Vorab per e-mail
Ministerium für Landwirtschaft,
Umwelt und ländliche Räume
des Landes Schleswig-Holstein
Mercatorstraße 1 - 3
24106 Kiel
Kiel, den 16.05.2006
Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes
Beteiligungsverfahren
Sehr geehrte Frau Dr. Krings,
haben Sie ganz herzlichen Dank für Ihren Brief vom 07.03.2006, mit dem
Sie den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Natur
(Landesnaturschutzgesetz - LNatSchG) und zur Änderung anderer
Vorschriften mit Stand vom 28.02.2006 zur Stellungnahme übersenden. Von
der Möglichkeit zur Stellungnahme machen wir gerne Gebrauch wie folgt:
-
Allgemeines
In der Präambel zum Gesetzentwurf wird als Ausgangsproblem die
Aufnahme umfangreicher Detailregelungen in das
Landschaftspflegegesetz von 1973 benannt. Als Lösung wird die
weitestgehende Befreiung von Detailregelungen angeboten.
Über diese trockene Umschreibung von Problem und Lösung hinaus ist
der Gesetzentwurf politisch sehr viel grundsätzlicher kommuniziert
worden. Eingeleitet werde ein Paradigmenwechsel, ein
Befreiungsschlag gegen ausufernde Bürokratie, eine große Reform etc.
In der Tat ist Gesetzentwurf ein Schritt in die richtige Richtung
und als solcher außerordentlich zu begrüßen.
Gleichwohl ergeben sich Anmerkungen, die dazu beitragen sollen, die
politisch kommunizierten Ziele noch besser zu erreichen. Die
Wiederherstellung von Handlungsspielräumen für die Verwaltung darf
nicht zur Aufrechterhaltung oder Neuschaffung behördlicher
Eingriffsbefugnisse in Freiheit und Eigentum führen. Das Interesse
an einer zügigen Umsetzung des Europarechts darf seine "1 : 1 -
Umsetzung" bei gleichzeitiger Streichung überholter nationaler
Regelungen (Harmonisierung) nicht überdecken.
Grundlage dieser Stellungnahme sind die mit Rundschreiben unseres
Arbeitskreises 3/2006 vom 24.03.2006 versandte erste Durchsicht des
Gesetzentwurfes, deren Diskussion anläßlich der
Mitgliederversammlung am 25.04.2006 mit dem anschließenden Vortrag
Herrn Ministers Dr. von Boetticher, die Arbeitsbesprechung auf
Referentenebene am 03.05.2006 sowie einige bilaterale Kontakte. Die
hiesigen Äußerungen verstehen sich als Beitrag in einem
Diskussionsprozeß, der seinen Abschluß noch nicht gefunden hat.
^
-
Regelungstechnik
Herr Minister Dr. von Boetticher hat es als grundlegende
Regelungstechnik des Gesetzentwurfes dargestellt, den Unteren
Naturschutzbehörden Handlungsspielräume zu eröffnen. Dem Ziel
"Stärkung der Wirtschaft durch Entbürokratisierung"
entgegenlaufende Fehlentscheidungen einzelner Sachbearbeiter müsse
im Wege verbesserter Personalaufsicht vorgebeugt werden.
Nun kann aber Personalaufsicht im Grunde genommen nur reagieren und
angesichts dienstrechtlicher Bindungen nur selten kurzfristig
gestalten. Gleichwohl hat es sich alles in allem bewährt, den
Sachbearbeitern Entscheidungsfreiheit innerhalb eines durch die
gesetzlichen Tatbestände vorgegebenen Programms einzuräumen. Diese
Entscheidungsfreiheit wird in der Regel verantwortlich ausgeübt.
Dies kommt in dem berühmten Grundsatz der Legislativlehre zum
Ausdruck, daß Gesetze "kurz und unklar" sein müssen. Vor diesem
Hintergrund ist die Regelungstechnik des Entwurfes im Grundsatz
positiv zu bewerten.
Es muß allerdings darauf geachtet werden, an den entscheidenden
Stellen im Gesamtkonzept mit dem Gesetz eine Richtschnur für die
Rechtsanwendung durch Verwaltung und Rechtsprechung zu geben. Als
neuralgische Punkte haben sich in der Vergangenheit insbesondere
diejenigen Sachbereiche ergeben, für die die in unserem Arbeitskreis
zusammengeschlossenen Verbände und Organisationen stehen. Unser
Arbeitskreis entstand aus einer sehr speziellen landesrechtlichen
und politischen Konstellation und Geschichte seit 1993. Anregungen
der Mitglieder unseres Arbeitskreises nachzukommen, bedeutet
insofern nicht, Partikularinteressen einseitig zu bevorzugen,
sondern bedeutet vielmehr, im Gesetzesvollzug aufgedeckte Probleme
angemessen zu bewältigen. Beispielhaft sei etwa die Diskussion um
den Eingriffscharakter von Weihnachtsbaumkulturen, von Folientunneln
zur gartenbaulichen Erzeugung oder auch um die Stegproblematik
angesprochen.
Wir werben deshalb dafür, Anregungen aus dem Kreise unserer
Mitglieder auch in der Gesetzesbegründung zur Behebung überkommener
Mißstände aufzugreifen. In der Gesetzesbegründung kann
konkretisiert werden, was der Gesetzestext abstrakt halten muß. Das
hält das Gesetz schlank, teilt der Anwendungspraxis aber die
Auffassung des Gesetzgebers mit und entfaltet eine erhebliche
Steuerungskraft für die forensische und exekutive Praxis.
^
-
Bundesrechtlicher Spielraum
Der Gesetzgeber kann ermuntert werden, sich auch von den in
Abgrenzung zu nicht bindenden Handlungsaufträgen als bindend
verstandenen Regelungsaufträgen des Bundesnaturschutzgesetzes zu
lösen. Das Bundesrecht muß nämlich verfassungskonform ausgelegt
werden. Nach Art. 75 Abs. 1 GG hat der Bund das Recht,
Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder über den
Naturschutz zu erlassen nur unter den Voraussetzungen des Art. 72.
Nach Art. 72 Abs. 1 GG haben die Länder die Befugnis zur
Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner
Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.
Diese Gesetzgebungszuständigkeit hat der Bund nach Art. 72 Abs. 2 GG
(nur), wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger
Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder
Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine
bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Das geltende
Bundesnaturschutzgesetz kollidiert in mehreren Regelungsaufträgen
anerkanntermaßen mit dieser Verfassungsrechtslage.
Der Verweis auf Art. 72 GG ist in Abs. 1 des Art. 75 GG auf
Empfehlung der gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und
Bundesrat aufgenommen worden. Ausdrücklich sollte damit der
Spielraum der Länder erweitert werden (vgl. dazu BT - Drs. 12/6000).
Das Bundesverfassungsgericht hat die Kompetenzverteilung zwischen
Bund und Ländern im berühmten Juniorprofessur-Urteil vom
27.07.2004, 2 BvF 2/2002, ausgeführt.
Danach
-
ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der Länder
auszugehen;
-
schränkt die von Art. 75 GG gewollte Parallelität der
Gesetzgebung den Bund in seinem Regelungsvorhaben ein;
-
müssen Rahmengesetze der ergänzenden Gesetzgebung der Länder
substantielle Freiräume lassen, damit diese politisch
selbstverantwortlich Recht setzen können;
-
muß der legislative Rahmen des Bundes dem Land die Möglichkeit
lassen, die Sachmaterie entsprechend den besonderen
Verhältnissen des Landes zu regeln;
-
müssen die Länder die ihnen zur Regelung überlassenen
Sachgebiete nicht notwendig einheitlich ordnen;
-
war schon nach der Verfassungsrechtslage bis 1994 der bloße
Nachvollzug bundesrechtlicher Gesetzgebungsanordnungen mit der
Verfassungsrechtslage nicht vereinbar;
-
muß nach 1994 vor dem Hintergrund der Verfassungsänderung
besonders berücksichtigt werden, daß die Rahmenvorschriften des
Bundesgesetzgebers nunmehr in besonderer Weise eine
eigenständige gesetzgeberische Gestaltung durch den
Landesgesetzgeber ermöglichen sollen.
Wie es also Art. 75 Abs. 2 GG treffend zusammenfaßt:
Rahmenvorschriften dürfen nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten
gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten.
Vor diesem Hintergrund besteht keine Pflicht zur Regelung etwa
-
der Schutzkategorie der Landschaftsschutzgebiete,
-
der Festsetzung regionaler Mindestdichten linearer und
punktförmiger Landschaftselemente,
-
der Übernahme sämtlicher Biotoptypen des § 30 BNatSchG,
-
der Verwendung gentechnisch veränderter Produkte in der Land-
und Forstwirtschaft etc.
^
-
Behördenbeiträge im Gesetzgebungsverfahren
Im bisherigen Beteiligungsverfahren haben sich die Unteren
Naturschutzbehörden, teilweise deren Beiräte und auch der
Schleswig-Holsteinische Landkreistag geäußert. Die Äußerungen
stehen den Anliegen des Gesetzentwurfes teils diametral entgegen.
Insoweit können sie geradezu als Beleg für die Notwendigkeit der
Streichung von Kompetenzen, von Zuständigkeiten und vor allem von
Aufgaben zur Konsolidierung des Haushalts und zur Belebung der
Wirtschaft durch Deregulierung gewertet werden. Diskussionsbeiträge
aus der Exekutive kommen im Gesetzgebungsverfahren nicht von
vornherein aus berufenem Munde.
^
-
Im einzelnen
-
Übergangs- und Spezialvorschriften
Die Ressortabstimmung des Referentenentwurfs hat Änderungen ergeben,
die negativ zu bewerten sind. Dies gilt beispielsweise für die
Übergangsvorschriften, die die Reformansätze des eigentlichen
Gesetzestextes teils wieder in Frage stellen. So ordnet etwa § 76
die Fortgeltung der Landschaftsrahmenpläne und der
Grünordnungspläne bis zur Veröffentlichung eines neuen
Landschaftsprogrammes bzw. bis zur Aufstellung eines Bauleitplanes
an. Beide Plankategorien sollten jedoch sofort ersatzlos gestrichen
werden. Sie sind überflüssig, zumal etwa die Vorranggebiete für den
Naturschutz bereits in die Raumordnungspläne übernommen sind.
Gleiches gilt für § 77, der die Fortgeltung des Verbotes für
Zerstörung und erhebliche Beeinträchtigung (§ 25) für längstens
vier Jahre nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes anordnet. Die
Sukzessionsbiotope sollten sofort entfallen. Störungen laufender
Planungsverfahren sind davon nicht zu erwarten. Im Gegenteil werden
die Planungsverfahren erleichtert, weil Kompensationsaufwand
entfällt. Bereits fertiggestellte Planungen können verwirklicht
werden, da eine Überkompensation nicht planschädlich ist. Es obliegt
dann der Entscheidung des Planungsträgers, ob er auf die neue
Gesetzeslage umplant oder es bei der bisherigen Planung beläßt.
Diese Entscheidungsfreiheit stärkt die Planungshoheit.
Die Spezialvorschriften für Golfplätze (§ 46) und Sportboothäfen (§
45 Abs. 3 bis 7) sollten entfallen. Golfplätze sind bauliche
Anlagen, für deren Genehmigung die Baubehörden nach materiellem
Baurecht kompetent sein sollten. Gleiches gilt grundsätzlich für
Sportboothäfen, für die bei großräumlicher Lagekongruenz die
allgemein für Häfen zuständigen Behörden kompetent sind.
^
-
Relativierung von Reformansätzen
Der Gesetzentwurf enthält in mehreren Vorschriften begrüßenswerte
Grundsatzregelungen. Diese werden aber durch teils unmittelbar
nachfolgende Ausnahme-Spezialvorschriften in ihrer Regelungskraft
wieder relativiert. Es ist absehbar, daß sich die forensische und
die exekutive Praxis aus dem ihr innewohnenden Trägheitsmoment
heraus auf die Ausnahme-Spezialvorschriften stützen wird und damit
die Wirkung der Grundsätze verpufft.
Durch das Weglassen der Ausnahme-Spezialvorschriften sollte den
grundsätzlichen Regelungsaussagen zu besserer Wirksamkeit verholfen
werden.
Dies gilt etwa für:
-
§ 3 Absatz 3: Die Vorschrift ändert die bisher praktisch
wirkungslose Regelprüfpflicht des § 2 Abs. 2 Satz 1 ("sollen")
in Satz 1 in eine ausnahmslos durchzuführende Prüfung
("haben"). Das ist positiv. Eine Prüfpflicht, die an das
Ergebnis der Prüfung keine Rechtsfolgen bindet, ist jedoch
praktisch wertlos. Sie verbessert die Rechtsposition des Bürgers
gegenüber dem Staat nicht. Deshalb ist zum ersten Satz 2 zu
streichen, wonach die sonstigen Befugnisse der
Naturschutzbehörden von der Prüfpflicht unberührt bleiben. Zum
zweiten ist an der frei werdenden Stelle die Rechtsfolge des
Vorranges vertraglicher Regelungen auszusprechen. Satz 2 könnte
in Anlehnung an § 10 Abs. 1 des Entwurfes der
CDU-Landtagsfraktion 2002 lauten:
"Verträge haben Vorrang vor ordnungsrechtlichen Maßnahmen,
wenn gleichwertiger Schutz bei angemessenem Aufwand
gewährleistet ist".
-
§ 13 Abs. 2 Satz 4 fingiert die Vollständigkeit von Unterlagen,
die zur Beurteilung des Eingriffs erforderlich sind. Die
Vollständigkeitsfiktion gilt nicht, wenn die zuständige
Naturschutzbehörde innerhalb von vier Wochen weitere Unterlagen
nachfordert. Daß einzelne Naturschutzbehörden lieber
nachfordern, als sich unter Zeitdruck setzen zu lassen, dürfte
naheliegen. Deshalb ist bei Beibehaltung des
Nachforderungsrechtes entweder die Vierwochenfrist zu verkürzen
oder aber das Nachforderungsrecht ist zu streichen. Im letzteren
Falle wäre eine Verlängerung der Vollständigkeitsfrist von vier
auf fünf Wochen tragbar.
-
Nach § 13 Abs. 4 Satz 1 soll eine Genehmigungsfiktion greifen,
wenn die zuständige Naturschutzbehörde nicht innerhalb von
sechs Wochen nach Eingang des vollständigen Antrages entschieden
hat. Satz 2 hebt den Grundsatz u.a. auf für Verfahren, die
"aufgrund ihres Umfanges" oder "wegen besonderer
Schwierigkeiten" eines längeren Prüfungs- und
Entscheidungszeitraums bedürfen. Es liegt nahe, daß einzelne
Naturschutzbehörden in "Umfang" oder "Schwierigkeiten" fliehen
werden.
Deshalb sind zum ersten die Ausnahmetatbestände "Umfang" oder
"wegen besonderer Schwierigkeiten" zu streichen. Erfahrungsgemäß
ist der Zeitdruck für Investoren bei kleineren Vorhaben oft
geringer als bei größeren. Wenn es darum geht, gerade größere
Vorhaben zur Stärkung der Wirtschaftskraft zu unterstützen,
sollte es insoweit bei der Regelfiktion bleiben.
Dies gilt insbesondere, als bei größeren Vorhaben regelmäßig die
Gemeinde oder Dritte notwendig zu beteiligen sind. Eine
vollständige Aufhebung der Frist für die Genehmigungsfiktion ist
auch in diesen Fällen nicht sinnvoll. In den Beteiligungsfällen
sollte die Genehmigungsfiktion mit der Zweimonatsfrist nach § 36
Abs. 2 Satz 2 BauGB als Obergrenze harmonisiert werden.
^
-
Bedeutung von Nutzungen für die Kultur- und Erholungslandschaft
Die Regelung zur Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft in § 5 Abs. 1
ist ambivalent. Gemeint ist doch sicherlich die Erfahrung, daß
Nutzungen Naturschutz- und Landschaftspflege in aller Regel nicht
behindern, sondern ihr sogar förderlich sind. Dies sollte dann auch
ausgesprochen werden. Formuliert werden könnte etwa:
"Nutzungen wie Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei haben
regelmäßig positive Bedeutung für die Erhaltung der Kultur- und
Erholungslandschaft."
^
-
Teillandschaftspläne
Positiv ist zu vermerken, daß § 9 Abs. 5 Ausnahmemöglichkeiten für
die Erstellung eines Landschaftsplanes für Teile von Gemeinden
regelt. Damit wird § 16 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG übernommen.
Vorstellbar wäre, in der Gesetzesbegründung darzulegen, wann von
planungsrechtlicher Sicherung der Entsprechung von vorherrschender
Nutzung mit den Zielen und Grundsätzen des Naturschutzes und der
Landschaftspflege ausgegangen werden kann. Vorzubeugen ist einer
Auslegung, wonach nur Festsetzungen zur Sicherung ausreichen. Schon
Darstellungen führen zur Absicherung im Sinne der Vorschrift.
^
-
Eingriffs-/Ausgleichsregelung
-
Huckepack-Verfahren
Zentrales Anliegen ist die Rückkehr zum "Huckepack-Verfahren". Der
Gesetzentwurf beläßt es in der Kombination der §§ 10 Abs. 1 und 11
Abs. 1 Satz 1 bei einem Generalgenehmigungstatbestand für alles
Wirtschaftens in der Natur. Eine ganze Reihe von Kleinst- und
Bagatelleingriffen wird damit ausschließlich nach Naturschutzrecht
genehmigungsbedürftig, obwohl anderes öffentlich-rechtliches
Fachrecht derartige Maßnahmen bewußt von Anzeige- oder
Genehmigungspflichten freihält. Die Naturschutzbehörden - und die
Bürger - werden mit viel "Kleinkram" belastet.
Im Nachbarland Niedersachsen gilt das Huckepack-Verfahren seit
vielen Jahren, ohne daß es dort zu Mißständen gekommen ist. § 9
NNatG definiert den Geltungsbereich der
Eingriffs-/Ausgleichsregelung für Eingriffe, die
"
-
nach öffentlichem Recht einer behördlichen Genehmigung oder
eines entsprechenden Verwaltungsaktes bedürfen oder einer
Behörde anzuzeigen sind,
-
nach öffentlichem Recht einer Planfeststellung bedürfen oder
-
nicht unter die Nummern 1 und 2 fallen, jedoch von einer Behörde
durchgeführt oder geleitet werden."
Die drei Fälle werden dann in den §§ 13, 14 und 15 NNatG auch
verfahrensrechtlich differenziert. Das niedersächsische
Regelungsmodell empfiehlt sich auch für Schleswig-Holstein.
-
Bewertung von Eingriff und Kompensation
Praktisches Kernstück aller Vorschriften über den Eingriff und seine
Kompensation ist die Bewertung und damit das
Kompensationsverhältnis. Davon sind Gesamtkosten und Risiko eines
Vorhabens in hohem Maße abhängig. Es ist dies einer der wenigen
Punkte, in denen im Interesse der Wirtschaft eine Ausführlichkeit
der Regelung gewünscht ist. In der Vergangenheit ist es in
Schleswig-Holstein nicht gelungen, einen einheitlichen
Kompensationsschlüssel aufzustellen. Das hat die Vorhabenträger
weitgehend in Abhängigkeit vom goodwill einzelner Mitarbeiter bei
den Naturschutzbehörden gebracht. Für ein und denselben Eingriff
wurden in den Kreisen Schleswig-Holsteins ganz unterschiedlich hohe
Kompensationsmaßnahmen gefordert. Grundlage war häufig eine
Anbindung an Flächenäquivalente.
Die Gesetzesbegründung sollte in Erläuterung zu § 12 Abs. 1 näher zu
diskutierende Grundsätze zur Eingriffs-/Kompensationsbilanzierung
ausführen. In dem so gezogenen Rahmen bewegt sich dann sowohl die
allgemeine Anwendung der Eingriffs-/Kompensationsregelung als auch
die Führung des Öko-Kontos (§ 12 Abs. 6). Auch für die Ausgestaltung
der Verordnung nach § 12 Abs. 8 sollte die Gesetzesbegründung
einen Rahmen vorgeben, um bereits jetzt überhöhten
Kompensationsfaktoren durch die Verordnung entgegenzuwirken.
Der Aufwand für Kompensationsmaßnahmen ist ein wettbewerbsrelevanter
Faktor. Gleiche Rahmenbedingungen nicht nur innerhalb der
Verwaltungsgliederungen Schleswig-Holsteins, sondern auch zu den
Nachbarn in Dänemark, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen sind
anzustreben.
-
Landwirtschaftsklausel
Die Landwirtschaftsklausel in § 10 Abs. 2 Ziffer 5 sollte statt auf
die „Bodennutzung“ schlicht auf die „Nutzung“ abstellen; sonst würde
nur die tägliche Wirtschaftsweise freigestellt. Auch Nutzungen, die
nur einmal jährlich oder gar im Abstand mehrerer Jahre erfolgen,
müssen indes von der Eingriffs-/Ausgleichsregelung freigestellt
werden, wenn sie Land-, Forst- oder Fischereiwirtschaft dienen.
Beispiele sind etwa die Anlage forstlicher Gatterungen, die Anlage
von Weihnachtsbaumkulturen, bestimmte Kulturen in der
Baumschulwirtschaft oder beim Erwerbsgartenbau etc..
-
Versagungsvoraussetzungen
§ 11 Abs. 3 regelt, unter welchen Voraussetzungen die
Eingriffsgenehmigung bindend zu versagen ist. Notwendig wäre
demgegenüber eine Regelung, die die Voraussetzungen nennt, unter
denen die Genehmigung bindend zu erteilen ist.
-
UNB Superprüfungsbehörde
§ 11 Abs. 3 Ziffer 3 zwingt die Naturschutzbehörde zur
Genehmigungsversagung, wenn dem Eingriff „andere
öffentlich-rechtliche Rechtsvorschriften oder Erfordernisse der
Raumordnung entgegenstehen“. Die Vorschrift zwingt die
Naturschutzbehörde, das öffentliche Fachrecht und die Ziele und
Grundsätze der Raumordnung und Landesplanung zu prüfen. Die
Naturschutzbehörde wird damit zur Superprüfungsinstanz.
-
Artenschutzverschärfung
§ 11 Abs. 4 importiert aus dem wegen des EuGH-Urteils vom 10.01.2006
ohnehin erheblich in der Diskussion stehenden bundesunmittelbaren (§
11 BNatSchG) Artenschutzrecht ohne Grund strenge
Genehmigungserfordernisse in die Eingriffs-/Ausgleichsregelung. Für
einen Eingriff bei streng geschützten Arten werden „zwingende Gründe
des überwiegenden öffentlichen Interesses“ vorausgesetzt. Da der
Gesetzentwurf zudem mit Ortsbezug auf die „dort lebenden" Individuen
abstellt, dürfte ein eingriffsbetroffener Lebensraum ‑ eben für die
dort lebenden streng geschützten Arten - nie ersetzbar sein.
Streng geschützte Arten gibt es ‑ anders als der Wortlaut nahelegt ‑
außerordentlich viele. Die Begriffsdefinition in § 10 Abs. 2 Ziffer
11. BNatSchG umfaßt Arten, die
und
beispielsweise:
-
Feldhamster,
-
Fischotter,
-
Haselmaus,
-
Nerz,
-
Schweinswal,
-
zahlreiche in Wäldern weit verbreitete Fledermausarten,
-
Rotbauchunke,
-
Laubfrosch,
-
Kammolch,
-
Lachs,
-
Finte,
-
viele Libellen- oder Schmetterlingsarten,
-
die gemeine Flußmuschel,
-
zahlreiche Vogelarten wie etwa
-
Eisvogel,
-
Brachpieper,
-
Trauerseeschwalbe,
-
Weißstorch,
-
Wachtelkönig,
-
Mittelspecht,
-
Zwergschnäpper,
-
Bekassine,
-
Uferschnepfe,
-
Blaukehlchen,
-
Brachvogel,
-
Grünspecht,
-
Säbelschäbler,
-
Kiebitz,
-
Moorbinse,
-
Strandwinde,
-
Rautenfarn,
-
Teichrosen,
-
violette Schwarzwurzeln,
-
Wilder Wein
und viele, viele weitere.
Nur die wenigsten Vorhaben, regelmäßig wohl staatliche Vorhaben,
können für sich in Anspruch nehmen, „aus zwingenden Gründen des
überwiegenden öffentlichen Interesses“ gerechtfertigt zu sein. Alle
anderen Vorhaben haben keine Chance zur Genehmigung, wenn die
genannten Arten auf der Fläche im Spiel sind.
-
Ausgleichsflächenkataster
Regelungen zum Ausgleichsflächenkataster sind nicht notwendig. Den
Naturschutzbehörden ist es unbenommen, interne Kataster dieser Art
zu führen. Wenn allerdings das Ausgleichsflächenkataster
Gesetzeskraft erlangt, dann sollte es bei Nachweis eines
berechtigten Interesses auch planenden Vorhabensträgern zur
Verfügung gestellt werden, um Inhaber von Aktiva auf dem Öko-Konto
leichter ausfindig zu machen. Monopolstrukturen staatlicher oder
halbstaatlicher Stellen bei der Vermarktung von Ansprüchen aus dem
Öko-Konto ist vorzubeugen.
-
Sicherheitsleistungen für Rückbaumaßnahmen
Der Rückbau eines Eingriffes hat entweder selbst
Kompensationswirkungen oder bringt erneute Eingriffe mit sich.
Öffentlich-rechtliche Legalisierungen sind grundsätzlich auf
unbestimmte Zeit ausgerichtet. Befristete Legalisierungen sind die
Ausnahme. § 12 Abs. 5 Satz 3 ist deshalb ersatzlos zu streichen.
-
Ungenehmigte Eingriffe
Bei ungenehmigten Eingriffen kann die Naturschutzbehörde nach § 14
nicht nur die ungenehmigte Eingriffshandlung als solche ‑ das wäre
nachvollziehbar -, sondern „jede Nutzung“ untersagen.
Ordnungsbehördliches Einschreiten wird zur Strafe. Die Vorschrift
stammt zwar aus dem geltenden Gesetz, ist aber neu zu fassen.
^
-
Minister-LSG
Mit § 18 (s.u.) sollte § 15 Abs. 3 Satz 2 gestrichen werden.
^
-
Nutzungen in NSG
§ 16 Abs. 2 letzter Satz ist grundsätzlich positiv, sollte aber noch
klarer formuliert werden. Nutzungen sind auch in Naturschutzgebieten
grundsätzlich zulässig, wenn und soweit sie dem Schutzzweck nicht
zuwiderlaufen.
^
-
Landschaftsschutzgebiete
Die Schutzkategorie der Landschaftsschutzgebiete (§ 18) sollte
ersatzlos entfallen. Gerade die in den vergangenen Jahren auf der
Grundlage des vom Land empfohlenen Musters ergangenen
Landschaftsschutzverordnungen gerade auch der Kreise
Rendsburg-Eckernförde oder Pinneberg haben sich vom ursprünglichen
Regelungsinhalt zum Landschaftsschutz weit entfernt und sind
artenschutzrechtliche, biotopschutzrechtliche,
naturhaushaltsrechtliche und wasserhaushaltsrechtliche
Vollregelungen geworden.
Viele alte Landschaftsschutzverordnungen unterliegen in
Schleswig-Holstein zudem einem Ausfertigungsmangel, da seinerzeit
Abgrenzungskarten einer Erlaßlage folgend nicht mitunterzeichnet
wurden. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes führt
dies zur Nichtigkeit der Gesamtverordnung.
Echte Landschaftsschutzgebiete sind insbesondere durch die
Ökologisierung des Bauplanungsrechts, aber auch aus vielen anderen
Gründen überflüssig geworden. Auf die Stellungnahme unseres
Arbeitskreises zur Musterlandschaftsschutzverordnung wird
verwiesen.
Deshalb sollte die Übergangsregelung für bestehende
Landschaftschutzverordnungen (§ 72) so gefaßt werden, daß die
Altverordnungen als aufgehoben gelten. Außerdem sollte auf die
Neuregelung einer Ermächtigungsgrundlage für
Landschaftsschutzverordnungen verzichtet werden.
Dagegen kann nicht argumentiert werden, Landschaftsschutzgebiete
würden zur Umsetzung des NATURA 2000 - Schutzregimes benötigt oder
Bundesrecht zwinge das Land zur Regelung:
-
LSG zur Umsetzung von NATURA 2000 ?
-
In der Tat sieht das NATURA 2000 - Schutzregime die
Erklärung der FFH- und Landschaftsschutzgebiete zu
geschützten Teilen von Natur und Landschaft vor. Geschützte
Teile von Natur und Landschaft sind neben den
Landschaftsschutzgebieten auch Naturschutzgebiete,
Nationalparke, Biosphärenreservate, Naturparke,
Naturdenkmäler oder geschützte Landschaftsbestandteile. Die
Erklärung von geschützten Teilen von Natur und Landschaft
kann unterbleiben, soweit nach anderen Rechtsvorschriften
ein gleichwertiger Schutz gewährleistet ist. Ein solcher
gleichwertiger Schutz ist gegeben
-
durch die Ökologisierung des Baurechts,
-
durch die Regelung der gesetzlich geschützten Biotope (§
25 neu),
-
die anderen Schutzkategorien. Diese haben keinen a
priori feststehenden Verbotsinhalt, so daß die Aussage,
diese griffen in jedem Falle weiter in Eigentum und
Selbstverwaltung ein als Landschaftsschutzgebiete, so
nicht zutrifft.
-
Mit der Beibehaltung der Kategorie der
Landschaftsschutzgebiete zur Umsetzung von NATURA 2000 setzt
sich die Landesregierung in Widerspruch zu ihren
Erklärungen, bei der Umsetzung von NATURA 2000 auf
Freiwillige Vereinbarungen zu setzen.
-
§ 29 neu führt ein sehr weitreichendes gesetzliches Verbot
für Vogelschutzgebiete ein. Diese Vogelschutzgebiete
bedürfen damit keiner weiteren Unterschutzstellung mehr.
Das Argument, Landschaftsschutzgebiete würden zur Umsetzung
von NATURA 2000 benötigt, trifft also nach dem eigenen
Regelungskonzept der Landesregierung nicht zu.
-
Bundesrechtliche Vorgabe ?
Auch Bundesrecht erzwingt die Kategorie der
Landschaftsschutzgebiete nicht.
-
Eine Länderpflicht zur Regelung von
Landschaftsschutzgebieten ergibt sich nicht aus § 26 Abs. 1
BNatSchG. Danach sind Landschaftsschutzgebiete
rechtsverbindlich festgesetzte Gebiete, in denen ein
besonderer Schutz von Natur und Landschaft zu dort im
einzelnen aufgezählten Zwecken erforderlich ist. Die
Vorschrift umschreibt die Wesensmerkmale von
Landschaftsschutzgebieten, ohne daß daraus eine Pflicht zu
ihrer Ausweisung noch zur Regelung der Schutzkategorie
folgt (in der Literatur unstreitig).
-
Eine Pflicht der Länder zur Regelung einer Kategorie der
Landschaftsschutzgebiete könnte aus § 22 Abs. 1 BNatSchG
folgen. Die Vorschrift lautet:
"Die Länder bestimmen, daß Teile von Natur und Landschaft
zum
-
Naturschutzgebiet, Nationalpark, Biosphärenreservat,
Landschaftsschutzgebiet, Naturpark oder
-
Naturdenkmal oder geschütztem Landschaftsbestandteil
erklärt werden können".
Ob aus dieser Formulierung eine Pflicht für den
Landesgesetzgeber folgt - Regelungspflichten des
Gesetzgebers, des Souveräns, sind verfassungsrechtlich
besonders begründungsbedürftig - ist durch Auslegung zu
ermitteln.
Die Norm verwendet den Indikativ ("die Länder
bestimmen"). Ein Indikativ kann
sprachlich-grammatikalisch als Imperativ gemeint sein.
Ein Indikativ kann auch lediglich deskriptiv gemeint
sein. Was gemeint ist, erschließt sich aus dem
Zusammenhang. Normalerweise wird dem Indikativ ein
Modalverb hinzugefügt (können, müssen, dürfen etc.), um
den Begriffsinhalt unmißverständlich zum Ausdruck zu
bringen. Ein solches Modalverb fehlt in dem Bezug auf
den Indikativ "bestimmen". Das Modalverb "können" in §
22 Abs. 1 BNatSchG bezieht sich lediglich auf das
Ermessen der für die Schutzerklärung zuständigen
Stelle, in Schleswig-Holstein die Landräte.
Der Wortlaut des § 22 Abs. 1 BNatSchG ist also offen.
Auch aus der gesetzlichen Systematik ergibt sich nicht,
daß eine Rechtspflicht zur Regelung der aufgeführten
Schutzkategorien gewollt ist. Die aufgeführten
Schutzkategorien werden nämlich nicht alle in allen
Bundesländern geregelt. Der Bundesgesetzgeber
akzeptiert also, daß einige Bundesländer nicht alle
Schutzkategorien kennen. Dies trifft insbesondere auf
die Stadtstaaten zu, aber auch auf Flächenländer. So
sind etwa im Bayerischen Naturschutzgesetz die
Biosphärenreservate nicht geregelt.
Die gesetzliche Systematik spricht damit eher dafür, daß
§ 22 BNatSchG unterschiedliche Ländertraditionen
hinnimmt.
Die Entstehungsgeschichte des § 22 Abs. 1 BNatSchG ist
aufschlußreich: Die Vorgängervorschrift in § 12 Abs. 1
BNatSchG formulierte in § 12 Abs. 1 "können ... erklärt
werden". Damit waren die Länder nach einhelliger Ansicht
in der Literatur nach altem Recht nicht verpflichtet,
alle Schutzkategorien vorzusehen (vgl. statt aller
Schmidt-Räntsch, in: Gassner/Bendomir-Kahlo/
Schmidt-Räntsch: BNatSchG, 2. Auflage, § 22 Rz. 6). So
gab es eine ganze Reihe von Bundesländern, die
Nationalparke nicht vorsahen.
Nach der Begründung zu den gleichlautenden
Gesetzentwürfen der seinerzeitigen Bundesregierung und
der Fraktionen von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen von
Juni bzw. September 2001 ergibt sich, daß an dieser
Rechtslage nichts geändert werden sollte. Ausdrücklich
heißt es (Bundestagsdrucksachen 14/6378 und 14/6878):
"§ 22 entspricht im wesentlichen dem bisherigen § 12".
Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers sollte
deshalb eine Landespflicht nicht geregelt werden.
Bei der teleologischen Auslegung des § 22 Abs. 1
BNatSchG hagelt es in der Kommentarliteratur
naturschutzpolitische Argumente. Es lassen sich
Argumente für jeden Standpunkt finden:
Bei Schmidt-Räntsch, a.a.O., § 22 Rz. 4 heißt es,
einheitliche Schutzkategorien würden Akzeptanz und
Beachtung der Schutzausweisung bei den Bürgern fördern.
Treffe er, z.B. beim Urlaub im Nachbarbundesland, dort
die gleichen Kategorien vor, werde er sich eher an die
Verhaltensbeschränkungen halten, als wenn ihn dort ein
völlig anderes Schutzsystem erwartet, das er nicht
kenne. Dieses Argument zieht nicht, wenn es um das
Weglassen von Schutzkategorien geht. Gibt es keine
Schutzkategorie, so gibt es keine
Verhaltensbeschränkungen, die "die Bürger" akzeptieren
und beachten müssen.
Bei Kolodziejcok, in: Kolodziejcok/Recken/Apfelbacher/Iven:
Naturschutz, Landschaftspflege, Kommentar, Loseblatt,
Stand: Februar 2006, § 22 Rz. 4, heißt es ohne weitere
Begründung und in sich widersprüchlich, die Länder
könnten im Sinne des Flächen- und Objektschutzes den
Katalog weder erweitern noch verkürzen. Sie bräuchten
"natürlich eine Kategorie nicht in ihr Landesgesetz
aufzunehmen, wenn seine Anwendung in ihrem Lande aus
tatsächlichen Gründen nicht in Frage kommt". Ganz
selbstverständlich geht also Kolodziejcok von einem
Rahmen aus, der ausgefüllt werden kann, aber nicht muß.
De Witt/Dreyer, in: Hoppenberg/de Witt: Handbuch des
Öffentlichen Baurechts, Bd. 1, E Rz. 275 formulieren -
ebenfalls ohne weitere Begründung -, die Länder seien
"grundsätzlich verpflichtet, alle Schutzgebietsarten zu
übernehmen, soweit die Einrichtung eines
entsprechenden Schutzgebietes von der Größe und vom
naturräumlichen Typus her in Frage kommt". Wem aber,
wenn nicht dem Landesgesetzgeber, sollte die
Beantwortung dieser Frage anvertraut werden ?
Naturschutzpolitische Überlegungen müssen zurückstehen,
wenn die Verfassungsrechtslage ihnen Schweigen
gebietet. Oben ist schon dargestellt worden, daß das
Rahmenrecht des Bundes keine ins einzelne gehenden
Regelungen enthalten darf.
Das Land Schleswig-Holstein ist deshalb bundesgesetzlich
zur Regelung einer Kategorie der
Landschaftsschutzgebiete nicht verpflichtet.
^
-
Biotopschutz
Die Einführung neuer gesetzlich geschützter Biotope ist nicht
notwendig.
Das Verbots-/Ausnahmeverhältnis ist unklar. Die Sonderregelung des §
25 Abs. 2 spricht dafür, daß für gesetzlich geschützte Biotope die
inhaltlich weitgehend deckungsgleiche Ausnahmevorschrift des § 64
keine Anwendung finden soll. Soweit die Geltungsausnahme nach Absatz
1 Satz 3 nicht eingreift, würde ein ausnahmsloses Verbot bestehen.
Diese Rechtsfolge wäre bei bewirtschafteten Biotopen nicht tragbar.
^
-
Kein gesetzlicher Schutz für NATURA 2000 - Gebiete
Die Einführung einer auch für Private geltenden gesetzlichen
Veränderungssperre für NATURA 2000 - Gebiete wird abgelehnt. Sie mag
für öffentliche Infrastrukturvorhaben eine Erleichterung gegenüber
dem faktischen Vogelschutzregime bringen. Ein neues gesetzliches
Verbot birgt die Gefahr, daß sein Gehalt den Betroffenen gar nicht
erkennbar ist. Hier bleibt es bei der von uns schon bisher
geäußerten Kritik.
^
-
GVO
§ 31 ist ersatzlos zu streichen. Auf die Stellungnahme des
Bauernverbandes Schleswig-Holstein e.V. wird verwiesen.
^
-
Artenschutz
Im Artenschutzrecht steht das Bundesnaturschutzgesetz unmittelbar
vor einer Novellierung. Die Novellierung ist durch das Urteil des
Europäischen Gerichtshofes vom 10.01.2006 erzwungen und wird den
allgemeinen Arbeiten an einem Umweltgesetzbuch zeitlich weit
vorauslaufen. Es ist damit zu rechnen, daß eine vollständig neue
Systematik der artenschutzrechtlichen Regelungen eingeführt wird. Zu
unterscheiden werden besonders geschützte Arten, streng geschützte
Arten und europäisch geschützte Arten sein. Für jede dieser
Schutzgruppen wird ein besonderes Schutzstatut gelten. Für
europäisch geschützte Arten kann damit den Vorgaben der Art. 12 und
16 FFH-RL genügt werden.
Bleibt es bei der unmittelbaren Geltung der bundesrechtlichen
Artenschutzvorschriften, wie sie auch von der
Föderalismuskommission vorgeschlagen wird, dann sind eigene
landesrechtliche Artenschutzbestimmungen überflüssig. Abschnitt V
könnte bis auf § 37 und § 38 ersatzlos entfallen.
Eine ganze Reihe sekundärer Streitstände würde damit erledigt. So
wäre etwa der Streit um "autochtone Arten" (§ 34 Abs. 3), um das
Zurückschneiden der Vegetation zur Sommerszeit (§ 34 Abs. 5 Ziffer
1) und die partiellen Ausnahmen (§ 34 Abs. 5 Satz 2; Teichwirtschaft
?) geschlichtet.
^
-
Camping
Zu § 44 wird auf die Stellungnahme des VCSH verwiesen.
^
-
Stege
Zu § 45 wird auf die Stellungnahme der SHESU verwiesen. Sie hat
einen kurzen Gesetzestext samt Begründung vorgeschlagen.
^
-
Entschädigung
Die Formulierung des Gesetzestextes (§ 49) ist positiv, weil ein
Teil der Fallgruppen umschrieben wird, in denen die Sozialbindung
überschritten wird.
^
-
Beauftragte / Beiräte
Die Vorschriften der §§ 54 ff. können ersatzlos gestrichen werden.
Dies bedeutet keine Mißachtung ehrenamtlichen Engagements, sondern
im Gegenteil seine Stärkung. Die Vorschriften heben das Ehrenamt
nämlich in eine quasi-staatliche Sphäre und entfernen es dadurch von
seinen staatsfernen Wurzeln. Es steht jedem Politiker und jeder
Behörde frei, sich beraten zu lassen. Eingriffsbefugnisse - zu deren
Schaffung wären gesetzliche Vorschriften ggf. erforderlich - werden
jedoch abgelehnt.
^
-
Duldungspflichten / Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen
§§ 33 und 62 werden in der Verwaltungspraxis meist gemeinsam
angewandt werden. Zunächst legt die Naturschutzbehörde Schutz- und
Entwicklungsmaßnahmen auf geschützten Flächen fest und dann müssen
die Eigentümer diese Maßnahmen dulden. Das paßt nicht zum sonst
stets betonten kooperativen Geist des Gesetzentwurfes. Insbesondere
die Duldungspflicht für auch unzumutbare Nutzungsbeeinträchtigungen
(§ 62 Abs. 2 Satz 1) ist zu streichen.
^
-
Ausnahmen
Ausnahmen und Befreiungen sollten sich in der Rechtsfolge
unterscheiden. Während die Erteilung von Befreiungen bei Erfüllung
des Tatbestandes im Ermessen der Behörden und mithin gerichtlich nur
auf Ermessensfehler überprüfbar bleiben sollte, ist für Ausnahmen
die gebundene Rechtsfolge einzuführen. Ausnahmen sind zuzulassen,
solange sich dies mit dem Naturschutzrecht vereinbaren läßt.
^
-
Was zu loben ist
Unter anderem in folgenden Punkten ist der Gesetzentwurf
ausdrücklich zu loben:
-
Das Gesetz wird kürzer, klarer und straffer. Es ist in sich
stringent und juristisch durchgebildet. Die handwerkliche
Qualität ist in diesem Sinne (fast) einwandfrei.
-
Grundsätzlich positiv ist der Verzicht auf eigene Ziele und
Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu
werten. Wünschenswert wäre allerdings ein Programmgrundsatz, wie
er im Entwurf der CDU-Landtagsfraktion 2002 noch enthalten war:
"Eigentum und die Wahrnehmung der sich daraus ergebenden
Verantwortung sind die beste Voraussetzung zur Erreichung
der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege".
-
Positiv ist der Entfall der 15 % - Vorgabe vorrangiger Flächen
für den Naturschutz (bisher § 1 Abs. 2 Ziffer 13).
-
Positiv ist die vollständige Streichung des gesetzlichen
Vorkaufsrechtes (bisher § 40).
-
Positiv ist die ausdrückliche Anordnung, Kompensation durch
inhaltliche Aufwertung auch bereits formal geschützter Flächen
erbringen zu können (§ 12 Abs. 1 Satz 5).
-
Positiv ist die grundsätzliche Streichung der Sukzessionsbiotope
(bislang § 15 a) Abs. 1 Nr. 10).
-
Positiv zu bewerten sind Genehmigungsfiktion,
Vollständigkeitsfiktion und Vorbescheid bei der
Eingriffs-/Ausgleichsregelung.
-
Positiv zu bewerten ist der grundsätzliche Verzicht auf die
Landschaftsrahmenpläne und der Verzicht auf die
Grünordnungspläne.
-
Positiv ist die Klarstellung der Handelbarkeit des Anspruches
aus dem Öko-Konto (§ 12 Abs. 6 Satz 2).
-
Positiv ist die Streichung der Kategorie der Artenschutzgebiete
und die Aufhebung der bestehenden.
Diese Stellungnahme versteht sich ergänzend zu den Stellungnahmen
unserer Mitgliedsverbände. Sie haben Vorrang.
Für die im Arbeitskreis Eigentum und Naturschutz zusammengeschlossenen
Verbände und Organisationen
mit freundlichen Grüßen
Dr. Giesen
^ |