ist die Bewertung und damit das Kompensationsverhältnis. Davon sind Gesamt­kosten und Risiko eines Vorhabens in hohem Maße abhängig. Es ist dies einer der wenigen Punkte, in denen im Interesse der Wirtschaft eine Ausführlichkeit der Re­gelung gewünscht ist. In der Vergangenheit ist es in Schleswig-Holstein nicht ge­lungen, einen einheitlichen Kompensationsschlüssel aufzustellen. Das hat die Vor­habenträger weitgehend in Abhängigkeit vom goodwill einzel­ner Mitarbeiter bei den Naturschutzbehörden gebracht. Für ein und denselben Eingriff wurden in den Kreisen Schleswig-Holsteins ganz unterschiedlich hohe Kompen­sa­tionsmaßnahmen gefordert. Grundlage war häufig eine Anbindung an Flächen­äqui­valente.

Die Gesetzesbegründung sollte in Erläuterung zu § 12 Abs. 1 näher zu diskutierende Grundsätze zur Eingriffs-/Kompensationsbilanzierung ausführen. In dem so ge­zogenen Rahmen bewegt sich dann sowohl die allgemeine Anwendung der Eingriffs-/Kompensationsregelung als auch die Führung des Öko-Kontos (§ 12 Abs. 6). Auch für die Ausgestaltung der Verordnung nach § 12 Abs. 8 sollte die Ge­setzes­begründung einen Rahmen vorgeben, um bereits jetzt überhöhten Kompensations­faktoren durch die Verordnung entgegenzuwirken.

Der Aufwand für Kompensationsmaßnahmen ist ein wettbewerbsrelevanter Faktor. Gleiche Rahmenbedingungen nicht nur innerhalb der Verwaltungsgliederungen Schleswig-Holsteins, sondern auch zu den Nachbarn in Dänemark, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen sind anzustreben.

  1. Landwirtschaftsklausel

Die Landwirtschaftsklausel in § 10 Abs. 2 Ziffer 5 sollte statt auf die „Bodennutzung“ schlicht auf die „Nutzung“ abstellen; sonst würde nur die tägliche Wirtschaftsweise freigestellt. Auch Nutzungen, die nur einmal jährlich oder gar im Abstand mehrerer Jahre erfolgen, müssen indes von der Eingriffs-/Ausgleichsregelung freigestellt wer­den, wenn sie Land-, Forst- oder Fischereiwirtschaft dienen. Beispiele sind etwa die Anlage forst­licher Gatterungen, die Anlage von Weihnachtsbaumkulturen, bestimmte Kulturen in der Baumschulwirtschaft oder beim Erwerbsgartenbau etc..

  1. Versagungsvoraussetzungen

§ 11 Abs. 3 regelt, unter welchen Voraussetzungen die Eingriffsgenehmigung bin­dend zu ver­sagen ist. Notwendig wäre demgegenüber eine Regelung, die die Vor­aussetzungen nennt, unter denen die Genehmigung bindend zu erteilen ist.

  1. UNB Superprüfungsbehörde

§ 11 Abs. 3 Ziffer 3 zwingt die Naturschutzbehörde zur Genehmigungsversagung, wenn dem Eingriff „andere öffentlich-rechtliche Rechtsvorschriften oder Erfordernisse der Raumordnung entgegenstehen“. Die Vorschrift zwingt die Naturschutzbehörde, das öffentliche Fachrecht und die Ziele und Grundsätze der Raumordnung und Lan­des­planung zu prüfen. Die Naturschutzbehörde wird damit zur Superprü­fungs­instanz.

  1. Artenschutzverschärfung

§ 11 Abs. 4 importiert aus dem wegen des EuGH-Urteils vom 10.01.2006 ohnehin erheblich in der Diskussion stehenden bundesunmittelbaren (§ 11 BNatSchG) Arten­schutzrecht ohne Grund strenge Genehmigungserfordernisse in die Eingriffs-/Ausgleichs­regelung. Für einen Eingriff bei streng geschützten Arten werden „zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses“ vorausgesetzt. Da der Gesetzentwurf zudem mit Ortsbezug auf die „dort lebenden" Individuen ab­stellt, dürfte ein eingriffsbetroffener Lebensraum ‑ eben für die dort lebenden streng ge­schützten Arten - nie ersetzbar sein.

Streng geschützte Arten gibt es ‑ anders als der Wortlaut nahelegt ‑ außerordentlich viele. Die Begriffsdefinition in § 10 Abs. 2 Ziffer 11. BNatSchG umfaßt Arten, die

  • in Anhang A der Europäischen Handelsüberwachungsverordnung,

  • in Anhang IV der FFH-Richtlinie

und

  • in der Bundesartenschutzverordnung nach § 52 Abs. 2 BNatSchG aufgeführt sind,

beispielsweise:

  • Feldhamster,

  • Fischotter,

  • Haselmaus,

  • Nerz,

  • Schweinswal,

  • zahlreiche in Wäldern weit verbreitete Fledermausarten,

  • Rotbauchunke,

  • Laubfrosch,

  • Kammolch,

  • Lachs,

  • Finte,

  • viele Libellen- oder Schmetterlingsarten,

  • die gemeine Flußmuschel,

  • zahlreiche Vogelarten wie etwa

  • Eisvogel,

  • Brachpieper,

  • Trauerseeschwalbe,

  • Weißstorch,

  • Wachtelkönig,

  • Mittelspecht,

  • Zwergschnäpper,

  • Bekassine,

  • Uferschnepfe,

  • Blaukehlchen,

  • Brachvogel,

  • Grünspecht,

  • Säbelschäbler,

  • Kiebitz,

  • und Pflanzen, wie etwa

  • Moorbinse,

  • Strandwinde,

  • Rautenfarn,

  • Teichrosen,

  • violette Schwarzwurzeln,

  • Wilder Wein

und viele, viele weitere.

Nur die wenigsten Vorhaben, regelmäßig wohl staatliche Vorhaben, können für sich in Anspruch nehmen, „aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Inter­esses“ gerechtfertigt zu sein. Alle anderen Vorhaben haben keine Chance zur Geneh­migung, wenn die genannten Arten auf der Fläche im Spiel sind.

  1. Ausgleichsflächenkataster

Regelungen zum Ausgleichsflächenkataster sind nicht notwendig. Den Natur­schutz­behörden ist es unbenommen, interne Kataster dieser Art zu führen. Wenn allerdings das Ausgleichsflächenkataster Gesetzeskraft erlangt, dann sollte es bei Nachweis eines be­rechtigten Interesses auch planenden Vorhabensträgern zur Verfügung gestellt werden, um Inhaber von Aktiva auf dem Öko-Konto leichter ausfindig zu machen. Monopol­strukturen staatlicher oder halbstaatlicher Stellen bei der Vermarktung von Ansprüchen aus dem Öko-Konto ist vorzubeugen.

  1. Sicherheitsleistungen für Rückbaumaßnahmen

Der Rückbau eines Eingriffes hat entweder selbst Kompensationswirkungen oder bringt erneute Eingriffe mit sich. Öffentlich-rechtliche Legalisierungen sind grund­sätzlich auf unbestimmte Zeit ausgerichtet. Befristete Legalisierungen sind die Aus­nahme. § 12 Abs. 5 Satz 3 ist deshalb er­satzlos zu streichen.

  1. Ungenehmigte Eingriffe

Bei ungenehmigten Eingriffen kann die Naturschutzbehörde nach § 14 nicht nur die ungenehmigte Eingriffshandlung als solche ‑ das wäre nachvollziehbar -, sondern „jede Nutzung“ untersagen. Ordnungsbehördliches Einschreiten wird zur Strafe. Die Vorschrift stammt zwar aus dem geltenden Gesetz, ist aber neu zu fassen.

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  1. Minister-LSG

Mit § 18 (s.u.) sollte § 15 Abs. 3 Satz 2 gestrichen werden.

^

  1. Nutzungen in NSG

§ 16 Abs. 2 letzter Satz ist grundsätzlich positiv, sollte aber noch klarer formuliert werden. Nutzungen sind auch in Naturschutzgebieten grundsätzlich zulässig, wenn und soweit sie dem Schutzzweck nicht zuwiderlaufen.

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  1. Landschaftsschutzgebiete

Die Schutzkategorie der Landschaftsschutzgebiete (§ 18) sollte ersatzlos entfallen. Gerade die in den vergangenen Jahren auf der Grundlage des vom Land empfoh­lenen Musters ergangenen Landschaftsschutzverordnungen gerade auch der Kreise Rendsburg-Eckernförde oder Pinneberg haben sich vom ursprünglichen Rege­lungs­inhalt zum Landschaftsschutz weit entfernt und sind artenschutzrechtliche, biotop­schutzrechtliche, naturhaushaltsrechtliche und wasserhaushaltsrechtliche Vollrege­lungen geworden.

Viele alte Landschaftsschutzverordnungen unterliegen in Schleswig-Holstein zudem einem Ausfertigungsmangel, da seinerzeit Abgrenzungskarten einer Erlaßlage fol­gend nicht mitunterzeichnet wurden. Nach der Rechtsprechung des Oberver­wal­tungsgerichtes führt dies zur Nichtigkeit der Gesamtverordnung.

Echte Landschaftsschutzgebiete sind insbesondere durch die Ökologisierung des Bauplanungsrechts, aber auch aus vielen anderen Gründen überflüssig geworden. Auf die Stellungnahme unseres Arbeitskreises zur Musterlandschaftsschutz­verord­nung wird verwiesen.

Deshalb sollte die Übergangsregelung für bestehende Landschaftschutzver­ord­nun­gen (§ 72) so gefaßt werden, daß die Altverordnungen als aufgehoben gelten. Außerdem sollte auf die Neuregelung einer Ermächtigungsgrundlage für Land­schaftsschutzverordnungen verzichtet werden.

Dagegen kann nicht argumentiert werden, Landschaftsschutzgebiete würden zur Umsetzung des NATURA 2000 - Schutzregimes benötigt oder Bundesrecht zwinge das Land zur Regelung:

  1. LSG zur Umsetzung von NATURA 2000 ?

  1. In der Tat sieht das NATURA 2000 - Schutzregime die Erklärung der FFH- und Landschaftsschutzgebiete zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft vor. Geschützte Teile von Natur und Landschaft sind neben den Landschafts­schutz­ge­bieten auch Naturschutzgebiete, Nationalparke, Biosphärenreservate, Natur­parke, Naturdenkmäler oder geschützte Landschaftsbestandteile. Die Erklärung von geschützten Teilen von Natur und Landschaft kann unterbleiben, soweit nach anderen Rechtsvorschriften ein gleichwertiger Schutz gewährleistet ist. Ein solcher gleichwertiger Schutz ist gegeben

  • durch die Ökologisierung des Baurechts,

  • durch die Regelung der gesetzlich geschützten Biotope (§ 25 neu),

  • die anderen Schutzkategorien. Diese haben keinen a priori feststehenden Verbotsinhalt, so daß die Aussage, diese griffen in jedem Falle weiter in Eigentum und Selbstverwaltung ein als Landschaftsschutzgebiete, so nicht zutrifft.

  1. Mit der Beibehaltung der Kategorie der Landschaftsschutzgebiete zur Umsetzung von NATURA 2000 setzt sich die Landesregierung in Widerspruch zu ihren Erklärungen, bei der Umsetzung von NATURA 2000 auf Freiwillige Vereinba­run­gen zu setzen.
     

  2. § 29 neu führt ein sehr weitreichendes gesetzliches Verbot für Vogelschutz­gebiete ein. Diese Vogelschutzgebiete bedürfen damit keiner weiteren Unter­schutzstellung mehr.

Das Argument, Landschaftsschutzgebiete würden zur Umsetzung von NATURA 2000 benötigt, trifft also nach dem eigenen Regelungskonzept der Landes­re­gierung nicht zu.

  1. Bundesrechtliche Vorgabe ?

Auch Bundesrecht erzwingt die Kategorie der Landschaftsschutzgebiete nicht.

  1. Eine Länderpflicht zur Regelung von Landschaftsschutzgebieten ergibt sich nicht aus § 26 Abs. 1 BNatSchG. Danach sind Landschaftsschutzgebiete rechtsver­bindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft zu dort im einzelnen aufgezählten Zwecken erforderlich ist. Die Vor­schrift umschreibt die Wesensmerkmale von Landschaftsschutzgebieten, ohne daß daraus eine Pflicht zu ihrer Ausweisung noch zur Regelung der Schutz­kategorie folgt (in der Literatur unstreitig).
     

  2. Eine Pflicht der Länder zur Regelung einer Kategorie der Landschaftsschutz­ge­biete könnte aus § 22 Abs. 1 BNatSchG folgen. Die Vorschrift lautet:

"Die Länder bestimmen, daß Teile von Natur und Landschaft zum

  1. Naturschutzgebiet, Nationalpark, Biosphärenreservat, Land­schaftsschutzgebiet, Naturpark oder

  2. Naturdenkmal oder geschütztem Landschaftsbestandteil

erklärt werden können".

Ob aus dieser Formulierung eine Pflicht für den Landesgesetzgeber folgt - Rege­lungspflichten des Gesetzgebers, des Souveräns, sind verfassungsrechtlich be­sonders begründungsbedürftig - ist durch Auslegung zu ermitteln.

  • Wortlaut:

Die Norm verwendet den Indikativ ("die Länder bestimmen"). Ein Indikativ kann sprachlich-grammatikalisch als Imperativ gemeint sein. Ein Indikativ kann auch lediglich deskriptiv gemeint sein. Was gemeint ist, erschließt sich aus dem Zusammenhang. Normalerweise wird dem Indikativ ein Modalverb hinzugefügt (können, müssen, dürfen etc.), um den Begriffsinhalt un­mißver­ständlich zum Aus­druck zu bringen. Ein solches Modalverb fehlt in dem Bezug auf den Indikativ "bestimmen". Das Modalverb "können" in § 22 Abs. 1 BNatSchG bezieht sich lediglich auf das Ermessen der für die Schutzer­klärung zuständigen Stelle, in Schleswig-Holstein die Landräte.
 

Der Wortlaut des § 22 Abs. 1 BNatSchG ist also offen.

  • Gesetzliche Systematik

 Auch aus der gesetzlichen Systematik ergibt sich nicht, daß eine Rechts­pflicht zur Regelung der aufgeführten Schutzkategorien gewollt ist. Die aufge­führten Schutzkategorien werden nämlich nicht alle in allen Bun­desländern geregelt. Der Bundesgesetzgeber akzeptiert also, daß einige Bundesländer nicht alle Schutzkategorien kennen. Dies trifft insbeson­dere auf die Stadt­staaten zu, aber auch auf Flächenländer. So sind etwa im Bayerischen Naturschutzgesetz die Bio­sphärenreservate nicht ge­regelt.

Die gesetzliche Systematik spricht damit eher dafür, daß § 22 BNatSchG unter­schiedliche Ländertraditionen hinnimmt.

  • Entstehungsgeschichte

Die Entstehungsgeschichte des § 22 Abs. 1 BNatSchG ist aufschlußreich: Die Vorgängervorschrift in § 12 Abs. 1 BNatSchG formulierte in § 12 Abs. 1 "können ... erklärt werden". Damit waren die Länder nach einhelliger Ansicht in der Literatur nach altem Recht nicht verpflichtet, alle Schutzkategorien vorzusehen (vgl. statt aller Schmidt-Räntsch, in: Gassner/Bendomir-Kahlo/
Schmidt-Räntsch: BNatSchG, 2. Auflage, § 22 Rz. 6). So gab es eine ganze Reihe von Bundes­ländern, die Nationalparke nicht vorsahen.
 

Nach der Begründung zu den gleichlautenden Gesetzentwürfen der seiner­zeiti­gen Bundesregierung und der Fraktionen von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen von Juni bzw. September 2001 ergibt sich, daß an dieser Rechtslage nichts ge­ändert werden sollte. Ausdrücklich heißt es (Bundestagsdruck­sachen 14/6378 und 14/6878):
 

"§ 22 entspricht im wesentlichen dem bisherigen § 12".

Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers sollte deshalb eine Landes­pflicht nicht geregelt werden.

  • Sinn und Zweck:

Bei der teleologischen Auslegung des § 22 Abs. 1 BNatSchG hagelt es in der Kommentarliteratur naturschutzpolitische Argumente. Es lassen sich Argu­mente für jeden Standpunkt finden:
 

Bei Schmidt-Räntsch, a.a.O., § 22 Rz. 4 heißt es, einheitliche Schutz­kate­gorien würden Akzeptanz und Beachtung der Schutzausweisung bei den Bürgern för­dern. Treffe er, z.B. beim Urlaub im Nachbarbundesland, dort die gleichen Kate­gorien vor, werde er sich eher an die Verhaltens­beschrän­kungen halten, als wenn ihn dort ein völlig anderes Schutzsystem erwartet, das er nicht kenne. Dieses Argument zieht nicht, wenn es um das Weglassen von Schutzkategorien geht. Gibt es keine Schutzkategorie, so gibt es keine Verhaltensbeschränkungen, die "die Bürger" akzeptieren und beachten müssen.
 

Bei Kolodziejcok, in: Kolodziejcok/Recken/Apfelbacher/Iven: Naturschutz, Land­schaftspflege, Kommentar, Loseblatt, Stand: Februar 2006, § 22 Rz. 4, heißt es ohne weitere Begründung und in sich widersprüchlich, die Länder könnten im Sinne des Flächen- und Objektschutzes den Katalog weder erweitern noch verkürzen. Sie bräuchten "natürlich eine Kategorie nicht in ihr Landesgesetz auf­zunehmen, wenn seine Anwendung in ihrem Lande aus tatsächlichen Gründen nicht in Frage kommt". Ganz selbstverständlich geht also Kolodziejcok von einem Rahmen aus, der ausgefüllt werden kann, aber nicht muß.
 

De Witt/Dreyer, in: Hoppenberg/de Witt: Handbuch des Öffentlichen Bau­rechts, Bd. 1, E Rz. 275 formulieren - ebenfalls ohne weitere Begründung -, die Länder seien "grund­sätzlich verpflichtet, alle Schutzgebietsarten zu über­nehmen, soweit die Einrich­tung eines entsprechenden Schutzgebietes von der Größe und vom natur­räumlichen Typus her in Frage kommt". Wem aber, wenn nicht dem Landes­ge­setzgeber, sollte die Beantwortung dieser Frage anvertraut werden ?

  • Verfassungskonforme Auslegung

Naturschutzpolitische Überlegungen müssen zurückstehen, wenn die Ver­fassungsrechtslage ihnen Schweigen gebietet. Oben ist schon dargestellt worden, daß das Rahmenrecht des Bundes keine ins einzelne gehenden Re­ge­lungen enthalten darf.

Das Land Schleswig-Holstein ist deshalb bundesgesetzlich zur Regelung einer Kate­gorie der Landschaftsschutzgebiete nicht verpflichtet.

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  1. Biotopschutz

Die Einführung neuer gesetzlich geschützter Biotope ist nicht notwendig.

Das Verbots-/Ausnahmeverhältnis ist unklar. Die Sonderregelung des § 25 Abs. 2 spricht dafür, daß für gesetzlich geschützte Biotope die inhaltlich weitgehend deckungsgleiche Ausnahmevorschrift des § 64 keine Anwendung finden soll. Soweit die Geltungsausnahme nach Absatz 1 Satz 3 nicht eingreift, würde ein aus­nahmsloses Verbot bestehen. Diese Rechtsfolge wäre bei bewirtschafteten Biotopen nicht tragbar.

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  1. Kein gesetzlicher Schutz für NATURA 2000 - Gebiete

Die Einführung einer auch für Private geltenden gesetzlichen Veränderungssperre für NATURA 2000 - Gebiete wird abgelehnt. Sie mag für öffentliche Infrastruktur­vorhaben eine Erleichterung gegenüber dem faktischen Vogelschutzregime bringen. Ein neues gesetzliches Verbot birgt die Gefahr, daß sein Gehalt den Betroffenen gar nicht erkennbar ist. Hier bleibt es bei der von uns schon bisher geäußerten Kritik.

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  1. GVO

§ 31 ist ersatzlos zu streichen. Auf die Stellungnahme des Bauernverbandes Schleswig-Holstein e.V. wird verwiesen.

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  1. Artenschutz

Im Artenschutzrecht steht das Bundesnaturschutzgesetz unmittelbar vor einer Novellierung. Die Novellierung ist durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 10.01.2006 erzwungen und wird den allgemeinen Arbeiten an einem Umwelt­gesetzbuch zeitlich weit vorauslaufen. Es ist damit zu rechnen, daß eine vollständig neue Systematik der artenschutzrechtlichen Regelungen eingeführt wird. Zu unter­scheiden werden besonders geschützte Arten, streng geschützte Arten und euro­päisch ge­schützte Arten sein. Für jede dieser Schutzgruppen wird ein besonderes Schutzstatut gelten. Für europäisch geschützte Arten kann damit den Vorgaben der Art. 12 und 16 FFH-RL genügt werden.

Bleibt es bei der unmittelbaren Geltung der bundesrechtlichen Artenschutz­vor­schriften, wie sie auch von der Föderalismuskommission vorgeschlagen wird, dann sind eigene landesrechtliche Artenschutzbestimmungen überflüssig. Abschnitt V könnte bis auf § 37 und § 38 ersatzlos entfallen.

Eine ganze Reihe sekundärer Streitstände würde damit erledigt. So wäre etwa der Streit um "autochtone Arten" (§ 34 Abs. 3), um das Zurückschneiden der Vegetation zur Sommerszeit (§ 34 Abs. 5 Ziffer 1) und die partiellen Ausnahmen (§ 34 Abs. 5 Satz 2; Teichwirtschaft ?) geschlichtet.

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  1. Camping

Zu § 44 wird auf die Stellungnahme des VCSH verwiesen.

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  1. Stege

Zu § 45 wird auf die Stellungnahme der SHESU verwiesen. Sie hat einen kurzen Gesetzestext samt Begründung vorgeschlagen.

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  1. Entschädigung

Die Formulierung des Gesetzestextes (§ 49) ist positiv, weil ein Teil der Fallgruppen umschrieben wird, in denen die Sozialbindung überschritten wird.

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  1. Beauftragte / Beiräte

Die Vorschriften der §§ 54 ff. können ersatzlos gestrichen werden. Dies bedeutet keine Mißachtung ehrenamtlichen Engagements, sondern im Gegenteil seine Stärkung. Die Vorschriften heben das Ehrenamt nämlich in eine quasi-staatliche Sphäre und entfernen es dadurch von seinen staatsfernen Wurzeln. Es steht jedem Politiker und jeder Behörde frei, sich beraten zu lassen. Eingriffsbefugnisse - zu deren Schaffung wären gesetzliche Vorschriften ggf. erforderlich - werden jedoch ab­gelehnt.

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  1. Duldungspflichten / Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen

§§ 33 und 62 werden in der Verwaltungspraxis meist gemeinsam angewandt werden. Zunächst legt die Naturschutzbehörde Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen auf geschützten Flächen fest und dann müssen die Eigentümer diese Maßnahmen dulden. Das paßt nicht zum sonst stets betonten kooperativen Geist des Gesetzent­wurfes. Insbesondere die Duldungspflicht für auch unzumutbare Nutzungsbeein­trächtigungen (§ 62 Abs. 2 Satz 1) ist zu streichen.

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  1. Ausnahmen

Ausnahmen und Befreiungen sollten sich in der Rechtsfolge unterscheiden. Wäh­rend die Erteilung von Befreiungen bei Erfüllung des Tatbestandes im Ermessen der Behörden und mithin gerichtlich nur auf Ermessensfehler überprüfbar bleiben sollte, ist für Ausnahmen die gebundene Rechtsfolge einzuführen. Ausnahmen sind zuzulassen, solange sich dies mit dem Naturschutzrecht vereinbaren läßt.

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  1. Was zu loben ist

Unter anderem in folgenden Punkten ist der Gesetzentwurf ausdrücklich zu loben:

  1. Das Gesetz wird kürzer, klarer und straffer. Es ist in sich stringent und juristisch durchgebildet. Die handwerkliche Qualität ist in diesem Sinne (fast) einwandfrei.

  2. Grundsätzlich positiv ist der Verzicht auf eigene Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu werten. Wünschenswert wäre allerdings ein Programmgrundsatz, wie er im Entwurf der CDU-Landtagsfraktion 2002 noch enthalten war:

"Eigentum und die Wahrnehmung der sich daraus ergebenden Verant­wortung sind die beste Voraussetzung zur Erreichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege".

  1. Positiv ist der Entfall der 15 % - Vorgabe vorrangiger Flächen für den Natur­schutz (bisher § 1 Abs. 2 Ziffer 13).

  2. Positiv ist die vollständige Streichung des gesetzlichen Vorkaufsrechtes (bisher § 40).

  3. Positiv ist die ausdrückliche Anordnung, Kompensation durch inhaltliche Aufwer­tung auch bereits formal geschützter Flächen erbringen zu können (§ 12 Abs. 1 Satz 5).

  4. Positiv ist die grundsätzliche Streichung der Sukzessionsbiotope (bislang § 15 a) Abs. 1 Nr. 10).

  5. Positiv zu bewerten sind Genehmigungsfiktion, Vollständigkeitsfiktion und Vorbe­scheid bei der Eingriffs-/Ausgleichsregelung.

  6. Positiv zu bewerten ist der grundsätzliche Verzicht auf die Landschafts­rahmen­pläne und der Verzicht auf die Grünordnungspläne.

  7. Positiv ist die Klarstellung der Handelbarkeit des Anspruches aus dem Öko-Konto (§ 12 Abs. 6 Satz 2).

  8. Positiv ist die Streichung der Kategorie der Artenschutzgebiete und die Aufhe­bung der bestehenden.

Diese Stellungnahme versteht sich ergänzend zu den Stellungnahmen unserer Mit­gliedsverbände. Sie haben Vorrang.

Für die im Arbeitskreis Eigentum und Naturschutz zusammengeschlossenen Ver­bände und Organisationen
mit freundlichen Grüßen

Dr. Giesen

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Rundschreiben 5/2006