Rundschreiben 1/2009

Kiel, den 14.01.2009


Durchbruch im Rechtsschutz gegen die Listung von FFH-Gebieten?

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Europäische Gerichtshof steht vor einer Entscheidung, die einen späten Durchbruch im Rechtsschutz gegen die Listung von FFH-Gebieten bedeuten könnte. Der Europäische Gerichtshof wird nach allem, was zu erwarten ist, Rechtsstandpunkte unseres Arbeitskreises bestätigen; für die Betroffenen kommt die Entscheidung gleichwohl zu spät.

Worum geht es:

FFH-Gebiete entstehen gemäß Art. 4 Abs. 2 FFH-RL bekanntlich durch den Listungsakt der Europäischen Kommission. Für die schleswig-holsteinischen FFH-Gebiete sind die maßgeblichen Entscheidungen der Europäischen Kommission im Dezember 2004 getroffen und im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlich worden.

Eine Gruppe von zehn betroffenen Eigentümern und Gemeinden hatte daraufhin eine Nichtigkeitsklage zum Europäischen Gericht erster Instanz (EuG) erhoben (Rechtssache T-80/05). Über diese Nichtigkeitsklage hat das EuG am 19.09.2006 entschieden. Die Klage wurde mit dem Argument abgewiesen, es fehle an der individuellen und unmittelbaren Betroffenheit der Eigentümer und Gemeinden durch die Listungsentscheidung, die für die Zulässigkeit der Klage Voraussetzung sei (wir berichteten mit Rundschreiben 7/2006).

So war es auch Klägern aus Finnland ergangen, die mit der Nichtigkeitsklage gegen die Listungsentscheidung der Kommission für die Listung der finnischen FFH-Gebiete in der Borealen Biogeographischen Region vorgegangen waren. Mit Beschluß vom 22.06.2006 hatte das EuG die finnische Klage ebenfalls zurückgewiesen. Auch eine aus Bayern für die Alpine Biogeographische Region angestrengte Klage (Rechtssache T-136/04) ging verloren (Beschluß ebenfalls vom 22.06.2006).

Anders als die Deutschen gaben sich die Finnen damit aber nicht zufrieden. Sie legten Rechtsmittel zum Europäischen Gerichtshof ein. Am 23.10.2008 hat nun der Generalanwalt in dieser Rechtssache (C-362/06 P) seine Schlußanträge gehalten. Üblicherweise folgt der Europäische Gerichtshof diesen Schlußanträgen.

Der Generalanwalt führt aus, daß die Listungsentscheidung sowohl individuelle als auch unmittelbare Wirkung auf die Eigentümer habe. Der Generalanwalt wörtlich:

„Die Entscheidung führt zu neuen Einschränkungen der Rechte der Grundeigentümer, die zu dem Zeitpunkt, in dem diese sie erworben haben, nicht bestanden, und die ihre Ausübung erschweren. Aufgrund der streitigen Entscheidung können die Grundeigentümer ihre Flächen nicht mehr bewirtschaften oder verkaufen, ohne daß die Einstufung ihrer Grundstücke als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung hierbei Berücksichtigung fände. Die Auswirkungen der streitigen Entscheidung auf ihre Situation können sich also in einem wirtschaftlichen oder sozialen Schaden zeigen, der durch eine Wertminderung der Flächen oder aber die vollständige oder teilweise Aufgabe der land- oder forstwirtschaftlichen Tätigkeit entsteht. Sie können auch in einer Reihe von Beschränkungen der Ausübung der mit dem Eigentum verknüpften Rechte zum Ausdruck kommen, denn sobald diese Flächen als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung eingestuft sind, sind sie mit den neuen Pflichten belastet.“

Der Generalanwalt folgt mit dieser Einschätzung, die er im einzelnen auch mit rechtlichen Argumenten noch untermauert exakt unserer seinerzeitigen Argumentation. Sollte der Europäische Gerichtshof dem folgen, entsteht nicht nur für die finnischen Kläger, sondern auch für die seinerzeitigen deutschen Kläger eine neue Situation.

Für die finnischen Kläger würde der Rechtsstreit an das Europäische Gericht verwiesen, das in der Folge dann über die Klagen in der Sache zu entscheiden hätte.

Für die deutschen Kläger wäre zu prüfen, ob Gründe für eine Wiederaufnahme der Verfahren infolge dieser fundamentalen Rechtsprechungsänderung bestehen.

Der Schlußantrag des Generalanwaltes kann bei der Geschäftsstelle abgefordert werden.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Dr. Giesen


Anfang