Rundschreiben 5/2001


Sonderausgabe EU-Wasserrahmenrichtlinie

Sehr geehrte Damen und Herren,

aus aktuellem Anlaß ist dieses Rundschreiben der am 22.12.2000 in Kraft getretenen EU-Wasserrahmenrichtlinie gewidmet. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie wird ganz erhebliche Auswirkungen auf das Wasserrecht haben, also insbesondere auf den Ausbau oder die Unterhaltung von Gewässern, Ent- und Bewässerung, die Ausweisung von Wasserschutzgebieten, Abwasser- und Kläranlagen, auf die Struktur der Wasserbeschaffungs- und Gewässerunterhaltungsverbände sowie das Beitragswesen.

Die "Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik" (WRRL) ist im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 327/1 vom 22.12.2000 veröffentlicht. Der Text der Richtlinie kann hier (PDF) bzw. unter der Rubrik Materialien/Archiv eingesehen, heruntergeladen und ausgedruckt werden (Zum Lesen dieser Richtlinie wird der Adobe Acrobat Reader benötigt. In der Rubrik Materialien/Archiv befindet sich ein Link, über den dieser bei Bedarf heruntergeladen werden kann). Die Geschäftsstelle hält auf Abruf einige Exemplare der Richtlinie zur Versendung bereit. Den Mitgliedern wird dringend empfohlen, sich in die Sprache der umfangreichen Richtlinie und insbesondere in die wichtigen Definitionen des Anhanges V einzulesen.

Die Wasserrahmenrichtlinie gilt flächendeckend für alle Gewässer Europas - für Oberflächengewässer einschließlich der Küstengewässer sowie für das Grundwasser - unabhängig von deren Nutzung. Während das Deutsche Wasserrecht bisher durch regionale Besonderheiten, starke gewachsene Traditionen und rahmenrechtliche Zurückhaltung des Bundesgesetzgebers geprägt war, betrachtet die Richtlinie nunmehr die Gewässer selbst mit deren Auenbereichen und Einzugsgebieten als eine Einheit.

Ziel der Wasserrahmenrichtlinie ist es, nach einheitlichen Kriterien innerhalb der Europäischen Union einen guten ökologischen Zustand der Gewässer zu erreichen. Mit der Richtlinie werden neue, einheitliche Instrumente in das europäische Wasserrecht eingeführt. Sie beinhalten insbesondere:

  •  eine flußeinzugsgebietsbezogene Bewirtschaftung der Gewässer,

  •  ganzheitliche Bewertungsansätze für das Grundwasser und Oberflächengewässer einschließlich der Übergangs- und Küstengewässer,

  •  neben chemischen auch strukturelle und biologische Güteziele für die Gewässer,

  • sowie verbindliche und relativ kurze Fristen für das Erreichen dieser Ziele.

Die WRRL ist bis zum Jahr 2003 in nationales Recht umzusetzen. Bis zum Jahre 2004 haben die Mitgliedstaaten die Merkmale der Flußgebiete und die "Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten" entsprechend der Anhänge II und III WRRL zu analysieren. Bis zum Jahre 2006 sind einheitliche Meßprogramme zur Gewässerzustandsüberwachung aufzustellen. Daraus sind bis zum Jahr 2009 Maßnahmenprogramme zur Erreichung der (außerordentlich ehrgeizigen) Umweltziele abzuleiten und es sind bis zu diesem Zeitpunkt die Bewirtschaftungspläne für die Flußgebietseinheiten zu veröffentlichen. Insbesondere für die Aufstellung der Bewirtschaftungspläne gibt Art. 14 WRRL die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Information und Anhörung der Öffentlichkeit vor.

  1. Rechtliche Umsetzung

Art. 24 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Umsetzung in nationales Recht. Dazu werden sowohl das Wasserhaushaltsgesetz wie auch die Landeswassergesetze geändert sowie eine Reihe von Verordnungen erlassen werden müssen, für die z.T. die Ermächtigungsnormen in den Landeswassergesetzen bislang fehlen.

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat mit Schreiben vom 18.05.2001 den Entwurf eines 7. Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes "Gesetz zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie" (Referentenentwurf) vorgelegt. Dieser Entwurf ist ebenfalls auf der Homepage unseres Arbeitskreises im Internet oder von der Geschäftsstelle in Kopie abrufbar.

  1. Organisatorische Vorgaben

Art. 3 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten die organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Bewirtschaftung der Gewässer bezogen auf ihre Einzugsgebiete erfolgt.

Hierzu stehen einige Einschnitte in die Organisation und in die Gebietsaufteilung der Wasser- und Bodenverbände bevor. Die Abteilung Wasserwirtschaft des MUNF hat die nachfolgende Karte ausgegeben (für eine größere Ansicht bitte auf die Grafik klicken) :

Daraus ergibt sich, daß Schleswig-Holstein in drei große Flußgebietseinheiten aufgeteilt wird: Eider, Elbe und Schlei/Trave. Bemerkenswert dabei ist, daß die Flußgebietseinheit Elbe bis heran an den Dänischen Wohld reicht.

Die Flußgebietseinheiten wiederum sollen in sog. "Bearbeitungsgebiete" aufgeteilt werden. Die Flußgebietseinheit Eider soll in die Bearbeitungsgebiete Arlau, Eider/Treene und Miele aufgeteilt werden. Die Flußgebietseinheit Elbe soll in die Bearbeitungsgebiete Nord-Ostsee-Kanal, Stör und Bille/Krückau aufgeteilt werden. Die Flußgebietseinheit Schlei/Trave soll aufgeteilt werden in die Bearbeitungsgebiete Schlei, Ostsee, Schwentine und Trave.

Diese Aufteilung berücksichtigt Verwaltungsgrenzen nicht. Sie überschreitet Gemeinde-, Amts- und Kreisgrenzen.

Die Wasser- und Bodenverbände werden unter größtmöglicher Wahrung und Stärkung ihres Selbstverwaltungsrechtes Gebietszuschnitte zu finden haben, die diesen Vorgaben gerecht werden.

Bislang hat die Abteilung Wasserwirtschaft im MUNF es abgelehnt, auch die wasserbehördliche Organisation der Gebietsaufteilung anzupassen. Es hat jedoch wenig Sinn, die Wasser- und Bodenverbände auf hydrologische Einzugsgebiete zuzuschneiden, die Aufsichtsbehörden jedoch nach wie vor an Kreisgrenzen zu orientieren. Daß zwei oder mehr Kreise als Untere Wasserbehörde für ein Bearbeitungsgebiet zuständig sind, ist untragbar. Die Wasserbehörden sind aufgefordert, Flexibilität in der Anpassung an die WRRL nicht nur von anderen zu fordern, sondern auch selbst zu beweisen. Denkbar wäre es beispielsweise, die bisherigen Zuständigkeiten der Unteren Wasserbehörde bei den Kreisen auf die Ämter für ländliche Räume zu übertragen und deren Zuständigkeitsbereiche an den Flußgebietseinheiten zu orientieren.

  1. Auswirkungen auf Eigentümer und Selbstverwaltungskörperschaften

Die Auswirkungen der WRRL sind weitreichend und bislang nur erahnbar. Wahrscheinlich ist, daß es in den Verbänden eine neue Beitragsstruktur geben wird.

Von maßgeblichen Kräften wird folgendes neue Beitragsgefüge favorisiert:

Während bisher § 43 Landeswassergesetz von einem einheitlichen Grundbeitrag in Höhe einer Beitragseinheit pro veranlagter Fläche sowie Zuschlägen bei besonderen Vorteilen oder besonderer Erschwerung der Unterhaltung sowie Abschlägen für wasserhaushalterisch vorteilhafte Flächen ausging, soll es drei neue Beitragsschwerpunkte geben:

Mit einem modifizierten Flächenbeitrag werden die Kosten der Gewässerunterhaltung auf die Fläche mit grober Differenzierung entsprechend der Nutzung umgelegt.

Hinzu kommt ein besonderer Schutzbeitrag, der entsprechend der Gefährdung des Wertes von Grundstück, Gebäuden usw. nach dem Wertmaßstab ermittelt wird, der sich evtl. am Grundsteuermeßbetrag orientiert.

Schließlich soll es einen "Pro-Kopf-Beitrag" geben, der die unterschiedliche Besiedelungs- und Wirtschaftsdichte in den verschiedenen Gebieten berücksichtigt.

Es wird eine Herausforderung insbesondere für die Wasser- und Bodenverbände sein, bei neuen Beitragsstrukturen keine versteckten Beitragserhöhungen einzuführen und das Beitragsaufkommen gleichmäßig zu halten. Immer stärker werden sich die neuen Beitragsstrukturen bei der Definition des herkömmlichen Vorteilsbegriffes auswirken. Während bislang der wasserrechtliche Vorteil und damit die Höhe der Beiträge nahezu ausschließlich ökonomisch bestimmt wurde, wird fortan eine mehr oder weniger große ökologische Komponente einfließen. Sofern hier nicht rechtzeitig gegengesteuert wird, könnte dies eine Umlage von Allgemeinkosten auf wenige Eigentümer bedeuten.

Hier öffnet sich ein weiter Anwendungsbereich für ein richtig verstandenes Subsidiaritätsprinzip.

Auf Anfrage verschickt die Geschäftsstelle den

  • Bericht der Landesregierung zur Information des Umweltausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 20.02.2001 "Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in Schleswig-Holstein",

  • einen juristischen Fachaufsatz (Faßbender, NVwZ 2001, 241 ff.: Gemeinschaftsrechtliche Anforderungen an die normative Umsetzung der neuen EG-Wasserrahmenrichtlinie)

  • sowie den Aufsatz des Geschäftsführers des Niedersächsischen Landesverbandes der Wasser- und Bodenverbände (Freiherr von Steinaecker, Wasser und Boden 2001, S. 39 ff: Die Auswirkungen der Wasserrahmenrichtlinie auf die Unterhaltungsverbände in Norddeutschland).

Die Mitglieder werden gebeten, Anregungen und Erwartungen an die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie an die Geschäftsstelle mitzuteilen, damit sich der Arbeitskreis positionieren kann.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Dr. Giesen


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