Mit Schreiben vom 05.03.2009 hat Bundesumweltminister Siegmar Gabriel
nach Abstimmungen im Koalitionsausschuß der Bundesregierung zwei
umfangreiche Gesetzentwürfe zugeleitet, die in der heutigen Sitzung des
Kabinetts (11.03.2009) verabschiedet werden sollen.
Es handelt sich um den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des
Wasserrechts und den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts
des Naturschutzes und der Landschaftspflege.
Beide Gesetze regeln für die Wirtschaft des Außenbereichs
außerordentlich bedeutsame Rahmenbedingungen und sind deshalb sorgfältig
zu prüfen. Diese Prüfung darf weder unter Zeitdruck, noch unter
sachlicher Nachlässigkeit leiden, die von interessierter Seite mit dem
Argument herbeigeführt werden könnten, geregelt werde nur, was nach der
Beerdigung des UGB-Gesamtvorhabens als sinnvolle bereichsspezifische
Neuregelung übrig geblieben ist.
Hierzu werden im folgenden Anmerkungen ohne Anspruch auf Vollständigkeit
gemacht.
Dies gilt insbesondere, weil die verfassungsrechtliche Begründung des
BMU für den angeblichen Eilbedarf nicht nachvollziehbar ist. Das BMU
bringt vor, das Moratorium nach Art. 125 b) Abs. 1 Satz 3 GG laufe ab
dem 01.01.2010 mit der Folge aus, daß die Länder von ihrem
Abweichungsrecht Gebrauch machen könnten. Dabei gilt diese Rechtsfolge
doch erst, wenn zuvor eine bundesrechtliche Vollregelung auf der
Grundlage des neuen Kompetenztitels aus der konkurrierenden Gesetzgebung
nach Art. 74 Abs. 1 Ziffern 29. und 32. ergangen ist. Ohne neue
bundesrechtliche Vollregelung ist Rechtsverwirrung nicht zu besorgen, da
altes Recht jeweils als Bundes- oder Landesrecht fortgilt, § 125 b) Abs.
1 Sätze 1 und 2 GG.
Die vorgelegten Gesetzentwürfe sind zu kritisieren.
-
Änderungen Wasserrecht
Schwerpunkt der folgenden Anmerkungen zu den Änderungen im
Wasserrecht ist der bisher traditionell in den Wassergesetzen der
Länder mitgeregelte Bereich des privaten Wasserrechtes. Insbesondere
die in der Tradition des Preußischen Wassergesetzes stehenden
Regelungen der norddeutschen Länder enthalten hierzu Schutzrechte,
die ihren Grund im privaten Eigentum finden. Das öffentliche
Wasserrecht flankiert hier nur als Unbedenklichkeitsbescheinigung
aus gesamtwasserwirtschaftlicher Sicht.
Von diesem Grundkonzept der Dualität von privatem und öffentlichem
Wasserrecht weicht das neue Bundesvollrecht ab. Das öffentliche
Wasserrecht überprägt mit Ausschließlichkeitsanspruch die
Eigentumsrechte, ohne daß diese in den Tatbeständen und in den
Verfahren ausreichend Berücksichtigung finden:
-
Nach § 4 Abs. 2 WHGE ist Wasser eines fließenden oberirdischen
Gewässers nicht eigentumsfähig. Das war in Schleswig-Holstein
bislang anders. Das privatrechtliche Eigentum an Gewässern
erstreckte sich auch auf die sog. fließende Welle (Kollmann,
Wassergesetz des Landes Schleswig-Holstein, vor §§ 88 f. Anm.
3).
§ 4 Abs. 2 ist also als entschädigungslose Enteignung zu
qualifizieren. Da bisher das Eigentum an der fließenden Welle
durch die öffentlich-rechtlichen Regelungen überprägt war,
werden sich die Folgen der Gesetzesänderung weniger
vermögensbeeinträchtigend auswirken, als vielmehr zu einem
Verlust der eigentumsgestützten Abwehrrechte bspw. aus §§ 823,
1004, 906 BGB führen, die mit ihrem Rechtsgrund im privaten
Eigentum bislang dem Gewässereigentümer zu Gebote standen und
mit denen er Verschlechterungen der fließenden Welle abwehren
konnte. Praktische Bedeutung hat dies vor allem bei Auswirkungen
von Einleitungen auf die Wassereignung für bestimmte
Fischbestände und bei Starkeinleitungen, die aus
Siedlungsflächen im Gewässer zu Uferabbrüchen und Erosion führen
können.
-
Nach § 4 Abs. 4 Satz 1 WHGE und § 16 Abs. 1 Satz 1 WHGE wird
eine umfangreiche privatrechtsgestaltende Wirkung von
wasserbehördlichen Zulassungen eingeführt.
Bislang beschränkte sich die Wirkung einer wasserrechtlichen
Zulassung auf die öffentlich-rechtliche
Unbedenklichkeitsbescheinigung. Private Rechte Dritter wurden
nicht betroffen.
So mußte beispielsweise der Erschließungsträger eines
Baugebietes für die Ableitung des Oberflächenwassers neben der
wasserbehördlichen Einleitungserlaubnis auch die Zustimmung des
Gewässereigentümers zur Einleitung einholen.
Nach neuer Rechtslage müssen Eigentümer und Nutzungsberechtigte
von Gewässern die Benutzung durch Dritte dulden, wenn für die
Benutzung eine behördliche Zulassung erteilt worden ist oder
eine behördliche Zulassung nicht erforderlich ist.
Folgerichtig müßte die behördliche Zulassung ergänzt werden um
einen Tatbestand, der die Beeinträchtigung der Rechte Dritte,
insbesondere der Gewässereigentümer, ausschließt. Dies ist aber
nicht der Fall. Die Zulassungstatbestände bleiben
objektiv-rechtlich lediglich an die Beeinträchtigung der Rechte
der Allgemeinheit gebunden. Auch ein Verfahren zur Einbeziehung
der Gewässereigentümer in die Zulassungsverfahren Dritter ist
nicht vorgesehen.
Früher ergingen wasserrechtliche Erlaubnisse unbeschadet der
Rechte Dritter, heute werden sie zu drittbelastenden
Verwaltungsakten.
-
§ 38 Abs. 4 Satz 1 WHGE regelt neben den Verboten in einem 5 m
breiten Gewässerrandstreifen, daß Eigentümer und
Nutzungsberechtigte diesen Gewässerrandstreifen im Hinblick auf
seine ökologischen Funktionen erhalten sollen. Das „nicht
abschließend konkretisierte Erhaltungsgebot des Satzes 1“
(Gesetzesbegründung S. 184) ist offenbar als Handlungsauftrag zu
verstehen und insoweit mangels Bestimmtheit abzulehnen. Eine
sachliche Rechtfertigung für die Belastung von Gewässeranliegern
mit Handlungspflichten ist nicht ersichtlich.
-
Früher regelte § 22 Abs. 3 Satz 2 WHG zugunsten geschädigter
Grundeigentümer einen Ausschluß der 30jährigen Verjährungsfrist
für Haftungsansprüche gegen Gewässerverschmutzer. § 89 WHGE
enthält diesen Verjährungsausschluß nicht mehr mit der Folge,
daß die dreijährige Regelverjährung entsprechend § 195 BGB
Anwendung finden dürfte.
Dies ist regelmäßig zu kurz, da häufig insbesondere Folgeschäden
und ‑belastungen erst später erkennbar werden.
-
§§ 92 und 93 WHGE regeln eine Ermächtigung für die
Wasserbehörde, Eigentümer zu verpflichten, Veränderungen,
insbesondere Vertiefungen und Verbreiterungen, ihrer Gewässer
sowie das Durchleiten von Wasser und Abwasser sowie die
Errichtung und Unterhaltung der dazu dienenden Anlagen zu
dulden.
Das Schleswig-Holsteinische Wasserrecht beschränkte die
Duldungspflicht zur Veränderung oberirdischer Gewässer bislang
dahingehend, daß sie sich nicht erstreckt auf Gebäude,
Verkehrsanlagen, Hofräume und Gärten. Bei Gebäuden, Parkanlagen,
Hofräumen und Gärten war die Duldungspflicht auf das
unterirdische Durchleiten in dichten Leitungen beschränkt. Diese
Einschränkungen sollen nach neuem Recht entfallen. Das ist
insbesondere für die häufig großflächigen Siedlungsbereiche von
Gütern mit ihren historischen Gärten auch im Sinne einer
Erhaltung des kulturellen Wertes dieser Anlagen nicht
hinnehmbar.
In der Praxis gibt es aufgrund der natürlichen Lage gerade
älterer Anwesen zur Vorflut durchaus häufig das Problem, daß
Erschließungsträger den kurzen Weg durch den Garten bevorzugen.
Hier besteht kein Anlaß, vom bisherigen Schutzniveau
abzuweichen.
-
Zu begrüßen ist, daß § 40 Abs. 1 Satz 2 WHGE für die Umlegung
von Unterhaltungskosten auf Eigentümer die Kriterien von
Vorteil, Erschwernis und Nutzen regelt.
Die Gesetzesbegründung sollte noch deutlicher herausarbeiten,
daß damit die Ungleichbehandlung von Gewässergrundstücken,
Waldgrundstücken, landwirtschaftlichen Grundstücken und
versiegelten Grundstücken bei der Festsetzung von Beitrags- oder
Umlagesätzen angeordnet wird, wo dies sachlich gerechtfertigt
ist. Nur in extremen Ausnahmefällen wird eine Homogenität von
Landschaft und ihrer Nutzung im Beitrags- oder Umlagegebiet also
einen Flächenmaßstab rechtfertigen.
^
-
Änderungen des Naturschutzgesetzes
-
§ 66 BNatSchGE regelt ein Vorkaufsrecht u.a. an Grundstücken,
auf denen sich oberirdische Gewässer befinden, oder die in
Nationalparken, Naturschutzgebieten oder in als solche
einstweilig sichergestellten Gebieten liegen.
Das gesetzliche Vorkaufsrecht bedeutet einen schwerwiegenden
Eingriff in die Privatautonomie und den privaten
Grundstücksverkehr. Seine bundesrechtliche Einführung sollte
unterblieben oder jedenfalls tatbestandlich noch weiter
beschränkt werden. Dies insbesondere wegen der Weite des
Gewässerbegriffes, die in norddeutschen Verhältnissen zu einer
Ausdehnung des Vorkaufsrechtes in die land- und
forstwirtschaftlichen Flächen hineinführt. Auch sollten
Abwendungsbefugnisse sowie Verfahrens- und
Entschädigungsregelungen getroffen werden, wie sie etwa in § 27
und § 28 des Baugesetzbuches seit langem zur Herstellung von
Verhältnismäßigkeit bewährt sind.
-
§ 68 BNatSchGE genügt als salvatorische Entschädigungsregelung
nicht den verfassungsrechtlichen Kriterien. Das
Tatbestandsmerkmal der „unzumutbaren Belastung“ ist insbesondere
auch deshalb untauglich, weil es nicht auf den objektiven Wert
des Genommenen, sondern auf die subjektiven Verhältnisse beim
Betroffenen abstellt. Verbleibt dem Betroffenen nach der
naturschutzrechtlichen Nutzungsbeschränkung ein Vermögensrest,
den die Behörde für nennenswert hält, ist die Belastung zumutbar
mit der Folge, daß Entschädigungsansprüche nicht bestehen.
Der Gesetzgeber darf nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichtes nicht unentschieden lassen, wann eine
nicht mit Ausgleich verbundene Inhaltsbestimmung in eine
ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums umschlägt.
Es sind also durch den Gesetzgeber Fallgruppen zu bilden, in
denen ein finanzieller Ausgleich (eine Entschädigung) zu
gewähren ist.
Wir möchten deshalb folgende Regelung vorschlagen, die in weitem
Umfang Formulierungen aus der Verfassungsrechtsprechung
aufgreift:
"(1)
Beschränkungen des Eigentums, die sich aufgrund von Vorschriften
dieses Buchs, Rechtsvorschriften, die aufgrund dieses Buch
erlassen worden sind oder fortgelten oder Naturschutzrecht der
Länder ergeben, müssen unverhältnismäßige oder
gleichheitswidrige Belastungen des Eigentümers real vermeiden
und schutzwürdigem Vertrauen angemessen Rechnung tragen. Die
Privatnützigkeit des Eigentums muß soweit wie möglich erhalten
werden.
(2) Mit einem die Eigentumsbeschränkung aktualisierenden Verwaltungsakt muß zugleich über einen Ausgleich entschieden werden; bei finanzieller
Kompensation ist zumindest dem Grunde nach über das Bestehen des
Anspruches zu entscheiden.
(3) Finanzielle Kompensation ist zu leisten, wenn
-
eine bisher rechtmäßig ausgeübte Grundstücksnutzung nicht mehr
fortgesetzt werden kann,
-
eine beabsichtigte Nutzung, die sich nach Lage und Beschaffenheit
des Grundstück objektiv anbietet und auf die der Eigentümer sonst einen
Rechtsanspruch hat, unterbunden wird,
-
Aufwendungen an Wert verlieren, die für die beabsichtigten, bisher
rechtmäßigen Grundstücksnutzungen nach Nrn. 1 oder 2 in schutzwürdigem
Vertrauen darauf gemacht wurden, daß diese rechtmäßig bleiben,
oder
-
die Lasten und Bewirtschaftungskosten bei einer Nutzung
von Grundstücken nach Nrn. 1 oder 2 auch in absehbarer
Zukunft nicht durch
Erträge und andere Vorteile ausgeglichen werden können.
(4) Zu kompensieren ist der volle Wert des Genommenen“.
^ |