Anlage 1 zum Rundschreiben 14/2003

Rundschreiben 14/2003

Vorab per e-mail: natura2000@munl.landsh.de
Ministerium für Umwelt,
Naturschutz und Landwirtschaft
des Landes Schleswig-Holstein
Mercatorstraße 3

24106 Kiel

Kiel, den 31.10.2003

Natura 2000
Nachmeldetranche
Stellungnahme Arbeitskreis Eigentum und Naturschutz
Ihr Schreiben vom 11.07.2003

Sehr geehrte Frau Brahms,
sehr geehrter Herr Schmidt-Moser,
sehr geehrter Herr Kaiser,

mit vorgenanntem Schreiben haben Sie die Kurzgutachten der dritten Tranche mit der Möglichkeit zur Stellungnahme an zahlreiche Organisationen, auch an unseren Arbeitskreis, versandt. Wir danken hierfür und nehmen die Möglichkeit der Stellungnahme gerne wie folgt wahr:

  1. Die vorgelegte Gebietsauswahl wird abgelehnt.

  2. Das laufende Auswahlverfahren ist zu unterbrechen. Sodann ist ein ausreichender wissenschaftlicher Kenntnisstand durch flächendeckende Forschungen mit Bezug auf die atlantische und die kontinentale Biogeographische Region, mit Bezug auf die Fläche der Bundesrepublik Deutschland und mit Bezug auf Schleswig-Holstein einschließlich der grenzüberschreitenden naturräumlichen Haupteinheiten herzustellen. Insbesondere sind belastbare Angaben über Gesamtvorkommen der Lebensraumtypen nach Anhang I FFH-RL und der Arten nach Anhang II FFH-RL zu ermitteln. Im Hinblick darauf sind die Gebietsauswahlen der ersten und zweiten Tranche zu überprüfen und die Standarddatenbögen zu vervollständigen. Schließlich ist fachliche Einigkeit über die Schutzerfordernisse für die Lebensraumtypen und Arten herbeizuführen.

Erst nach Abschluß dieser Vorarbeiten kann qualifiziert geprüft werden, ob und inwieweit die naturschutzfachlichen Maßgaben im Sinne von §§ 20 b Abs. 1 Satz 1, 20 c Abs. 1 Satz 1 LNatSchG ein erneutes Auswahlverfahren erfordern.

Begründung:

Die rechtliche Begründung für diese Stellungnahme folgt aus Artikel 4 Abs. 1 Satz 1 FFH-RL. Danach legt jeder Mitgliedstaat anhand der in Anhang III (Phase 1) festgelegten Kriterien und einschlägiger wissenschaftlicher Informationen eine Liste von Gebieten vor, in der die in diesen Gebieten vorkommenden natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I und einheimischen Arten des Anhangs II aufgeführt sind.

Dabei muß nach Artikel 3 Abs. 2 Satz 1 FFH-RL jeder Staat im Verhältnis der in seinem Hoheitsgebiet vorhandenen natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten zur Errichtung von Natura 2000 beitragen. Nach Artikel 3 Abs. 1 Satz 2 FFH-RL muß das kohärente europäische ökologische Netz den Fortbestand oder ggf. die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleisten.

Diesen rechtlichen Anforderungen genügt die vorgelegte Gebietsauswahl nicht. Sie bürdet Eigentum und kommunaler Planungshoheit schwere Lasten auf, ohne daß dies nach den vorgenannten Maßgaben gerechtfertigt wäre.

Ihr Haus und die gesamte Landesregierung haben nach Abschluß der Gebietsauswahl der zweiten Tranche immer wieder beteuert, nun sei Rechtssicherheit hergestellt, weitere Flächenansprüche gebe es nicht, ja sogar potentielle FFH- und faktische Vogelschutzgebiete gebe es nach der Auswahl der zweiten Tranche nicht mehr.

Diese Beteuerungen sind nur knapp zwei Jahre nach Abschluß der Auswahl in der zweiten Tranche Makulatur.

Zur Rechtfertigung dessen verweisen Sie auf die Ergebnisse der wissenschaftlichen Seminare im Juni 2002 in Den Haag für die atlantische biogeographische Region und im November 2002 in Potsdamm für die kontinentale biogeographische Region.

Diese sogenannten "wissenschaftlichen Seminare" sind nicht geeignet, Nachmeldebedarf zu erzeugen, dem die Mitgliedstaaten nachkommen müßten (dazu nachfolgend 1.).

Selbst wenn man das Verfahren der wissenschaftlichen Seminare anerkennen wollte, so ist doch das aus Anlaß deren Ergebnisse eingeleitete Beteiligungsverfahren nach §§ 20 b Abs. 1 Satz 2, 20 c Abs. 1 Satz 2 LNatSchG zu kritisieren (nachfolgend 2.).

Schließlich geht die im Rahmen der dritten Tranche vorgelegte Gebietsauswahl weit über den von den wissenschaftlichen Seminaren attestierten Nachmeldebedarf hinaus (nachfolgend 3.).

  1. Die wissenschaftlichen Seminare finden in der FFH-RL keine Stütze. Sie sind ein von der Europäischen Kommission zugegebenermaßen anerkanntes, aber von dieser ohne Rechtsgrundlage eingesetztes Forum. Insbesondere dürfen die wissenschaftlichen Seminare nicht mit dem Habitatausschuß nach Artikel 20 FFH-RL verwechselt werden. Das, was die wissenschaftlichen Seminare hervorbringen, bindet deshalb die Mitgliedstaaten in keiner Weise. Es kann auch nicht für sich genommen zur Grundlage des Vorwurfs einer Vertragsverletzung gemacht werden.

  1. Die Besetzung der Seminare war einseitig. Die Seminarteilnehmer kamen überwiegend aus den Fachministerien der Mitgliedstaaten und aus der Generaldirektion "Umwelt" der Europäischen Kommission sowie von den Naturschutzverbänden. Dies geht aus Anlage 2 des von Ihnen, sehr geehrte Frau Brahms, unter dem 10.06.2002 angefertigten Protokoll zum Biogeographischen Seminar der atlantischen Region in Den Haag und aus Anlage 2 zu dem von Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Paul Müller, Trier, angefertigten Bericht zum Continentel-Seminar eindrucksvoll hervor.

Teilnehmer der Konferenz waren damit fast ausschließlich Personen, die ein bestimmtes naturschutzpolitisches Interesse eint. Das Seminar war vergleichbar einem Flurbereinigungsverfahren, in dem Behörden und Teilnehmer ausschließlich mit Landwirten besetzt seien und in dem ausschließlich eine "landwirtschaftsfachliche" Argumentation zulässig sei. Daß das Ergebnis eines solchen Flurbereinigungsverfahrens große Schläge sein werden, liegt auf der Hand.

Ebenso auf der Hand lag das Ergebnis der Biogeographischen Seminare. Bezeichnend ist dabei, daß seminarintern durchaus deutlich auf den ausstehenden Forschungsbedarf, insbesondere zum Umfang der Gesamtvorkommen und der Referenzflächen hingewiesen wurde. Diese Generalzweifel fanden dann aber in den offiziellen Protokollen keinen Niederschlag. Vielmehr wurde nur zu einzelnen Lebensraumtypen und Arten, bei denen es sich wirklich nicht mehr vermeiden ließ, das zweifelhafte Prädikat "scientific reserve" verwendet. Wie es in Ihrem, sehr geehrte Frau Brahms, Protokoll so treffend heißt: "Wünsche der NGOs nach grundlegendem Forschungsbedarf für eine Art wurden in der Regel nicht akzeptiert" - es wurde mit vorhandenen Erkenntnissen, und seien sie noch so schmal, gearbeitet, um einem übergeordneten naturschutzpolitischen Interesse an rascher Fertigstellung der Liste nach Artikel 4 Abs. 2 FFH-RL zu genügen.

Prof. Müller als Teilnehmer des Seminars zur kontinentalen Biogeographischen Region hat es so zusammengefaßt:

"Bei der Bewertung der Flächenmeldungen fällt generell auf, daß die Wertigkeit der von einzelnen Ländern gemeldeten Flächen sehr unterschiedlich sein kann. Deutschland schneidet in fast allen Bereichen "schlechter" ab als andere Länder, was aber im wesentlichen damit zusammenhängt, daß die von den Bundesländern gemeldeten Flächen entsprechend den Vorgaben der Richtlinie nicht alle in einem Land vorkommenden Flächen eines Typs erfassen, aber eine repräsentative Untereinheit. BfN und NGOs führen deshalb immer mehr Flächen auf, als notwendigerweise gemeldet wurden. Die Kommission schließt sich in fast allen Fällen der Auffassung der NGOs und des BfN an. Die deutsche Vertretung (Ländervertreter, Bund, NGOs) liefern ein Bild absoluter Inkonsistenz. Die Kommission entscheidet durchweg für NGOS und BfN, zum Teil auch, weil die Ländervertreter nicht scharf genug demonstrieren.

Bei der Analyse der Verbreitungsmuster der Arten fällt auf, daß Deutschland die besten Verbreitungsdaten vorlegte. Andere Länder (u.a. Frankreich, Italien) legen nur lückenhafte Verbreitungsinformationen vor. Während die von Deutschland wegen kleiner Verbreitungslücken als "nicht ausreichend" bewertet werden, werden andere Länder, die nur einen Fundort vorlegen, als "sufficient" bewertet. Einzelne Länder haben in den letzten Jahren Erfassungsprogramme für die FFH-Gebiete durchgeführt und legen aktuelle Daten vor".

Hinzu kommen noch ungeklärte Fragen im Zusammenhang mit der Definition einzelner Lebensraumtypen und Arten. In einem Schreiben des niedersächsichen Umweltministeriums an die Unternehmerverbände Niedersachsen vom 19.09.2002 werden "diverse offene Fragen im Zusammenhang mit der endgültigen Definition bestimmter FFH-Lebensraumtypen" eingeräumt. Deren Klärung sei von elementarer Bedeutung für die fachliche Plausibilität der seitens der Kommission genannten Defizite.

  1. Maßstab der Nachforderungen seitens der Kommission war nach den Berichten der Teilnehmer an den Biogeographischen Konferenzen die sog. "20/60 - Regel". Als "sufficient" wurden demnach nur Lebensraumtypen oder Arten angesehen, bei denen die NATURA 2000 - Meldung mehr als 60 % des Gesamtvorkommens umfaßt. Deckt die Meldung zwischen 20 % und 60 %, dann hat das ETCNC Prüfungsbedarf für den Einzelfall angemeldet und bei weniger als 20 % wurde in jedem Fall ein "not sufficient" vergeben. Sowohl die Regel selbst - dazu unten - als auch ihr Bezugspunkt sind fachlich angreifbar und in keiner Weise abgesichert. Bei nahezu allen Lebensraumtypen oder Arten fehlen zuverlässige Angaben über das Gesamtvorkommen. Sie fehlen sowohl im Hinblick auf die de jure maßgeblichen Biogeographischen Regionen als auch auf die de facto zum Maßstab genommenen Mitgliedsstaaten, Bundesländer oder naturräumlichen Haupteinheiten.

Dies ist auch nicht verwunderlich. Aus der Eigenheit vieler Arten etwa folgt, daß deren Gesamtvorkommen kaum zuverlässig zu ermitteln ist. Ein Beispiel ist etwa der "Kammmolch", der eine große Rolle bei der Ermittlung der schleswig-holsteinischen Nachmeldeflächen gespielt hat. Der Kammolch gehört zu den schwer erfaßbaren Arten, da weder die Männchen Paarungsrufe ausstoßen, noch die Weibchen auffällige Laichballen oder -schnüre ablegen. Viele alte Nachweise beruhen auf Sicht- und Catcher-Nachweisen adulter Kammolche zur Laichzeit im Fortpflanzungsgewässer am Tage. Jedoch wird in - bevorzugt besiedelten - vegetationsreichen Gewässern mit dieser Methode nur etwa 1/7 bis 1/10 der Population erfaßt. Zählungen zur Dämmerungs- oder Nachtzeit erbringen etwas bessere Resultate bei einem Erfassungsgrad von maximal 20 %. Dies bedeutet, daß insbesondere Kleinpopulationen, Populationen in stark verwachsenen oder trüben Gewässern sowie Populationen in größeren Gewässern oder in abgelegenen Gewässern leicht übersehen werden können. Bei ungünstiger Witterung (Bewölkung, Wind, Regen) sinkt die Nachweiswahrscheinlichkeit noch weiter ab (vgl. GGV Freie Biologen Voß/Grell: Vorkommen von Kammolch und Rotbauchunke in der NATURA 2000 - Gebietskulisse der schleswig-holsteinischen Landesregierung, Kiel, Februar 2001, S. 7).

 Ein Gesamtbestand ist demnach bislang zuverlässig nicht ermittelt und bei vertretbarem Aufwand auch nicht ermittelbar.

Zum Maßstab angeblichen Nachmeldebedarfes wurden stets nur Schätzungen gemacht. Es liegt auf der Hand, daß derartigen Schätzungen um so geringer ausfallen, je stärker der Schätzende von der Ansicht eingenommen ist, die Art sei bedroht. Und die Aufnahme in den Anhang II FFH-RL scheint ja die Bedrohung auch zu dokumentieren.

Um so größer ist dann die Überraschung, wenn bei konkreten Untersuchungen regelmäßig die alte Weisheit bestätigt wird "wer suchet, der findet". Es gibt mehr Kammmolche, als man denkt. Ein Gesamtvorkommen ist nicht zuverlässig ermittelt.

  1. Im Dunkeln liegt die Vorgehensweise, mit der der von den wissenschaftlichen Seminaren sodann festgestellte "Nachmeldebedarf", der ja an die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat gerichtet war, zwischen den einzelnen Bundesländern aufgeteilt wurde. Die Antwort der Landesregierung auf eine diesbezügliche Kleine Anfrage (Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drucksache 15/2808) bleibt hierzu leider offen. Es heißt beispielsweise für die atlantische biogeographische Region, die "betroffenen Länder hätten sich informell darüber abgestimmt", in welchem Umfang Nachmeldungen vorzunehmen seien. Maßstab sei der bisherige Anteil der Meldungen an "Referenzvorkommen des jeweiligen Landes". Zwischen den betroffenen Ländern habe Übereinstimmung bestanden, daß diejenigen Länder, die bislang den prozentual geringsten Anteil an Referenzvorkommen des jeweiligen Landes gemeldet haben, hier eine besondere Verantwortung für die Erfüllung von Nachmeldeverpflichtungen hätten.

Es kann nicht nachvollzogen werden, woher die Daten und Angaben zu den "Referenzvorkommen" stammen. Wenn "Referenzvorkommen" eine die Auswahl derart beeinflussende Bedeutung haben, so muß die eigentliche Diskussion nicht zu den Kriterien des Anhanges III FFH-RL in den jeweiligen Gebietsvorschlägen geführt werden, sondern darüber, wie die Referenzvorkommen ermittelt wurden und auf welche Quellen sich die Ermittlungen stützen. Aufteilungen des vorgeblichen Nachmeldebedarfes zwischen einzelnen Bundesländern sind der FFH-Richtlinie fremd.

Die Vorgehensweise kann nicht mit einer angeblich faktisch notwendigen Anpassung des Richtlinieninhaltes an die föderalen Verhältnisse in der Bundesrepublik gerechtfertigt werden. Der von der FFH-RL vorgesehene biologisch-fachliche Auswahlprozeß geht von der Ansehung des einzelnen Gebietes, des einzelnen Lebensraumtypes oder der einzelnen Art aus und setzt aus diesen "Einzelbausteinen" das Gesamt der Gebietsmeldung zusammen. Die gewählte Vorgehensweise verläuft dazu genau andersherum. Sie unterstellt eine vorfestgelegte Gebietskulisse und sucht die konkreten Flächen dann danach aus, ob sie in diese Liste passen. Das verstößt gegen die Auswahlsystematik der FFH-Richtlinie.

  1. Es muß leider auch davon ausgegangen werden, daß ein erheblicher Nachmeldebedarf "künstlich" durch schlampig oder nicht vollständig ausgefüllte Standarddatenbögen der ersten und zweiten Tranche erzeugt wurde. Ein Beispiel ist etwa der Gebietsvorschlag P1727-401 "Lanker See", soweit sein Westteil im Rahmen der ersten oder zweiten Tranche ausgewählt wurde. Im dazugehörenden Standarddatenbogen ist der Seenlebensraumtyp 3150 nicht genannt, obwohl er im jetzt nachgemeldeten östlichen Seeteil vorkommen soll. Wäre der Standarddatenbogen für den westlichen Seeteil zutreffend und vollständig ausgefüllt worden, wären BfN oder auch die Europäische Kommission nicht von entsprechendem Nachmeldebedarf ausgegangen. Dies sei hier nur als ein Beispiel genannt, wie sich durch Verwaltungsmängel in allen 16 Bundesländern Nachmeldebedarf gleichsam virtuell ergibt, ohne daß er von der Sache her bestünde.

Aus alledem sind nicht die richtigen Konsequenzen gezogen worden. Es wurde in aller Eile angeblich feststehender Nachmeldebedarf konstatiert und auf unsicherer Grundlage ein Beteiligungsverfahren begonnen. Wissenschaftlichen Ansprüchen, wie sie die FFH-Richtlinie voraussetzt, genügt das nicht.

  1. Das Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren leidet unter formalen Mängeln, die es in seiner Funktion entwerten.

  1. Beispielsweise weicht die Veröffentlichung im Amtsblatt für Schleswig-Holstein 2003, 437 ff. in zahlreichen Angaben von der Veröffentlichung aus dem Internet (www.natura2000-sh.de) ab. Unterschiedlich sind Angaben zu Lebensraumtypen und zu Hektarangaben. Es sind dies für die Stellungnahme sehr gravierende und bedeutsame Punkte. Da die Veröffentlichung im Internet im Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren eine erhebliche Rolle spielt und sogar die Veröffentlichung im Amtsblatt auf die Internetadresse verweist, erhält die Internetveröffentlichung für das Beteiligungsverfahren eine rechtliche Bedeutung. Die Betroffenen werden jedoch in die Irre geführt, wenn sie sich etwa auf Internetveröffentlichungen beziehen. Die Stellungnahme bleibt dann häufig zwangsläufig unvollständig, weil die Informationsgrundlage nicht verläßlich ist. Das Stellungnahmeverfahren wird zur Farce.

Wir fügen hier als Anlage 1 eine Gegenüberstellung der Angaben aus dem Internet mit den Angaben aus dem Amtsblatt bei, die die zahlreichen Differenzen nachweist.

  1. Das Beteiligungsverfahren ist im Hinblick auf § 20 c Abs. 1 LNatSchG untauglich. In der Veröffentlichung im Amtsblatt ist mit dem Zeichen "#" gekennzeichnet, welche Flächen nicht nur nach der FFH-RL sondern zugleich auch nach der VSRL ausgewählt bzw. identifiziert werden. Damit ist ein - versteckter - Hinweis auf die Rechtsgrundlagen der VS-RL verbunden, doch ist weder im Amtsblatt noch in aller Regel in den Kurzgutachten aus dem Internet ausgeführt, warum nach Ansicht des Landes das Tatbestandsmerkmal aus Artikel 4 Abs. 1 Satz 4 VS-RL erfüllt ist, wonach die "zahlen- und flächenmäßig geeignetsten" (Superlativ !) Gebiete auszuwählen sind.

Es kann deshalb zu den Flächenidentifizierungen nach der VS-RL gar nicht Stellung genommen werden, weil die entscheidenden Informationen, zu denen Stellung genommen werden muß, von Ihnen nicht vorgelegt worden sind.

Dieser Mangel kann nur dadurch geheilt werden, daß in dem für Ende des Jahres 2003 angekündigten Verfahren einer vierten Tranche zur zusätzlichen Identifizierung weiterer Vogelschutzgebiete die Beteiligung zu den 10 Vogelschutzgebieten der dritten Tranche nachgeholt und wiederholt wird.

  1. Das Land hat in der politischen Diskussion mit dem Risiko eines weiteren Vertragsverletzungsverfahrens argumentiert. Dieses Argument trägt nicht.

Anders als in dem Verfahren der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland (Rechtssache C-71/99), dem sog. ersten Vertragsverletzungsverfahren, geht es bei der dritten Tranche nicht um strukturelle Defizite der Umsetzung der Richtlinie. Es geht um die Auswahlwürdigkeit ganz konkreter Gebiete mit ganz konkreten Abgrenzungen.

Für Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Meldewürdigkeit zwischen den Mitgliedsstaaten und der Europäischen Kommission sieht die FFH-Richtlinie selbst das entsprechende Verfahren vor. Nach der Grundentscheidung der FFH-Richtlinie soll es nur für Gebiete, in denen prioritäre Lebensraumtypen bzw. Arten vorkommen, das Konzertierungsverfahren nach Art. 5 FFH-RL geben. Gebiete, in denen prioritäre Lebensraumtypen oder Arten nicht vorkommen, haben bei Nichtmeldung nicht einmal ein Konzertierungsverfahren zur Folge.

Daraus folgt: Die FFH-Richtlinie hat den Fall der Meinungsverschiedenheit hinsichtlich konkreter Gebiete und konkreter Abgrenzungen gesehen und geregelt. Das Konzertierungsverfahren geht deshalb dem Vertragsverletzungsverfahren vor. Ohne Konzertierungsverfahren besteht keine Rechtspflicht.

  1. Den im zweifelhaften Verfahren ermittelten Nachmeldebedarf hat die Landesregierung erheblich übererfüllt.

  1. Dies geht aus einem im Auftrag der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein vom renommierten Kölner Büro für Faunistik im September 2003 vorgelegten Gutachten hervor. Diese naturschutzfachliche Bewertung der FFH-Gebietstranche 3 des Landes Schleswig-Holstein fügen wir hier bei als Anlage 2. Wir beziehen uns darauf in vollem Umfang und machen die Unterlage zum Gegenstand der hiesigen Stellungnahme.

  2. Hinsichtlich der Einwendungen zu den konkreten Gebietsvorschlägen wird verwiesen auf die Stellungnahmen der hier zusammengeschlossenen Verbände und deren Mitglieder. Unser Arbeitskreis erwartet, daß jedenfalls die in diesen Einwendungen geäußerten Anregungen umgesetzt werden.

Für die im Arbeitskreis Eigentum und Naturschutz zusammengeschlossenen Organisationen und

mit freundlichen Grüßen

Dr. Giesen

Rundschreiben 14/2003