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Rundschreiben 6/2006 |
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Kiel, den 21.09.2006
Sehr geehrte Damen und Herren, das Kabinett beabsichtigt am kommenden Dienstag, 26.09.2006, die zweite Beschlußfassung über den Regierungsentwurf zur Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes. Diese Beschlußfassung schließt die Verbändeanhörung ab. Im Anschluß beginnt das parlamentarische Verfahren. Es mehren sich die Anzeichen, daß der zweite Regierungsentwurf die positiv zu bewertenden Neuregelungen des ersten Entwurfes verwässern und die negativen insgesamt verschärfen wird. Es steht zu befürchten, daß die Verfahrenserleichterungen bei der Eingriffs-/Ausgleichsregelung wieder fallen, die alten Landschaftsschutzgebiete nicht aufgehoben werden, das gesetzliche Verbot für NATURA 2000 - Gebiete etc. geregelt bleibt, usw. Wir erwarten mit Spannung den Kabinettsbeschluß und hoffen, daß sich unsere Befürchtungen nicht bestätigen werden. Im Vorfeld der für das Wochenende geplanten Abstimmungen im Koalitionsausschuß haben wir die als Anlage 1 beigefügte Pressemitteilung herausgegeben. Im Amtsblatt für Schleswig-Holstein vom 04.09.2006 hat das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume 46 Gebiete zu Europäischen Vogelschutzgebieten erklärt und dazu gebietsspezifische Erhaltungsziele bekanntgemacht. Es handelt sich um die aus Anlage 2 hervorgehenden Gebiete. Der 65seitigen (!) Bekanntmachung liegt eine Übersichtskarte bei, in der die Europäischen Vogelschutzgebiete in Schleswig-Holstein abgebildet sind. Mit der Bekanntmachung verknüpft die Landesregierung zwei Hoffnungen: Zum ersten ist die Bekanntmachung wohl als "förmlicher Akt" gemeint, der nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes die Europäischen Vogelschutzgebiete als solche erst konstituiert. Alle vorlaufenden Gebietsmeldungen waren ja nur informatorische Akte über die Identifizierung bestimmter Flächen als vogelschutzwürdig. Dieser förmliche Akt soll für die betroffenen Gebiete den sog. "Regimewechsel" markieren, d.h. den Übergang von einem faktischen Vogelschutzgebiet zu einem erklärten Vogelschutzgebiet. Damit findet nun nicht mehr das strenge Gebietsregime des Art. 4 Abs. 4 VSRL Anwendung, sondern über Art. 7 FFH-RL das Ausnahmen zugängliche Gebietsregime des Art. 6 FFH-RL. Im Ergebnis können also erhebliche Beeinträchtigungen auch der gebietsspezifischen Erhaltungsziele zugelassen werden, wenn
gegeben sind. Zum zweiten soll es der förmliche Akt der Schutzerklärung unwahrscheinlicher machen, daß neben den erklärten Gebieten weitere Gebiete vogelschutzwürdig sind und damit dem faktischen Vogelschutzregime unterfallen. Mit anderen Worten: Die Wahrscheinlichkeit, daß Eigentümer und Vorhabenträger vom Vogelschutzregime unbehelligt bleiben, ist gestiegen, wenn ihre Flächen in der Übersichtskarte nicht als Europäische Vogelschutzgebiete dargestellt sind. Ob beide vorbezeichneten Rechtsfolgen tatsächlich eintreten, wird abzuwarten bleiben. Abgrenzungskarten sind als PDF-Datei auch im Internet unter www.natura2000-sh.de veröffentlicht. In wenigen Wochen sollen die Erhaltungsziele zu den FFH-Gebieten folgen. Wie man hört, sollen diese den Umfang eines Buches bekommen. Der NABU - Landesverbände Hessen und Rheinland-Pfalz hatten im September vergangenen Jahres bei der Europäischen Kommission, Generaldirektion Umwelt, Sachbearbeiterinnen Doppelhammer und Kaemena eine Beschwerde eingereicht, die unter anderem die vorbildlich kurze Formulierung der Erhaltungsziele im neuen rheinland-pfälzischen Naturschutzgesetz mit den Argumenten rügte,
Die Europäische Kommission hat dieses Verfahren soweit ersichtlich nicht aufgegriffen. Die Regelungstechnik aus Rheinland-Pfalz kann also als unbeanstandet gebliebenes Vorbild empfohlen werden. Die Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission arbeitet an einem weiteren umfangreichen Papier mit Auslegungshilfen zu Rechtsvorschriften der FFH-Richtlinie. Diesmal geht es um das in Art. 17 FFH-RL geregelte Monitoring, also die dokumentative Überwachung der NATURA 2000 - Gebiete. Die Kommission nimmt hier die Mitgliedstaaten eng an die Kandarre und gibt die Einzelheiten des Berichtwesens vor. Das Dokument trägt den Titel "Assessment, monitoring and reporting under Article 17 of the Habitats Directive; explanatory notes & guidelines". Es liegt in der dritten Version eines Entwurfes vom April 2006 vor und kann von der Geschäftsstelle bezogen werden. Der Kommissionsvorschlag für eine Europäische Bodenschutzrahmenrichtlinie steht kurz vor der Veröffentlichung. Der Vorschlag ist als zwischen den Kommissaren Dimas und Verheugen hart umkämpfter Kompromiß angekündigt worden. Sofern Parlament und Rat zustimmen, wird erneuter Novellierungsdruck auf Bundes- und Landesbodenschutzgesetz wahrscheinlich. Am 01.09.2006 ist das unter dem Titel "Föderalismusreform" bekanntgewordene Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes in Kraft getreten. Diese auch in anderen Bereichen sehr tiefgreifende Verfassungsänderung bringt auch für das Umweltrecht bedeutsame Änderungen mit sich, die die klassischen politischen Konfliktlinien ändern können. Die Rahmenkompetenz wird abgeschafft. Folgende Gebiete werden in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes in Art. 74 GG eingestellt:
Im Ergebnis erhält der Bund die Möglichkeit einer Vollregelung dieser Materien, für die er bislang nur Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder erlassen konnte. Diese Verfassungsänderung ermöglicht dem Bund die Kodifizierung eines Umweltgesetzbuches. Der Entwurf eines Allgemeinen Teiles liegt bereits aus dem Jahre 1990 und der Entwurf eines Besonderen Teiles aus dem Jahre 1994 vor. Dieser Entwurf wird "Professorenentwurf" genannt nach den Verfassern Prof. Dres. Jarass, Kloepfer; Kunick, Papier, Peine, Rehbinder, Salzwedel, Schmidt-Assmann. Außerdem liegt aus dem September 1997 der Entwurf einer "unabhängigen Sachverständigenkommission" vor. Diese Entwürfe werden die Grundlage der nun vom BMU zu leistenden Redaktionsarbeit sein. Aber auch der politisch abweichende Wille der Länder wird gestärkt. Die Länder erhalten die sog. "Abweichungskompetenz". Ohne durch einen einschränkenden Tatbestand verfassungsrechtlich gebunden zu sein, können die Länder auch abweichende Regelungen treffen. Dies gilt jedoch nicht für die sog. "abweichungsfesten Kerne". Es handelt sich um
In diesen Bereichen wird sich also das zersplitterte Umweltrecht auf unmittelbar anwendbares Bundesrecht vereinheitlichen. In allen anderen Bereichen war der politische Spielraum der Länder zur bundesabweichenden Gestaltung noch nie so groß wie heute. Dies muß den Abgeordneten der Landtage immer und immer wieder ins Bewußtsein gebracht werden. Die neuen Grundgesetzartikel können in Kopie bei der Geschäftsstelle abgefordert werden. Ende Mai hat das Land Mecklenburg-Vorpommern sein Gesetz zur Modernisierung der Verwaltung verkündet: Die bestehenden zwölf Landkreise werden aufgelöst. Aus ihnen werden fünf neue Kreise gebildet, in die die bestehenden sechs kreisfreien Städte eingegliedert werden. Es wird ein Kreis Mecklenburgische Seenplatte gebildet. Ihm gehören die Gemeinden der bisherigen Landkreise Demmin, Mecklenburg-Strelitz und Müritz sowie die bisher kreisfreie Stadt Neubrandenburg an. Sitz des Kreises ist die Stadt Neubrandenburg. Es wird ein Kreis Mittleres Mecklenburg-Rostock gebildet. Ihm gehören die Gemeinden der bisherigen Landkreise Bad Doberan und Güstrow sowie die bisher kreisfreie Stadt Hansestadt Rostock an. Sitz des Kreises ist die Hansestadt Rostock. Es wird ein Kreis Nordvorpommern-Rügen gebildet. Ihm gehören die Gemeinden der bisherigen Landkreise Nordvorpommern und Rügen sowie die bisher kreisfreie Stadt Hansestadt Stralsund an. Sitz des Kreises ist die Hansestadt Stralsund. Es wird ein Kreis Südvorpommern gebildet. Ihm gehören die Gemeinden der bisherigen Landkreise Ostvorpommern und Uecker-Randow sowie die bisher kreisfreie Stadt Hansestadt Greifswald an. Sitz des Kreises ist die Hansestadt Greifswald. Es wird ein Kreis Westmecklenburg gebildet. Ihm gehören die Gemeinden der bisherigen Landkreise Ludwigslust, Nordwestmecklenburg und Parchim sowie die bisher kreisfreien Städte Landeshauptstadt Schwerin und Hansestadt Wismar an. Sitz des Kreises ist die Landeshauptstadt Schwerin. Die Kreise werden Rechtsnachfolger der in ihrem Gebiet bisher bestehenden Landkreise. Die Landräte und hauptamtlichen Beigeordneten treten mit Ablauf des Tages vor Auflösung der Landkreise in den einstweiligen Ruhestand. Die Eingliederung wird koordiniert durch Aufbaustäbe. Die Aufbaustäbe werden von den Altkreisen eingerichtet. Die Altkreise entsenden ihre Landräte in den Aufbaustab. Die Kosten für die Errichtung und Betreibung der Aufbaustäbe werden durch ein Sondervermögen Verwaltungsmodernisierung erstattet. Die Eichämter, die Seemannsämter, die Ämter für Landwirtschaft, die Schulämter, die Ämter für Raumordnung und Landesplanung, die Staatlichen Ämter für Umwelt und Natur, die Straßenbauämter sowie die Regionalen Planungsverbände werden aufgelöst. Die Aufgaben der Unteren Naturschutzbehörde werden den großen kreisangehörigen Städten übertragen, soweit nichts Anderes bestimmt ist. Gleiches gilt für die Aufgaben und Befugnisse der Unteren Bauaufsichtsbehörden sowie auch für die Aufgaben der Unteren Denkmalschutzbehörden. Insgesamt werden viele Aufgaben eine Verwaltungsebene tiefer angesiedelt. Die neuen Kreise werden zuständig etwa für Aufgaben des Straßen-, Wasserwege- oder Eisenbahnbaus, für Aufgaben der Flurneuordnung und für die Verteilung der Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik. Gleiches gilt für die Fischereiaufsicht, die Genehmigung von Flächennutzungsplänen, die Aufstellung, Fortschreibung und Verwirklichung von Regionalen Raumordnungsprogrammen, für die Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes, des Abfallrechts und viele Aufgaben des Wasserrechts. Das Gesetz vom 23.05.2006 ist eine Fundgrube an Argumenten in der derzeitigen Diskussion in Schleswig-Holstein. Es wird zur Lektüre empfohlen und kann bei der Geschäftsstelle angefordert werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem sehr grundlegenden Urteil seine Auslegung der Artenschutzregelungen in § 43 Bundesnaturschutzgesetz dargelegt. Die Entscheidung des 9. Senats vom 21.06.2006, 9 A 28.05, erging in einem von einem Landwirt angestrengten Verfahren gegen den Neubau der Ortsumgehung Stralsund. Der Landwirt hatte geltend gemacht, die Bestände geschützter Arten stünden dem Bauvorhaben entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt, daß § 43 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10.01.2006, Rs C-98/03, keine Grundlage für die Zulassung eines gegen Verbotstatbestände des § 42 Abs. 1 BNatSchG verstoßenden Straßenbauvorhabens (mehr) biete. Von diesen Verboten könne aber - ggf. noch während des gerichtlichen Verfahrens - eine Befreiung nach § 62 BNatSchG erteilt werden. Die Auslegung des Bundesverwaltungsgerichtes verschärft die Verbotstatbestände des Artenschutzrechtes. Sie erleichtert jedoch deren Durchbrechung für große Infrastrukturvorhaben des Staates. Das Bundesverwaltungsgericht belastet damit indirekt Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft. Es führt beispielsweise aus, daß
Das Bundesverwaltungsgericht wörtlich: "Könnten geschützte Gebiete nach Belieben "verlegt" werden, etwa um Raum für die Entwicklung von Ballungsgebieten zu schaffen, wäre die Verwirklichung des von den Richtlinien angestrebten kohärenten Netzes von Schutzgebieten in Frage gestellt". Die erste Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichtes hat in einem Urteil vom 23.02.2005 (1 A 243/01) zur Neuregelung des § 10 Landeswaldgesetz bei Erstaufforstungsgenehmigungen ausgeführt: "Die Gesetzesänderung hat zur Folge, daß eine Entscheidung über die Erteilung der Erstaufforstungsgenehmigung durch die Forstbehörde erforderlich ist, auch wenn zusätzlich eine Entscheidung nach § 7 a) LNatSchG nötig ist. Die Genehmigung nach § 7 a) LNatschG ist dann in der Erstaufforstungsgenehmigung der Forstbehörde eingeschlossen. Der Ablehnungsbescheid der zuständigen Naturschutzbehörde im Falle des versagten Einvernehmens ist unzweifelhaft ein Verwaltungsakt. Aber auch das positive Einvernehmen gegenüber der zuständigen Forstbehörde stellt einen Verwaltungsakt dar". Folge dieser Rechtsprechung ist, daß derjenige, der eine Erstaufforstungsgenehmigung erreichen will, mit zwei Behörden zwei Verfahren führen muß - Deregulierung und Entbürokratisierung in Schleswig-Holstein ... Derzeit läuft ein Interessenbekundungsverfahren zum Verkauf des Landeswaldes. Den Mitgliedsverbänden wird empfohlen, ihren interessierten Mitgliedern die Abgabe von Angeboten zu empfehlen. Es sollte verhindert werden, daß sich die Landesregierung aus der löblichen Ankündigung, den Landeswald zu verkaufen, mit dem Argument zurückzieht, es gebe keine Interessenten. Im Umweltrecht spielen immer wieder Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen die Mitgliedstaaten eine Rolle. In einer Mitteilung SEK (2005) 1658 hat die Europäische Kommission vor kurzem ihre allgemeine Vorgehensweise bei Vertragsverletzungen niedergelegt. Die Mitteilung hat die rechtliche Wirkung einer Selbstbindung für den Regelfall. Sie ist eine Fundgrube an Argumenten, wenn in der politischen Diskussion zur Durchsetzung von Verschärfungen im Umweltrecht mit angeblichen Sanktionen aus Vertragsverletzungsverfahren gedroht oder argumentiert wird. Immer wieder spielen in der umweltrechtlichen Praxis die wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren eine Rolle. Bei der Geschäftsstelle können die Verwaltungsvorschriften dazu in Kopie abgefordert werden. Die Landesregierung beabsichtigt, die Änderung des Ausführungsgesetzes zum Wasserverbandsgesetz und die Novellierung als Landeswasserverbandsgesetz. Dies kündigte Umweltminister Dr. Christian von Boetticher anläßlich der Bundestagung des DBVW e.V. am 05.09.2006 in Brunsbüttel an. Über die Inhalte ist noch wenig bekannt. Es wird damit gerechnet, daß es Änderungen bei den Beitragsmaßstäben geben wird. In ihrer Sitzung am 05.09.2006 hat die Landesregierung ein neues "Zukunftsprogramm ländlicher Raum" verabschiedet. Das Programm steckt den finanziellen Rahmen der Förderung im ländlichen Raum für die Jahre 2007 bis 2013 ab und löst das bisherige Programm "Zukunft auf dem Land" ab, das zum Jahresende ausläuft. Das neue Programm bedarf noch der Ratifizierung durch die Europäische Union. Vorgesehen sind 480 Mio. Euro für die Förderung des ländlichen Raumes, von denen ca. die Hälfte aus Mitteln der Europäischen Union stammt. Das Protokoll der Mitgliederversammlung 2006 ist beigefügt als Anlage 3. Im Anschluß an die Mitgliederversammlung hat es eine sehr lebhafte Diskussion mit dem Umweltminister Dr. Christian von Boetticher gegeben, der noch einmal seine positiven Ansätze für Deregulierung und Entbürokratisierung zusammengefaßt hat. Der Minister zeigte sich in einzelnen Punkten, die unser Arbeitskreis am Regierungsentwurf des Naturschutzgesetzes kritisiert hatte, interessiert und versprach eine abwägende Prüfung. gez. Dr. Giesen Anlagen |