Rundschreiben 2/2004


1. 5 (!) Tranche FFH
2. Vogelschutz
  a) Kosten
  b) fragwürdiges Konzept

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir können Sie mit hoch aktuellen und brisanten Informationen versorgen:

  1. 5 (!) Tranche FFH

Das Umweltministerium arbeitet an einer fünften Tranche von FFH-Gebieten. Betroffen sind noch einmal 25 sehr großflächige Gebiete. Die Gebiete wurden offensichtlich von sog. "Experten" gewünscht; zur Zeit arbeitet eine "geheime Task-Force" im Ministerium an Daten, die die Auswahl nachträglich rechtfertigen sollen.

Sie finden dazu beigefügt als

Anlage 1

einen entsprechenden Vorgang aus dem Umweltministerium, der die geradezu unglaubliche Arbeitsweise dokumentiert. Der Vorgang belegt, daß

  1. die Daten auf eine Auswahl zugeschnitten werden, die aus anderen Gründen bereits vorher feststeht,

  2. die Naturschutzbürokratie trotz gigantischem Aufwand offenbar immer noch nicht ihre Hausaufgaben gemacht hat,

  3. die angeblichen "Nachmeldebedarf" generierenden Zirkel Insider-Runden von Ökofundamentalisten sind

und

  1. die Überlegungen, die Häfen und Industriebereiche auszuwählen, die Maßlosigkeit der Verwaltung und die Konturenlosigkeit der Richtlinie belegt.

Minister Müller hat nun alle Gelegenheit, den Vorgang zu dementieren.

^

  1. Vogelschutz

  1. Kosten

Umweltminister Müller hat im Kabinett die jährlichen (!) Kosten für die Umsetzung der vierten Tranche von Vogelschutzgebieten mit 7,3 Mio. € angegeben. Offen blieb, was mit "Umsetzung" gemeint war. In Anbetracht der Tatsache, daß eine von der Europäischen Kommission eingesetzte Arbeitsgruppe zu Art.8 der Habitatrichtlinie in ihrem Abschlußbericht durchschnittliche Verwaltungskosten für NATURA 2000 - Gebiete von 95,00 € pro Jahr und Hektar errechnet, sind vermutlich in der von Minister Müller angegebenen Zahl ebenfalls nur Verwaltungskosten berücksichtigt. Finanzminister Stegner stellt dazu keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung, d.h. die Mittel müssen aus vorhandenen Haushaltstiteln umgeschichtet werden. Umweltminister Müller beabsichtigt, 5 Mio. € aus den durch Modulation frei gewordenen landwirtschaftlichen Geldern zu verwenden. Es sperrt sich dagegen Innenminister Buß.

Rechnet man die für die vierte Tranche genannte Summe von 7,3 Mio. € auf 53.539 ha Landfläche, die mit Vogelschutz belegt werden sollen (entspricht ca. 136,00 € pro Hektar), und rechnet man weiter diese Zahl nur auf die überwiegend an Land belegenen Vogelschutzflächen der Tranchen 1 - 3 hoch (erste Tranche 38.433,11 ha; zweite Tranche 109.985,00 ha und dritte Tranche 10.040,00 ha; Einzelheiten der Berechnung Anlage 2), so ergibt sich ein jährlicher Verwaltungsaufwand nur für Vogelschutz von 21,55 Mio. €.

Notwendige Entschädigungsleistungen und Aufwendungen für real wirksame Schutzleistungen sind darin nicht enthalten.

Zur Erinnerung: Bei einem Gesamthaushalt von ca. 7,7 Mrd. € lag die Nettokreditaufnahme des Landes Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr 2003 bei ca. 1,2 Mrd. € (entsprechend ca. 17 %). Alleine für den Schuldendienst nur dieses eines Haushaltsjahres muß das Land (ohne Tilgung !) jährlich 85 Mio. € aufbringen. Die Gesamtverschuldung beträgt rund 20 Mrd. € und die jährliche Zinslast daraus rund 900 Mio. €, entsprechend 11,2 % aller Ausgaben.

Hinzu kommen die Kosten aus der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in Höhe von rund 46 Mio. € jährlich (fest für die nächsten 15 Jahre; Bericht des MUNF vom 25.09.2001; vgl. auch Protokoll zur Mitgliederversammlung vom 15.04.2002, unser Rundschreiben 5/2002), ca. 10 Mio. € jährliches Defizit aus dem Landeswald (ständig steigende Tendenz; unsere Rundschreiben Nr. 4/2000 und 1/2004) und ca. 16 Mio. € für die Verwaltung nur der an Land gelegenen FFH-Flächen. Letzterer Ansatz errechnet sich auf der Grundlage des oben angesprochenen Abschlußberichtes und der

Anlage 2.

Die Zahlen dürften niedrig gegriffen sein und vermutlich höher ausfallen. Der Abschlußbericht kann bei der Geschäftsstelle abgefordert werden.

Es ergibt sich ein jährlicher Verwaltungskostenaufwand von rund 93,55 Mio. € - und noch keinem Fisch, keinem Vogel und keinem stickoxidgeschädigten Baum geht es besser. Es kreißt der Berg und gebiert in der Sache ein Mäuslein - in der Verwaltung allerdings eine Mäuseplage, um im Bild zu bleiben.

Erahnt man hierzu die Drosselungswirkungen bürokratischer Naturschutzauflagen auf die Wirtschaft, so steht einer der Hauptverantwortlichen für die desaströse Finanzlage des Landes fest.

Noch einmal: Es geht nicht um ein Weniger im Schutz der Schöpfung, es geht um ein Weniger im Staat und in der Bürokratie.

  1. Fragwürdiges Konzept

Mit Rundschreiben 11/2003 hatten wir kritisiert, daß das MUNL für die "Top Five - Liste" ausschließlich quantitative Kriterien anwendet und damit den Tatbestand aus Art. 4 Abs. 1 VSRL ("zahlen- und flächenmäßig geeignetste Gebiete") verkürzt. Daraus hat das MUNL gelernt und erklärt in seiner nunmehrigen Veröffentlichung des Konzeptes, eingeflossen seien auch qualitative Kriterien. Diese werden jedoch nur genannt und nicht inhaltlich nachvollziehbar dargestellt.

Notwendig wäre es, nicht nur eine Top Five - Liste zu veröffentlichen, sondern das gesamte Ranking, damit erkennbar wird, welches Kriterium für welches Gebiet zu welchem Rang führt.

gez. Dr. Giesen


Anfang