Rundschreiben 9/2003


Sehr geehrte Damen und Herren,

am Dienstag, 03.06.2003, hat das Landeskabinett wie schon in unserem letzten Rundschreiben per e-mail mitgeteilt, den ersten Beschluß zur Auswahl einer dritten Tranche von NATURA 2000 - Gebieten gefaßt.

Am Mittwochnachmittag, dem 04.06.2003, gab es eine Informationsveranstaltung für ausgewählte Verbände zu dieser "3. Tranche". Bei dieser Veranstaltung wurde eine Karte über die neuen Gebiete ausgeteilt, die wir verkleinert haben und hier als Anlage 1 beifügen. Durch die Verkleinerung leidet zwar die Genauigkeit etwas, alles Wesentliche ist aber erkennbar. Jedes neue Gebiet (dunkelgrün unterlegt) hat eine siebenstellige Nummer, die in roter Farbe neben dem Gebiet hervorgehoben ist. Zu der Karte gehört eine Liste, die wir in Anlage 2 beifügen. Hier sind nach laufenden Nummern die Gebiete mit ihren Namen, die geschätzte Größe und vor allem auch die angeblich auswahlmaßgeblichen Lebensraumtypen und Arten aufgeführt.

Die Nummern der aufgeführten Lebensraumtypen ergeben sich aus dem Anhang I FFH-RL.

Die Unterlagen lassen bereits eine sehr zuverlässige Prognose über die Einzelheiten der Gebietsauswahl zu. Diese Einzelheiten werden ab dem 01.07.2003 vom Umweltministerium unter der Adresse www.natura2000-sh.de ins Internet gestellt. Hier sollen Kurzgutachten sowie Karten im Maßstab 1 : 25.000 veröffentlicht werden.

Diese Unterlagen werden ab diesem Zeitpunkt über die Ämter und Gemeinden zu einem Beteiligungsverfahren nach dem neuen § 20 b) Abs. 1 Satz 1 LNatSchG versandt.

Es soll dann Gelegenheit zur Stellungnahme bestehen, und zwar innerhalb eines 15wöchigen Zeitraumes (6 Wochen Sommerferien + 9 Wochen Frist).

Diese Stellungnahmemöglichkeit ist eine Farce, da sich das Umweltministerium eine Vorabunterrichtung der Europäischen Kommission vorbehalten hat. Zudem sind für Juli und Oktober 2003 Gespräche des Umweltministeriums mit der Europäischen Kommission über weitere FFH- und neue Vogelschutzgebiete vorgesehen (4. Tranche). Das, was jetzt vorgelegt ist, ist also vermutlich immer noch nicht abschließend.

Insgesamt beabsichtigt das Land, 240 neue Gebiete auszuwählen. Bisher gab es 123 NATURA 2000 - Gebiete mit einer Fläche von 59.000 ha. Nun sollen 240 neue Gebiete in einem Umfang von 51.000 ha hinzukommen. Hiervon sind ca. 39.000 ha FFH-Gebiet und ca. 12.000 ha Vogelschutzgebiet. Teilweise überschneiden sich die Kategorien zusätzlich.

Damit verbunden ist eine Steigerung des NATURA 2000 - Gebietsanteiles von 5,4 % auf 7,9 % der Landfläche (Wasserflächen nicht mitgerechnet). Mit Wasserflächen (der Nationalpark Wattenmeer ist nur ein Teil der Wasserfläche !) ergibt sich ein Flächenanteil von 23,3 % der Landesfläche.

Zehn neu hinzugetretene Gebiete sind sowohl nach der FFH-Richtlinie als auch nach der Vogelschutzrichtlinie ausgewählt. Die Auswahl betrifft 7.000 ha (!) landwirtschaftliche Nutzfläche und 3.500 ha (!) Wald.

Unser Arbeitskreis wird in einer Stellungnahme die landesweit gültigen Einwände gegen die Gebietsauswahl geltend machen. Daneben ist es unerläßlich, daß jeder betroffene Eigentümer und jede betroffene Körperschaft (Gemeinden, Wasser- und Bodenverbände, Jagdgenossenschaften, Vereine etc.) ihre Einwände zu dem sie betreffenden Gebiet vortragen. Hierzu geben wir gerne jede Hilfestellung.

Wie schon bisher sollten die Betroffenen - auch wenn sie zu beklagen ist - die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes akzeptieren und in erster Linie biologisch-fachliche Einwände gegen die Gebietsauswahl vorbringen. Dies ist möglich und erfolgversprechend, weil ein weiter Beurteilungsspielraum des Landes besteht, wie ihn die Rechtsprechung zwischenzeitlich mehrfach hervorgehoben hat.

D.h., daß sich die Einwände in ihrer Struktur an Anhang III FFH-RL orientieren sollten. Für die vom Land genannten auswahlmaßgeblichen Lebensraumtypen muß Stellung genommen werden zu

  1. Vorkommen,

  2. Repräsentativität,

  3. Fläche,

  4. Erhaltungsgrad,

  5. Gesamtbeurteilung.

Für die vom Land genannten Arten sollte Stellung genommen werden zu

  1. Vorkommen,

  2. Populationsgröße und -dichte,

  3. Erhaltungsgrad,

  4. Isolierungsgrad,

  5. Gesamtbeurteilung.

Gerade bei dieser dritten Tranche wird häufig bereits das Vorkommen problematisch sein. Hier kommt es zunächst darauf an, genau zu prüfen, ob die im Gebiet vorhandene Flora und Fauna tatsächlich den von der Richtlinie genannten Lebensraumtypen und Arten entspricht. Eine Hilfestellung ist hier das von der Europäischen Kommission herausgegebene "Interpretation manual of European Union Habitats" vom Oktober 1999. Es kann über die Website unseres Arbeitskreises unter http://europa.eu.int/comm/
environment/nature/habit-en.pdf abgerufen werden. Häufig sind die im Interpretation manual aufgeführten Definitionen enger als es die Empfehlungen des Bundesamtes für Naturschutz sind, die es in dem Buch "Das Europäische Schutzgebietssystem NATURA 2000", Ssymank et alii, ISBN 3-89624-113-3, genannt hat. Die Geschäftsstelle versendet auf Anfrage gern Kopien zu einzelnen Lebensraumtypen oder Arten aus beiden Werken.

Durchaus häufig kommen die vom Land genannten Lebensraumtypen oder Arten in den Gebietsvorschlägen überhaupt nicht vor. Die Datengrundlage des Landes ist schwach. Sie beruht im wesentlich auf einer Übernahme von Angaben der Naturschutzverbände. Diese Angaben sind häufig veraltet oder in ideologischer Verkennung der Situation von Nichtfachleuten erhoben.

Die Geschäftsstelle erteilt gerne weitere Informationen zu möglichem Vortrag zu Repräsentativität, Erhaltungsgrad etc. und steht für jede Rücksprache zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Dr. Giesen


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