Anlage 3 zum Rundschreiben 1/2004

Rundschreiben 1/2004

Vorab per Telefax: 04 31 / 9 88 72 39
Ministerium für Umwelt,
Naturschutz und Landwirtschaft
des Landes Schleswig-Holstein
Mercatorstraße 3

24106 Kiel

Kiel, den 28.11.2003

Stellungnahme
zur Novellierung des Landeswaldgesetzes Schleswig-Holstein
Herbst 2003

Sehr geehrter Herr Minister Müller,
sehr geehrte Frau Brahms,
sehr geehrte Herren Brodersen und Kremkau,

mit Schreiben vom 13.09.2003 haben Sie uns den Entwurf eines Gesetzes zur Neufassung des Landeswaldgesetzes für das Land Schleswig-Holstein mit der Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme übersandt. Wir nehmen diese Gelegenheit dankend wahr und Stellung wie folgt:

Vorweggeschickt sei eine Grundsatzpositionierung:

  1. Es bedarf keiner Anpassung des Landeswaldgesetzes im Sinne zusätzlicher Vorschriften. Notwendig ist im Gegenteil eine Verschlankung des Gesetzes im Sinne von Deregulierung. Die finanzielle Lage des Landes gebietet auch einen schlanken Verwaltungsvollzug.

  2. Die Verantwortlichkeit der Waldbesitzer sollte gestärkt werden. Nur das allein sichert Nachhaltigkeit. Strukturvielfalt schafft Artenvielfalt.

  3. Die Selbstverwaltung durch die Landwirtschaftskammer und die waldbesitzenden Städte und Gemeinden muß gestärkt werden. Keine Vorgaben für die Bewirtschaftung des Körperschaftswaldes; das Waldvermögen der kommunalen Gebietskörperschaften steht in der ausschließlichen Autonomie deren Organe.

  4. Die forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse sind zu eigenständigen Dienstleistungszentren auszubauen. Der Holzverkauf ist durch forstwirtschaftliche Vereinigungen zu fördern, in denen unter der Federführung der Holzagentur Schleswig-Holstein Forstbetriebsgemeinschaften und sonstige Anbieter ihr zersplittertes Angebot bündeln.

  5. Eine Novellierung darf der Abkehr von der maßnahmenbezogenen Förderung keinen Vorschub leisten. Das Grundprinzip der Gemeinschaftsaufgabe: "Förderung zur Strukturverbesserung" muß erhalten bleiben. Es darf keine Flächensubventionierung erfolgen.

  6. Das, was ordnungsgemäße Forstwirtschaft ist, entzieht sich einer Definition. Es gilt das eiserne Gesetz des Örtlichen. Eine dynamische Fortentwicklung des Waldbaus kann nur dezentral gelingen.

  7. Kein Aufkauf von Waldflächen durch das Land. Im Gegenteil: Verkauf mindestens der Splitterflächen aus dem Landesbesitz. Abschaffung des staatlichen Vorkaufsrechtes. Ausbau des Vertragsnaturschutzes.

  8. Eine Intensivierung des Ausbildungsangebotes für Waldbesitzer und des Fortbildungsangebotes für staatliche Forstmitarbeiter ist geboten.

  9. Das Sperren von Waldflächen aus Gründen der Wald- und Wildbewirtschaftung muß vereinfacht werden.

  10. Der Staatswald des Landes sollte in der Rechtsform eines Eigenbetriebes organisiert werden. Die Betriebsergebnisse sollen positiv und der parlamentarischen Kontrolle zugänglich sein.

Diese Grundsätze vorausgeschickt, ist der von der Landesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Neufassung des Waldgesetzes für das Land Schleswig-Holstein wie folgt zu würdigen:

Allgemeines:

Der Zeitpunkt für die Novellierung des Landeswaldgesetzes ist falsch gewählt. Auf Bundesebene ist die Novellierung des Bundeswaldgesetzes in Vorbereitung. Eine Novellierung des Bundeswaldgesetzes macht eine erneute Novellierung des Landeswaldgesetzes notwendig. Solche gesetzgeberische Hektik ist zu unterlassen. Sie schadet der Sache.

Im einzelnen und in der Reihenfolge der Vorschriften:

Zu § 1 Abs. 1 Satz 2:

Die "Jedermann-Verpflichtung", den Wald zu schützen, verleitet entweder selbsternannte Sheriffs zu unsinnigen Handlungen oder ist - weil unter der Maßgabe des Gesetzes stehend - ohne inhaltliche Regelungsaussage und dann schon deshalb zu streichen.

Zu § 1 Abs. 2 Ziffer 3:

Die Vorschrift impliziert einen Widerspruch zwischen den Interessen der Allgemeinheit und den Interessen der Waldbesitzer. Dieser Widerspruch ist nicht vorhanden. Die nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes dient zugleich dem Wohle der Allgemeinheit.

§ 1 Abs. 2 Ziffer 3 ist ersatzlos zu streichen.

Zu § 1 Abs. 3 Satz 2:

Die Vorschrift definiert nachhaltige Forstwirtschaft ausschließlich ökologisch. Sie unterschlägt, daß Kennzeichen nachhaltiger Forstwirtschaft auch ein positives Betriebsergebnis ist. Die Vorschrift ist ersatzlos zu streichen.

Zu § 2 Abs. 3 Satz 3:

Die Definition für "standortheimisch und der natürlichen Waldgesellschaft zugehörig" ist zu eng.

Zu § 2 Abs. 4 Satz 1:

Die Definition des Kahlschlages als Herabsetzung des Bestockungsgrades auf weniger als 60 % hebt die Wortbedeutung des Kahlschlages auf und führt zu überflüssiger Bürokratie. § 12 Abs. 1 Satz 1 des neuen Niedersächsischen Landeswaldgesetzes aus dem Jahr 2002 definiert den Kahlschlag zutreffend als Hiebsmaßnahme, die sich auf eine zusammenhängende Waldfläche von mehr als 1 ha erstreckt und den Holzvorrat dieser Fläche auf weniger als 25 % verringert. Diese Definition ist auch für Schleswig-Holstein gut.

Zu § 3:

Auf eine forstliche Rahmenplanung kann in Schleswig-Holstein vollständig verzichtet werden. Keiner hat sie je vermißt. Wenn überhaupt ist sie auf § 6 Bundeswaldgesetz auszurichten, muß also der Ordnung und Verbesserung der Forststruktur dienen und darf nicht - wie § 3 Abs. 3 Ziffer 3 nahelegt - zur Ökoplanung werden.

Zu § 3 a):

Die Vorschrift regelt Selbstverständliches im Umgang der Behörden untereinander und ist überflüssig.

Zu § 4:

Ordnungsgemäße Forstwirtschaft gehorcht dem eisernen Gesetz des Örtlichen und entzieht sich der Definition. Die Vorschrift enthebt die Waldbesitzer ihrer bislang gerne und mit großem Erfolg wahrgenommenen Verantwortung. Sie erdrosselt Freiheit und ist Ökodiktat.

Aus Absatz 1 können wegen des systematischen Zusammenhanges im Rahmen der Auslegung Beschränkungen der Waldbesitzer abgeleitet werden, die über die Mindestanforderungen des Absatzes 2 noch hinausgehen. Absatz 1 ist schon sprachlich verfehlt (was bedeutet "zu schützen und dabei zugleich der Schutzfunktion Rechnung zu tragen" ?).

Absatz 2 umschreibt Selbstverständliches, versteckt aber Beschränkungen, die im Einzelfall bis zur tatsächlichen Unmöglichkeit einer Bewirtschaftung mit positivem Betriebsergebnis führen.

Beispielsweise ist der nach Ziffer 6 vorgegebene Verzicht auf Entwässerungsmaßnahmen, die über das bisherige Maß hinausgehen, nicht hinnehmbar. Wer einige Jahre sein Bewässerungssystem nicht ordnungsgemäß unterhalten hat, ist nicht mehr in der Lage, es auf den wasserwirtschaftlich notwendigen Stand zu bringen, weil dies "über das bisherige Maß hinausgeht". Die Vorschrift wird kontraproduktiv wirken.

Die einzelnen Vorgaben verfehlen die Vielgestaltigkeit der Praxis. Sie schränken den Anwendungsbereich der Entschädigungsvorschriften unangemessen ein und konterkarieren teils bewährte Förderinstrumente.

Die Verordnungsermächtigung in Absatz 4 führt zu weiterem Definitionseifer durch Verordnung. Die Oberste Forstbehörde wird ihre Existenzberechtigung mit einer überbordenden Regelungsdichte nachweisen und dabei doch nur am Gängelband der Obersten Naturschutzbehörde gehalten werden.

Absatz 5 vernichtet volkswirtschaftliches Vermögen und soll die Praxis der Stiftung Naturschutz legalisieren, flächig auf die Nutzfunktion des Waldes zu verzichten.

Absatz 6 führt die Verpflichtung zur forstlichen Standortkartierung und zur Waldfunktionenkartierung ein und belastet die Waldbesitzer mit sinnloser und kostenintensiver Bürokratie. Das steuerrechtlich vorgeschriebene Forstbetriebswerk reicht aus.

Absatz 7 vernichtet die spezialgesetzliche Vorrangigkeit des Waldgesetzes.

Die gesamte Vorschrift ist ein Frontalangriff auf die Wirtschaftlichkeit der Forstbetriebe in Schleswig-Holstein. Sie mißachtet die Ergebnisse aus dem einschlägigen, hoch aktuellen Arbeitsbericht der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft.

Zu weiteren Argumenten wird auf den Vortrag des Unterzeichners anläßlich der Mitgliederversammlung des Schleswig-Holsteinischen Waldbesitzerverbandes e.V. am 07.10.2002 in Rendsburg verwiesen. Er ist als Anlage beigefügt.

Zu § 5:

Wie Wald dem Wohl der Allgemeinheit dient, ist von der Waldeigentumsart unabhängig. Jeglicher Wald dient bereits durch seine Existenz dem Wohl der Allgemeinheit. Ein besonderes Maß der Allgemeinwohlbindung folgt lediglich aus den örtlichen Besonderheiten (Situationsgebundenheit). Die Vorschrift darf keine Rechtfertigung für ständige, außerordentlich hohe Defizite der historisch überkommenen Wälder im Besitz des Landes Schleswig-Holstein bieten. Es ist in der gegenwärtigen Finanzsituation des Landes Schleswig-Holstein nicht hinnehmbar, daß der Staatswald jährlich aus allgemeinen Steuermitteln höchstsubventioniert wird. Die Subventionierung des Staatswaldes führt zu wettbewerbswidrigen Störungen des Holzmarktes und belastet die Bürger mit einem verfassungswidrigen Abgabenzweck. Aus Steuermitteln darf kein Dauerdefizit eines Staatsbetriebes behoben werden. Die Mitarbeiter des Landes sind in ihren Bemühungen um gute Betriebsergebnisse zu unterstützen und dürfen nicht durch sinnlose und ideologische Vorgaben frustriert werden.

Zu kritisieren ist insbesondere der Versuch, die Bewirtschaftung der Wälder der kommunalen Gebietskörperschaften behördlicher Kontrolle zu unterwerfen. Das Waldvermögen der kommunalen Gebietskörperschaften steht in der ausschließlichen Finanz- und Selbstverwaltungsautonomie der kommunalen Organe.

Es ist überhaupt entbehrlich, eine Zielsetzung für den Staatswald aufzunehmen. Der Staat kann die Ziele seiner Bewirtschaftung selbst bestimmen. § 5 geht deshalb über die Zuweisung von Vorbildlichkeit für den Staatswald weit hinaus und ordnet Bürgerferne an.

§§ 4 und 5 sind vollständig zu streichen.

Zu § 12:

Naturwald darf nur durch Vertragsnaturschutz, nicht durch Verordnung gebildet werden.

Zu § 14:

Das gesetzliche Vorkaufsrecht ist zu streichen.

Zu § 15:

Das allgemeine Betretensrecht in § 15 Abs. 1 Satz 1 ist in Schleswig-Holstein eine historische Neuerung. Die bisher geltende Bindung an die Waldwege begründete sich daraus, daß in Schleswig-Holstein regelmäßig größere geschlossene Waldgebiete fehlen und die Wälder wie Inseln in der landwirtschaftlichen Kulturlandschaft liegen. Diese Verhältnisse haben sich nicht geändert; der verbandliche und behördliche Naturschutz betont immer wieder die Schutzbedürftigkeit der Waldinseln. Deshalb darf hinterfragt werden, warum die Neuregelung notwendig sein soll.

Viele Eigentümer und Forstleute können dies nicht nachvollziehen.

Die Haftungsfragen im Zusammenhang mit dem Betretensrecht (Verkehrssicherungspflichten) sind vielfältig und bislang in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Die Neuregelung wird auf lange Jahre Unsicherheiten in der schleswig-holsteinischen Ziviljustiz provozieren.

Zu § 19:

Das Sperren von Wald muß erleichtert werden. Die Vorschrift bindet das Sperren von Wald tatbestandlich an ein Nichtentgegenstehen wesentlicher Belange der Allgemeinheit, insbesondere der Erholung. Sperrungen von Waldflächen werden nach der Neufassung des § 15 gerade notwendig werden, um übergroßen Erholungsdruck abzustellen. Der sog. Erholungsdruck, also die besondere Frequentierung bestimmter Waldflächen, insbesondere in der Nähe der Ballungszentren, ist regelmäßig ein Indiz für die Belange der Allgemeinheit.

Die Sperrung muß tatbestandlich genehmigt werden, wenn sie aus Gründen der Wald- und Wildbewirtschaftung erforderlich ist.

Das vorgeschlagene Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit läßt Rücksichtnahmen auf besondere örtliche Situationen zu.

Zu § 26:

Förderung kann nicht wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sicherstellen. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Forstbetriebe wird über Wirtschaftlichkeit zulassende Rahmenbedingungen, auch durch freiheitsgewährende Gesetze, sichergestellt. Zu fördern sind bestimmte kostenintensive Maßnahmen, die als solche auch im Gesetz genannt werden sollten, insbesondere Erstaufforstungen, Bestandespflege, Läuterungen, Durchforstungen etc. Auch soll und kann durchaus gesetzlich geregelt werden, daß der Landeshaushalt diejenigen Mittel bereitstellen muß, die zur anteiligen Kofinanzierung von Fördergeldern notwendig sind, die von der Europäischen Union bereitgestellt werden.

Zu § 27:

Die Vorschrift greift tatbestandlich zu kurz und ist als Salvatorische Klausel verfassungsrechtlich problematisch. Vorgeschlagen wird folgende Formulierung:

"Eine Entschädigung durch das Land ist zu gewähren, wenn in Folge von Verboten und Geboten aufgrund dieses Gesetzes oder aufgrund einer auf diesem Gesetz beruhenden Verordnung oder Maßnahme

  1. bisher rechtmäßig ausgeübte Grundstücksnutzungen aufgegeben oder eingeschränkt werden müssen,

  2. eine noch nicht ausgeübte Nutzung, die sich nach Lage und Beschaffenheit des Grundstücks objektiv anbietet und auf die der Eigentümer sonst einen Rechtsanspruch hat, unterbunden wird,

  3. Aufwendungen an Wert verlieren, die für beabsichtigte Grundstücksnutzungen in schutzwürdigem Vertrauen darauf gemacht wurden, daß diese rechtmäßig bleiben

und hierdurch die Betriebe oder sonstigen wirtschaftlichen Einheiten, zu denen die Grundstücke gehören, nicht nur unwesentlich beeinträchtigt werden".

Zu § 31 ff.:

Der Staatswald ist als Landesbetrieb zu organisieren. Das Parlament muß volle Kontrolle über das Betriebsergebnis erlangen. Die dann auf ein Minimum schrumpfenden hoheitlichen Aufgaben der Unteren Forstbehörden können durch die Stellen bei den Kreisen wahrgenommen werden, die jetzt als Jagdbehörden fungieren.

Zu § 42:

Soweit die Vorschrift die Landesforstverwaltung bindet, ist sie eine Selbstverständlichkeit, wenn man die Beratung beim Naturschutz nicht im Sinne von Ausschließlichkeit versteht.

Soweit die Vorschrift die kommunalen Forstverwaltungen bindet, führt sie nichtentlohnte Zwangsarbeit ein. Die kommunalen Forstverwaltungen werden auch ohne gesetzliche Regelung im Rahmen ihrer Möglichkeit gern die in der Vorschrift genannten Beratungs- und Unterstützungsleistungen wahrnehmen. Einen Anspruch des Staates gegen die kommunalen Forstverwaltungen auf kostenlose Beratung und Unterstützung kann es aber nicht geben.

Für die im Arbeitskreis Eigentum und Naturschutz zusammengeschlossenen Organisationen und

mit freundlichen Grüßen

Dr. Giesen

Anlage

Rundschreiben 1/2004