Anlage 6 zum Rundschreiben 5/2003

Rundschreiben 5/2003

Vermerk

Mitgliederversammlung am 29.04.2003


Dienstag, 29.04.2003, 15.00 Uhr, Vortrag Frau Margret Brahms, MUNL

"Aktuelle Naturschutzpolitik in Schleswig-Holstein"

Frau Brahms stellt sich als Leiterin der Abteilung Naturschutz, Forstwirtschaft und Jagd und als studierte Landwirtin (Fachrichtung Pflanzenbau) den Vertretern der im Arbeitskreis Eigentum & Naturschutz zusammengeschlossenen Verbände vor. Der Vortrag solle behandeln

  • die Novelle des Landesnaturschutzgesetzes,

  • die 3. Tranche der NATURA 2000 - Gebiete,

  • das "10 % - Ziel" von Minister Müller,

  • die Stärkung der "nicht ordnungsrechtlichen Instrumente".

  1. Die Novelle des Landesnaturschutzgesetzes sei zunächst aufgrund zahlreicher europäischer Richtlinien veranlaßt (UVP-, IVU-, Zoo-, FFH- und Vogelschutz-RiLi). Hier seien die Umsetzungsfristen teils schon länger abgelaufen. Als Veranlassung sei hinzugetreten das neue BNatSchG innerhalb einer Frist bis 2005 im Landesnaturschutzgesetz umzusetzen.

Die europäischen Umweltrichtlinien dürfen nicht negativ bewertet werden; durch EU-weite Regelung böten sie nicht nur den Schutz der Umwelt, sondern auch vor Wettbewerbsverzerrung. Die Implementierung der Richtlinien in die föderale Struktur des Mitgliedstaates Bundesrepublik Deutschland falle nicht immer leicht; aktuell gebe es durchaus Diskussionen zwischen Bund und Ländern über die jeweilige Funktion im Rahmen der Herstellung des Einvernehmens nach Art. 4 FFH-RL. Anlaß zur Überraschung durch die Richtlinien bestehe aber nicht. Es sei Aufgabe der Verbände auf Europaebene, die Mitgliederinteressen effektiv zu vertreten. Die Europäische Kommission sei bei der Umsetzung des Europäischen Rechts eisenhart und leite bei unzureichender Umsetzung ein Zwangsgeldverfahren ein.

Es entsteht eine Zwischendiskussion, an der sich insbesondere die Herren Schlotmann (Haus & Grund) und Gersteuer (Bauernverband) beteiligen. Beklagt wird das grundsätzliche Demokratiedefizit, welches daraus entstehe, daß "Gesetzgeber" der Richtlinien der Ministerrat ist. Auch die im Vertrag von Amsterdam gesteigerten Mitwirkungsrechte des Parlamentes reichten nicht aus. Konkret wird das problematische Verfahren bei der Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes gerügt, in dem durch das Einbringen von Formulierungsvorschlägen in den Umweltausschuß keine ausreichende Beteiligung der Verbände erfolgte. Beklagt wird auch das mangelnde Informationsengagement der Landesministerien, die nicht offensiv genug mit dem Europäischen Recht umgehen und Kommunikationswege zur Europäischen Kommission zu oft als Einbahnstraße zum Befehlsempfang verstehen.

Frau Brahms fährt fort, daß die Verabschiedung des Landesartikelgesetzes auch deshalb zügig notwendig wurde, weil Schreiben von der Europäischen Kommission eingegangen sind, mit denen Zwangsgelder wegen Nichtumsetzung von EU-Richtlinien im Landesrecht angekündigt wurden. Sonst hätte es die jetzt auch vom Landtag selbst gewünschte "Befassung in einem Durchgang" gegeben.

Als Schwerpunkte für die Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes stellt Frau Brahms die Umsetzungsvorschriften für FFH-Vogelschutzrichtlinie heraus, ferner die Regelungen zur guten fachlichen Praxis und die neuen Biotope in § 15 a) LNatSchG.

Herr Gersteuer weist in einer Zwischendiskussion auf den kurzfristig bekannt gewordenen Entwurf der Regierungsfraktionen hin, in dem u.a. "Feldraine" als Regelbeispiel i.S.v. § 7 Abs. 2 LNatSchG aufgeführt sind, mit der Folge, daß bei jedem größeren Pflügen im Folgejahr ein Eingriff vorläge und die Eingriffssystematik ausgelöst würde.

Frau Brahms fährt fort, die Novellierung bringe eine neue Systematik für die Begriffe von "Biotopverbund" und "vorrangige Fläche". Mit der Regelung eines Öko-Kontos greife man eine Idee der Arbeitsgemeinschaft des Grundbesitzes auf.

Herr Schlotmann wirft ein, daß eine "Öko-Konto - Regelung" auch im Bereich des kommunalen Baumschutzes dringend notwendig wäre.

Frau Brahms fährt fort, daß die Regelung über Entschädigungen ergänzt und eine Duldungspflicht für das Betreten von Grundstücken durch Mitarbeiter der Naturschutzbehörde eingeführt werden sollen. Im Sinne der lange diskutierten Funktionalreform wolle man auch Aufgaben delegieren.

  1. Der Nachmeldebedarf von FFH-Gebieten stehe durch entsprechende Schreiben der Kommission fest. Es liege ein neues Schreiben der Europäischen Kommission vor, in dem ein Vertragsverletzungsverfahren angedroht werde.

Aufgelegt wird eine Folie, in der Prozentsätze für den Erfüllungsgrad der Meldung wiedergegeben sind. Es wird diskutiert, ob das Land Prozentsätze zu erfüllen habe. Kritisiert wird, daß ein Vergleich mit anderen Bundesländern wegen der unterschiedlichen Naturraumausstattung nicht möglich sei. Frau Brahms erläutert, welche Daten der Kommission zur Verfügung stehen und wie die Kommission die Defizite feststellt.

Am 20.05.2003 beschließe das Kabinett über einen Vorschlag für die nachzumeldende Landesauswahl. Anhand der aus der 2. Tranche bekannten Kurzgutachten sei anschließend eine öffentliche Auslegung in Ämtern und Kommunen geplant. Zu den Kurzgutachten werde eine Stellungnahmefrist bis September gewährt. Nach Auswertung der Stellungnahmen sei für Anfang 2004 der zweite Kabinettsbeschluß vorgesehen. Anschließend werde das Benehmen mit den Behörden der Bundesebene hergestellt, so daß damit zu rechnen sei, daß die neue Auswahl im Sommer 2004 bei der Europäischen Kommission vorliege.

Frau Brahms betont, daß im Fall der Ergänzung von Standarddatenbögen für bereits gemeldete Gebiete, diese dem Arbeitskreis Eigentum und Naturschutz so bald wie möglich im Entwurf zur Verfügung gestellt werden.

Um weitgehenden Eigentumsschutz sicherzustellen, würden neue Flächen für die 3. Tranche zuerst in bestehenden Naturschutzgebieten, Stiftungsflächen und sonstigen landeseigenen Flächen gesucht. Wenn diese nicht ausreichten, greife man auf § 15 a) - Flächen zurück. Reichten auch diese nicht aus, würden Flächen herangezogen, die in der Landschaftsplanung als geplante Naturschutzgebiete dargestellt seien. Bei Waldlebensraumtypen ziehe man zuerst den Staatswald heran.

Nach Angaben der EU reichen von 64 bewerteten Lebensraumtypen die bisherigen Meldungen nur für 29 davon aus. Von 50 Arten sind in der bisherigen Auswahl nur 15 ausreichend repräsentiert.

Für Oktober 2003 sei ein Zwischenbericht der Bundesrepublik Deutschland an die Kommission vorgesehen, dem das Land zuarbeiten werde.

Am zweiten Seminar zur Kontinentalen Biogeographischen Region in Potsdam habe das Land Schleswig-Holstein nicht teilgenommen. Frau Brahms selbst habe es nur im ersten Seminar zur Atlantischen Biogeographischen Region in Den Haag vertreten. In Potsdam habe man sich aufgrund der nur begrenzt zugelassenen Teilnehmerzahl durch die jeweiligen, zuvor bestimmten Sprecher anderer Bundesländer vertreten lassen. Position der Sprecher waren die Kabinettsentscheidungen der Länder.

In einer Zwischendiskussion wird die Problematik angesprochen, wie der Nachmeldebedarf intern auf die Bundesländer verteilt wird. Nach der zweiten Tranche sei verkündet worden, diese sei abschließend. Dabei habe man sich auf die Fachauswahl des LANU verlassen. Es könne erwartet werden, daß die fachliche Ansicht des LANU offensiv auch gegen anderslautende Drohkulissen aus der Kommission eingebracht würden. Dann könne auch ein Vertragsverletzungsverfahren jedenfalls der ersten Stufe getrost abgewartet werden.

Im Anschluß stellt Frau Brahms die Prioritäten für eine rechtliche Sicherung der ausgewählten Flächen dar. Zunächst sei zu prüfen, ob die Flächen nicht schon nach dem Landesnaturschutzgesetz, insbesondere durch § 15 a), geschützt seien. Dann werde geprüft, ob der Schutz durch andere Verordnungen, durch Bauleitplanung (§ 9 BauGB) oder durch die Festlegung als Ausgleichsfläche für Eingriffe gewährleistet sei.

Ergebe sich gleichwohl Sicherungsbedarf, sollten die Flächen als Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete oder als Ausgleichsflächen gesichert werden.

Schließlich solle der Schutz vorrangig über freiwillige Vereinbarungen mit den Grundeigentümern bzw. Nutzern erfolgen.

Bei öffentlichen Flächen reiche eine Selbstverpflichtung des Trägers. U.U. reichten auch andere gesetzliche Vorgaben zur Sicherung aus.

Problematisch sei bei freiwilligen Vereinbarungen nach wie vor die mangelnde Außenwirkung und die Vielzahl der potentiellen Vertragspartner. Gelinge es nicht, diese zusammenzupassen, müsse zum Instrument der Schutzgebietsverordnung gegriffen werden.

Es gelte der Grundsatz, daß wenn die Verhandlungen länger als ein Jahr dauern, das Rechtsetzungsverfahren für eine Verordnung beginne.

Die neuen Kurzgutachten der 3. Tranche enthielten auch eine Empfehlung für den nachfolgenden Schutz.

Auch der Bund selbst habe Handlungsbedarf bei NATURA 2000 - Flächen. So habe der Bund trotz mehrfacher Aufforderung durch die Kommission noch immer nicht die NATURA 2000 - Gebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (Nord- und Ostsee zwischen 12 sm - und 200 sm - Grenze bzw. Hoheitsgrenze der Nachbarstaaten) gemeldet.

  1. Es sei das Ziel von Umweltminister Müller bis zum Ende der Legislaturperiode 10 % der Landesfläche als vorrangige Fläche für Natur und Landschaft gesichert zu haben.

  2. Frau Brahms nennt Zahlen zu den Vertragsnaturschutzprogrammen in Schleswig-Holstein. Sie zieht den Schluß, daß das Verhältnis von Auflagen und Prämien sich gebessert habe und damit eine größere Beteiligung sich abzeichnet.

Auch plane man, vermehrt langfristige Pachtverträge (kapitalisiert) abzuschließen.

Insbesondere bei der Schrobach-Stiftung beteilige sich das Land mit Zuwendungen für die von der Stiftung gezahlten Pachtzinsen. Man habe festgestellt, daß solche Verträge nur ca. 66 % - 70 % der Grunderwerbskosten verursachen.

Kiel, den 05.05.2003

gez. Dr. Giesen

Rundschreiben 5/2003