Die
Ausdrucksweise "überarbeitet" läßt die Möglichkeit offen, daß auch
bereits gelistete Gebiete wieder von der Liste gestrichen werden. In
Anbetracht der Erwägensgründe legt sich die Kommission nicht fest, ob
sie nur Erweiterungen der Liste noch vornehmen will.
Der
vorläufige Charakter der Liste wirft viele Fragen auf. Beispielsweise
ist unklar, ob eine nur vorläufige Liste zum Gegenstand einer
Nichtigkeitsfeststellungsklage gemacht werden kann. Andererseits ist
fraglich, ob auf eine nur vorläufige Liste nationale Umsetzungsakte
gestützt werden dürfen, oder ob diese ihrerseits unter dem Vorbehalt der
Vorläufigkeit stehen.
Eines
jedenfalls ist sicher:
Mit einer
vorläufigen Liste wird keine Rechtssicherheit erreicht. Hektik,
Zeitdruck und Fehler bei der Erstellung der nationalen Vorschlagslisten
waren nicht veranlaßt.
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Musterklage
Vor dem
Europäischen Gericht erster Instanz läuft eine Musterklage gegen die
Listung. Es klagen Eigentümer und eine Gemeinde, denen Rechtsschutz gegen
die nationale Auswahlentscheidung mit dem Argument versagt wurde, die
Nichtigkeitsklage sei ein zumutbarer Rechtsbehelf.
Man wird
gespannt sein dürfen, ob das Europäische Gericht diese Vorfestlegung durch
die nationalen Gerichte gut heißt. Nähere Informationen über die
Musterklage sind bei der Geschäftsstelle erhältlich. Über den Fortgang
werden wir hier unterrichten.
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Verwaltungsgericht Schleswig zu § 20 d) Abs. 4 Satz 3 LNatSchG
Die erste
Kammer des S.-H. Verwaltungsgerichtes hat einen bemerkenswerten Beschluß
gefaßt, der sich intensiv mit der Vorschrift nach § 20 d) Abs. 4 Satz 3
LNatSchG auseinandersetzt. Diese Vorschrift ist mit der letzten
Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes eingefügt worden; andere
Bundesländer kennen sie in dieser Form nicht. Nach der Vorschrift gilt ein
vorläufiges Beeinträchtigungsverbot für die der Europäischen Kommission
gemeldeten FFH-Gebietsvorschläge.
Der Beginn
des gesetzlichen Schutzes wird damit von der Bekanntgabe der
Listungsentscheidung vorverlagert auf den Zeitpunkt der Meldung.
Das
Verwaltungsgericht entschärft die Vorschrift durch eine "aus dem Hut
gezauberte", in den Tatbestand ungeschrieben hineingelesene Voraussetzung.
Das Verwaltungsgericht wörtlich:
"Wenn § 20
d) Abs. 4 Satz 3 LNatSchG den Eintritt des vorläufigen
Beeinträchtigungsverbotes (auch) von der Meldung der Auswahlentscheidung
an die Kommission abhängig macht, also von einer verwaltungsinternen
Handlung, so wird man für den Eintritt des vorläufigen Verbotes
zusätzlich fordern müssen, daß die Tatsache der Meldung an die
Kommission ebenfalls öffentlich bekanntgemacht wird oder zumindest dieser
Umstand aus der Veröffentlichung der Auswahlentscheidung zu erkennen ist,
weil etwa auf die Geltung des vorläufigen Beeinträchtigungsverbotes nach
dieser Vorschrift in der Veröffentlichung hingewiesen wird". (Hervorhebung
durch den Verfasser)
Diese
richterrechtliche Erweiterung des Tatbestandes aus § 20 d) Abs. 4 Satz 3
LNatSchG ist aus unserer Sicht differenziert zu würdigen:
Materiell-rechtlich entschärft der Spruch des Verwaltungsgerichtes die
Reichweite des FFH-Schutzregimes bei noch nicht gelisteten Gebieten
erheblich. Bislang sind in Schleswig-Holstein die vom Verwaltungsgericht
geforderten Veröffentlichungsakte ja nicht erfolgt. Demgemäß unterliegen
die von der Auswahlentscheidung betroffenen Flächen nach wie vor keinem
vorläufigen Beeinträchtigungsverbot.
Andererseits
ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Landesregierung entsprechende
Veröffentlichungsakte vornimmt. Ein vorläufiges Beeinträchtigungsverbot
ist also nur aufgeschoben, nicht aufgehoben.
In
prozessualer Hinsicht führt die Entscheidung des Gerichts wiederum zu dem
Ergebnis, daß Rechtsschutz gegen die Auswahlentscheidung der
Landesregierung versagt wird.
Das
Verwaltungsgericht hat sich für seine sehr grundsätzliche Entscheidung ein
Verfahren ausgesucht, das anders als andere Gebiete nicht im Lichte der
Öffentlichkeit stand. Die in diesen Verfahren noch ausstehenden
Entscheidungen werden auf die hier besprochene Entscheidung verweisen. Die
Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
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Umsetzung
durch LSG
Mit
Verordnung vom 27.10.2004 hat der Kreis Stormarn das Travetal zwischen
Lokfeld und Lübecker Stadtgrenze unter Landschaftsschutz gestellt. Die
Unterschutzstellung ist insofern bemerkenswert, als sie ausweislich von §
3 Abs. 1 Ziffer 1 auch den Schutzzweck hat, die FFH-Richtlinie umzusetzen.
Damit liegt in Schleswig-Holstein ein zitierfähiges Beispiel vor, daß es
zur Umsetzung der FFH-Richtlinie nicht zwingend eines Naturschutzgebietes
bedarf, sondern Landschaftsschutz ausreicht.
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Nationale
Bewertung durch die Länder ?
Der
Geschäftsstelle liegt ein Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit vor, in dem es mitteilt, daß in
Deutschland die Auswahl und Abgrenzung der FFH-Vorschlagsgebiete und der
Europäischen Vogelschutzgebiete in die Zuständigkeit der Länder falle.
Diese seien auch für die nationale Beurteilung der relativen
Bedeutung der Gebiete für die einzelnen Lebensraumtypen und Arten
zuständig. Es fragt sich, wie die auf ihr Gebiet beschränkten Länder dies
gewährleisten können.
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WRRL: Erste Berichte nach Art. 5 Flußgebietseinheit Elbe
Für die
Flußgebietseinheit liegt ein Bericht der Flußgebietsgemeinschaft nach Art.
5 WRRL vor. Die Flußgebietsgemeinschaft wird gebildet aus den
Bundesländern, die im Einzugsbereich der Elbe liegen (10) und der
Bundesrepublik Deutschland. Der Bericht analysiert die Gewässer in der
Flußgebietseinheit und überprüft die Umweltauswirkungen menschlicher
Tätigkeiten darauf. Außerdem wird eine wirtschaftliche Analyse der
Wassernutzung vorgenommen und es sind Schutzgebiete verzeichnet. Nur Teil
"A" hat 109 Seiten.
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Umweltinformationsgesetz: Neue Frist neue Frist für Auskünfte
Das
Umweltinformationsgesetz, ein in der Praxis wichtiges Arbeitsmittel, ist
neugestaltet worden. Jede Person hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch
auf freien Zugang zu Umweltinformationen, ohne ein rechtliches
Interesse darlegen zu müssen. Der Zugang kann durch
Auskunftserteilung, Gewährung von Akteneinsicht oder in sonstiger Weise
eröffnet werden. Der Anspruch muß fristgebunden erfüllt werden. Die Frist
beginnt mit Eingang des Antrags bei der informationspflichtigen Stelle,
die über die Informationen verfügt, und endet grundsätzlich mit Ablauf
eines Monats und nur, soweit Umweltinformationen derart umfangreich und
komplex sind, daß diese Frist nicht eingehalten werden kann, mit Ablauf
von zwei Monaten.
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Rechtsprechung
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Bundesverwaltungsgericht zu Überschwemmungsgebiet
Das
Bundesverwaltungsgericht hat mit einem Urteil vom 22.07.2004
Grundsätzliches zur Festsetzung von Überschwemmungsgebieten ausgeführt:
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Die
gesetzliche Begriffsbestimmung des § 32 Abs. 1 Satz 1 WHG erfaßt alle
Gebiete, die bei Hochwasser überschwemmt oder durchflossen werden. Bebaute
Ortslagen sind von diesem Schicksal nicht ausgenommen. Ihre Einbeziehung
in das Überschwemmungsgebiet ist regelmäßig erforderlich.
-
Es
verstößt auch nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, in ein
Überschwemmungsgebiet solche Grundstücke einzubeziehen, die nach § 34
BauGB bebaubar sind. Die Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets bestimmt
Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG,
stellt aber keine Enteignung i.S. des Art. 14 Abs. 3 GG dar. ... Sie ist
insbesondere dem Eigentümer zumutbar. Es bedarf nicht erst eines
finanziellen Ausgleichs, um im Einzelfall diese Zumutbarkeit zu wahren.
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Der
Hochwasserschutz ist eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang.
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Eine
Ausnahme kann nicht genehmigt werden, wenn und soweit durch die
Verwirklichung des Vorhabens der Wasserabfluß, die Höhe des Wasserstandes
oder die Wasserrückhaltung beeinflußt werden können. ... Das Bauverbot
knüpft an die natürliche Lage des Grundstücks an einem Gewässer und in
dessen natürlichem Überschwemmungsgebiet an. Unabhängig von der
rechtlichen Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets legt diese Lage
Beschränkungen in der Nutzung des Grundstücks nicht nur vernünftigerweise
nahe, sondern gebietet sie auch.
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Die
förmliche Festsetzung des Überschwemmungsgebiets verschiebt die
Verfahrenslast. Die Baugenehmigungsbehörde kann sich zunächst auf die
Festsetzung des Überschwemmungsgebiets berufen und steht nicht von
vornherein vor der Notwendigkeit nachzuweisen, daß Gründe des
Hochwasserschutzes einer Bebauung des Grundstücks entgegenstehen. Vielmehr
ist es Aufgabe des Eigentümers, darzutun, daß eine Bebauung des
Grundstücks mit den Belangen des Hochwasserschutzes vereinbar ist.
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Werden
bebaute Ortsteile in ein Überschwemmungsgebiet einbezogen, wird damit auch
die gemeindliche Planungshoheit nicht unverhältnismäßig eingeschränkt.
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Die
Obere Wasserbehörde hat als Bemessungsgrundlage für die Ausdehnung des
festzustellenden Überschwemmungsgebiets ein Hochwasser herangezogen, wie
es statistisch im Laufe von 50 Jahren einmal auftritt. ... Erheblich ist
eine Änderung, wenn in ihrer Folge ein Grundstück von einem 50jährlichen
Hochwasser nicht mehr erfaßt wird und deshalb nicht in das
Überschwemmungsgebiet hätte einbezogen werden dürfen.
Die
Entscheidung wird die im Sonderrundschreiben "Hochwasserschutz" (12/2004)
dargestellte Brisanz künftiger Hochwasserschutzregelungen für
Schleswig-Holstein noch steigern.
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OVG
Schleswig zum naturschutzrechtlichen Vorkaufsrecht
Das
Oberverwaltungsgericht Schleswig hat das naturschutzrechtliche
Vorkaufsrecht erheblich entschärft. Nach dem Urteil des ersten Senats vom
08.07.2004 kann eine an Flurstücksgrenzen "klebende"
Vorkaufsrechtsausübung ermessensfehlerhaft und damit dann im Ganzen
rechtswidrig sein.
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OVG
Lüneburg zur Sportfischerei
Das
Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 08.08.2004 sehr
wichtige Leitsätze für das Verhältnis von Fischerei- und Jagdrecht
gegenüber dem Naturschutzrecht ausgesprochen. Anlaß war die Aufhebung von
Vorschriften einer Naturschutzverordnung "Leineaue zwischen Ruthe und
Koldingen" in einem von einer Fischereigenossenschaft angestrengten
Normenkontrollverfahren.
Das
Oberverwaltungsgericht hat das mit der Verordnung ausgesprochene
vollständige Verbot der Fischereiausübung mit der Begründung aufgehoben,
die Gruppe der Sportfischer werde unzulässigerweise anders behandelt als
die Gruppe der Jäger. Darin liege ein Verstoß gegen Art. 3 GG, weil
zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und Gewicht
bestehen, daß sie die insoweit gegebene Ungleichbehandlung rechtfertigen
könnten. Die ordnungsgemäße Jagdausübung war nämlich von den Verboten der
Verordnung grundsätzlich ausgenommen worden.
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Bundesverwaltungsgericht zur Drittanfechtung wasserrechtlicher Erlaubnisse
Mit
Beschluß vom 06.09.2004 hat das Bundesverwaltungsgericht geklärt, daß die
wasserrechtliche Erlaubnis öffentlich-rechtlichen Drittschutz beinhaltet.
Insoweit können dann Dritte, die nicht Adressaten der Erlaubnis sind,
diese Erlaubnis auch anfechten. Die Klagebefugnis reicht nicht so weit wie
die bei Planfeststellungsbeschlüssen. Für die Begründetheit einer Klage
kommt es darauf an, ob die Nachteile der erlaubten Gewässernutzung für den
Dritten nur geringfügig sind oder nicht.
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Verwaltungsgericht Schleswig zur Entschädigung für Naturschutzauflagen
In mehreren
Entscheidungen hat die zuständige erste Kammer des Verwaltungsgerichtes
ihre Rechtsauffassung bestätigt, daß die bloße Beschränkung einer
vorhandenen Nutzungsart für einen Entschädigungsanspruch nach § 42 Abs. 1
Nr. 1 LNatSchG nicht ausreiche. Sie sei als Ausdruck der
Situationsgebundenheit des Grundstücks entschädigungslos hinzunehmen. Nur
bei einem Wechsel der Nutzungsart sei dies entschädigungsbedürftig.
Auch soll
nicht entschädigungsbedürftig sein, was als Ertragsschwankung bei der
Nutzung eines Grundstücks auch ansonsten auftreten könne.
Diese
Rechtsprechung ist außerordentlich problematisch und es bleibt abzuwarten,
ob sie höheren Instanzen standhält.
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Bundesverfassungsgericht zur Reichweite von Rahmenrecht
Das
Bundesverfassungsgericht hebt neuerdings immer wieder die nur beschränkte
Kompetenz des Bundes zum Erlaß von Rahmenrecht hervor. Dieser "Trend" der
Rechtsprechung ist auch für das Verhältnis vom Bundes- zum
Landesnaturschutzrecht relevant. Das Bundesverfassungsgericht verhilft der
Grundgesetzänderung aus dem Jahr 1994 zur Wirksamkeit:
"In der
Grundgesetzänderung ist die klare Anweisung des verfassungsändernden
Gesetzgebers an das Bundesverfassungsgericht zu sehen, seine bisherige,
als korrekturbedürftig bewertete Rechtsprechung zu ändern".
Der
Landesgesetzgeber darf nicht darauf beschränkt werden, "wie eine
nachgeordnete Instanz lediglich eine Bundesregelung zu exekutieren".
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Bundesgerichtshof zum Grenzbaum
Im Urteil
vom 02.07.2004 hat der Bundesgerichtshof einen umstrittenen Bereich des
Nachbarrechts geklärt:
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Ein Baum ist
Grenzbaum, wenn sein Stamm dort, wo er aus dem Boden heraustritt, von der
Grundstücksgrenze durchschnitten wird.
-
Jedem
Grundstückseigentümer gehört der Teil des Grenzbaumes, der sich auf seinem
Grundstück befindet (vertikal geteiltes Eigentum).
-
Jeder
Grundstückseigentümer ist für den ihm gehörenden Teil eines Grenzbaumes in
demselben Umfang verkehrssicherungspflichtig wie für einen vollständig auf
seinem Grundstück stehenden Baum.
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Verletzt jeder Eigentümer die ihm hinsichtlich des ihm gehörenden Teils
eines Grenzbaumes obliegende Verkehrssicherungspflicht, ist für den ihm
daraus entstandenen Schaden eine Haftungsverteilung nach § 254 BGB
vorzunehmen.
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Sonstiges
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Öko-Konto
Mit
Drucksache 15/3399 hat die Landesregierung einen interessanten Überblick
über die Praxis der Kreise und kreisfreien Städte zum Öko-Konto vorgelegt.
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EUGRIS
Unter der
Adresse www.eugris.info steht ein Europäisches Informationssystem
für Boden und Grundwasser der Öffentlichkeit im Internet zur Verfügung.
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Mehr Geld
in den Schaalsee
Nach dem mit
40 Mio. DM dotierten Naturschutzprojekt einer Region von "gesamtstaatlich
repräsentativer Bedeutung" fließt nun weiteres Geld in den Schaalsee. Das
neue Projekt umfaßt 4,8 Mio. €, an denen der Bund mit 3,4 Mio. € beteiligt
ist. Den Rest übernehmen der Zweckverband Schaalseelandschaft, die
Umweltstiftung WWF sowie die Landesregierungen von Mecklenburg-Vorpommern
und Schleswig-Holstein. Das Geld soll erneut für den Ankauf weiterer
Flächen und deren Management aufgewendet werden.
gez. Dr.
Giesen