Rundschreiben 1/2004


1. Vogelschutz
2. FFH
3. Offshore-Bundes-Schutzgebiete
4. "Aukruger Weg"
5. Landeswaldgesetz
6. Bundesjagdgesetz
7. Rechtsprechung
8. Steuerrecht
  1. Vogelschutz

Die Landesregierung hat ihre Ankündigung (unser Rundschreiben 11/2003) wahr gemacht und am 20.01.2003 weitere Flächen zur Meldung als EU-Vogelschutzgebiete vorgeschlagen. Das Beteiligungsverfahren nach § 20 c) LNatSchG wurde eröffnet.

Betroffen sind rund 53.500 ha Fläche an Land und rund 98.400 ha auf dem Meer, insgesamt rund 152.000 ha, entsprechend 8,2 % der Landesfläche.

Über die 11 Gebiete wird im Internet umfassend informiert (www.natura2000-sh.de). Auch gute Karten sind dort einseh- und ausdruckbar. Auf Nachfrage stellt die Geschäftsstelle gern nähere Informationen zur Verfügung.

Auf den Beschluß der Landesregierung hat unser Arbeitskreis mit der als Anlage 1 beigefügten Pressemitteilung reagiert (abgedruckt u.a. in den KN vom 21.01.2004, S.1).

Das Bundesverwaltungsgericht hebt in seiner neueren Rechtsprechung zum Vogelschutz die bestehenden Beurteilungsspielräume hervor.

In einem Urteil vom 14.11.2002 sagt es folgendes zum ornithologischen Beurteilungsspielraum:

 "Unterschiedliche fachliche Wertungen sind möglich. Die Nichtmeldung eines Gebiets ist nicht zu beanstanden, wenn sie fachwissenschaftlich vertretbar ist. Die Vertretbarkeitskontrolle umfaßt auch die Netzbildung in den einzelnen Bundesländern, hat aber auch insoweit den Beurteilungsrahmen der Länder zu beachten. In dem Maße, in dem sich die Gebietsvorschläge eines Landes zu einem kohärenten Netz verdichten, verringert sich die richterliche Kontrolldichte. Mit dem Fortschreiten des mitgliedstaatlichen Auswahl- und Meldeverfahrens steigen die prozessualen Darlegungsanforderungen für die Behauptung, es gebe ein (nicht erklärtes) "faktisches" Vogelschutzgebiet, das eine "Lücke im Netz" schließen solle. Die Identifizierung europäischer Vogelschutzgebiete hat sich ausschließlich an ornithologischen Kriterien zu orientieren. Eine Abwägung mit anderen Belangen findet nicht statt". (Natur und Recht 2003, 360 ff.)

In einem Beschluß vom 26.03.2003 hebt das Bundesverwaltungsgericht hervor:

"Der EuGH verwendet die IBA-Daten nicht als eigenständige Rechtsquelle, wählt sie aber als ein wissenschaftliches Erkenntnismittel, dem ein hoher Beweiswert zukommt".

Mit anderen Worten: Die Definition der ornithologischen Kriterien ist Sache des Landes Schleswig-Holstein. Die Landesregierung hat einen Spielraum. Dieser Spielraum kann zugunsten von Eigentum und kommunaler Selbstverwaltung genutzt werden, ohne daß europarechtliche Sanktionen die Folge wären. Die Ausweisung der von der Landesregierung vorgeschlagenen Gebiete und Grenzen ist also keineswegs zwingend.

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  1. FFH

Der das Beteiligungsverfahren abschließende Kabinettsbeschluß ist auf den 02.03.2004 angesetzt. Nach Informationen aus dem Umweltministerium soll der Kabinettsbeschluß auch weitere, bisher noch nicht in die Vorschlagsliste einbezogene Flächen für die Auswahl vorsehen. Er wird deshalb insoweit ein weiteres Beteiligungsverfahren eröffnen - die fünfte Tranche !

  1. Bei der Geschäftsstelle können die in den Kurzgutachten angegeben Datensammlungen abgefordert werden, die für den großen Flächenumfang der ausgewählten dritten FFH-Tranche verantwortlich sind:

  • Voß/Grell: Vorkommen von Kammolch und Rotbauchunke in der NATURA 2000 - Gebietskulisse der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung, Gutachten im Auftrag des LANU, Kiel, Februar 2001,

  • Voß/Grell/Grell: Vorkommen von Kammolch und Rotbauchunke in der NATURA 2000 - Gebietskulisse Schleswig-Holsteins, Gutachten im Auftrag des LANU, Kiel, Mai 2003,

  • Wiese: Untersuchung der Bestandssituation der Windelschnecken, Vertigo angustior, Vertigo geyeri und Vertigo moulinsiana in Schleswig-Holstein, Gutachten im Auftrag des LANU, Cismar, Januar 2002,

  • Neumann: Gebietsauswahl für Rundmaul- und Fischarten des Anhangs II der FFH-Richtlinie in der von der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung beschlossenen NATURA 2000 - Gebietskulisse, Gutachten im Auftrag des LANU, Kiel, Oktober 2003.

Das LANU hat schon vor Abschluß des Auswahlverfahrens für die zweite Tranche und noch im laufenden Beteiligungsverfahren für die dritte Tranche teure Gutachten mit dem Ziel bestellt, Nachmeldeforderungen seitens des Bundesamtes für Naturschutz und seitens der Europäischen Kommission zu unterstützen.

  1. Die Landräte der Kreise Ostholstein, Herzogtum Lauenburg und Segeberg sowie der Bürgermeister der Hansestadt Lübeck haben sich wegen der "unabsehbaren Folgen zu Lasten der Schaffung und Sicherung von Beschäftigung in unserem Land" an die Ministerpräsidentin gewandt. Der am 31.10.2003 bei der Ministerpräsidentin eingegangene Brief kann in Kopie bei der Geschäftsstelle abgefordert werden.

  2. Im Rahmen der Schaffung einer sogenannten „Umwelthaftungsrichtlinie“ hat sich der Rat der Europäischen Umweltminister am 13. Juni 2003 darauf verständigt, daß sich die verschuldensabhängige Haftung für reine Umweltschäden (sogenannte Biodiversitätsschäden) räumlich und inhaltlich auf die Natura-2000-Gebiete beschränken soll. Zuvor war das Europäische Parlament übereingekommen, daß sich die Haftung auf alle Tiere und Pflanzen, die sich in FFH-Gebieten und anderen nationalen Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten aufhalten, beziehen sollte. Außerdem sieht der Kompromissvorschlag des Rates der Europäischen Umweltminister vor, daß sich Betreiber von den Sanierungskosten befreien können, soweit nachgewiesen werden kann, daß der Betreiber nicht schuldhaft gehandelt hat und der Umweltschaden z. B. auf genehmigte Emissionen zurückzuführen ist.

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  1. Offshore-Bundes-Schutzgebiete

Die Landfläche der Bundesrepublik reicht für neue Schutzgebiete nicht mehr aus. Der Bund beabsichtigt deshalb, Schutzgebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone der Bundesrepublik Deutschland in der Nordsee und in der Ostsee auszuweisen. Bei der Ausschließlichen Wirtschaftszone handelt es sich um den Meeresbereich zwischen der 12-Seemeilen- und der 200-Seemeilen-Grenze. Die Flächen liegen also zwischen dem durch die 12-Seemeilen-Linie umgrenzten Hoheitsgebiet der Bundesrepublik und der "Hohen See" außerhalb der 200-Seemeilen-Grenze. Die Flächen der Ausschließlichen Wirtschaftszone sind für zahlreiche Nutzungsarten (Rohstoffgewinnung, Fischerei, Energieerzeugung etc.) außerordentlich interessant.

Die Schutzverordnungen sollen nach dem neu geschaffenen § 38 a) BNatSchG ohne Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren ergehen. Unser Arbeitskreis hat im vorgeschalteten fachlichen Beteiligungsverfahren die in Abschrift als Anlage 2 beigefügte Stellungnahme abgegeben.

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  1. "Aukruger Weg"

Im Aukrug ist unter der Überschrift "Aukruger Weg" ein richtungsweisendes Konzept für Naturschutz ohne Ordnungsrecht erstellt worden. Anlaß war die Absicht des Kreises Rendsburg-Eckernförde im Aukrug ein sehr großes Landschaftsschutzgebiet auszuweisen. Diese Ausweisung soll durch das Konzept ersetzt werden. Das Konzept trägt eindrucksvoll die nichtstaatlichen Naturschutzleistungen im Aukrug zusammen und kann bei der Geschäftsstelle abgefordert werden.

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  1. Landeswaldgesetz

Das Betriebsergebnis der Landesforsten des Landes Schleswig-Holstein ist seit 1977 negativ und zwar mit stark steigender Tendenz. Aus den Forstberichten der Landesregierung ergibt sich folgendes Bild (Alle Angaben, soweit aus den Forstberichten zu entnehmen, in DM je Hektar Holzbodenfläche.): 

Jahr Ergebnis
1977 - 139,20 DM
1978 - 151,10 DM
1979 - 254,00 DM
1980 - 253,30 DM
1981 - 311,80 DM
1982 - 353,10 DM
1983 - 321,10 DM
1984 - 340,00 DM
1985 - 408,80 DM
1986 - 313,30 DM
1987 - 403,40 DM
1988 - 445,30 DM
1989 - 403,00 DM
1990 - 414,03 DM
1991 - 515,46 DM
1992 - 452,05 DM
1993 - 502,95 DM
1994 bis 1997

durchschnittlich - 422,55 DM

Insgesamt ergibt sich also für die Jahre 1977 bis 1997 ein durchschnittliches Jahresdefizit von - 365,33 DM pro Jahr und Hektar Landeswald.

Seit 1997 wurde gesetzeswidrig kein Forstbericht der Landesregierung mehr erstellt. Während im ersten Forstbericht das Defizit noch ausdrücklich errechnet wird, bleibt es in den folgenden Forstberichten dem Leser überlassen, das Defizit zu errechnen. Im zweiten und dritten Forstbericht sind hierfür die erforderlichen Angaben klar beziffert enthalten. Im vierten Forstbericht wird nur noch auf den Gesamtzuschußbedarf des Landesforstbetriebes abgestellt, der dann im fünften Forstbericht auch nur noch durchschnittlich und auf den gesamten Berichtszeitraum bezogen angegeben wird.

Man kann also sagen, daß das wirtschaftliche Ergebnis des dem Land gehörenden Waldes bewußt verschleiert wird.

Die privaten Forstbetriebe hatten bis auf das Sturmjahr 1991 durchweg ein positives Betriebsergebnis, und zwar auch ohne Förderung.

Jedes Jahr subventioniert der Steuerzahler den defizitären Wald im Besitz des Landes mit rund 10 Mio. €. Dies ist angesichts der Lage des Landeshaushalts und der vielen vorrangigen Aufgabenfelder in den Bereichen Bildung, Kultur, Soziales etc. nicht zu rechtfertigen.

Abhilfe kann geschaffen werden durch:

  1. Die jährliche Vorlage aussagekräftiger Betriebsergebnisse an den Landtag.

  2. Verkauf staatlicher Splitterflächen.

  3. Neuorganisation der landeseigenen Wälder als Landesbetrieb nach Haushaltsordnung.

  4. Verlagerung des kläglichen Restes an hoheitlichen Funktionen auf die Kreise, die ohnehin als Jagdbehörde mit der Materie befaßt sind.

Der Staatswald würde dann den Steuerzahler kein Geld kosten, sondern im Gegenteil dem Landeshaushalt sogar Einnahmen verschaffen. Die Wettbewerbsverzerrung zum Privatwald würde beendet.

Das Problem des strukturellen Defizits bei der Bewirtschaftung des landeseigenen Waldes wird in der Novellierung des Landeswaldgesetzes weder gesehen, noch behoben - und das angesichts der desolaten Finanzsituation des Landes.

Der Arbeitskreis hat zur Novellierung des Landeswaldgesetzes die in Abschrift als Anlage 3 beigefügte Stellungnahme abgegeben.

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  1. Bundesjagdgesetz

Bei der Geschäftsstelle liegt ein internes Arbeitspapier des BMVEL zur Novellierung des Bundesjagdgesetzes vor. Dieses Arbeitspapier besteht bereits aus dem Formulierungsvorschlag für das neue Recht mit Erläuterungen.

Diejenigen, die dieses Rundschreiben per e-mail erhalten, finden das umfangreiche Papier als Anlage 4 (Word-Dokument, zum Download: rechte Maustaste und "Ziel speichern unter...") hier beigefügt. Die anderen können es bei der Geschäftsstelle in Kopie abfordern.

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  1. Rechtsprechung

  1. Nach einem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.04.2003 gebietet Art. 14 Abs. 1 GG keine gesetzlichen Vorkehrungen dafür, daß Wasserschutzgebietsverordnungen nur unter gleichzeitiger Festsetzung erforderlicher kompensatorischer Maßnahmen für die betroffenen Grundstücke erlassen werden. Das Bundesverwaltungsgericht stellt sich damit auch für Wasserschutzverordnungen gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (Beschluß vom 02.03.1999), nachdem es diese Position schon zuvor für Naturschutzverordnungen eingenommen hatte (Urteil vom 31.01.2001).

  1. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat unter dem 23.01.2003 ein sehr wichtiges Urteil zum Gebietsschutz durch Naturschutzverordnung gesprochen: Eine Verordnung stellte ein ca. 330 ha großes Gebiet zwischen Wackernheim und Mainz unter Naturschutz. Im Rechtsetzungsverfahren hatte der Verordnungsgeber die betroffenen Landwirte beschwichtigt, es werde mit der Verordnung keine Einschränkung der ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Bodennutzung geben. Von der Landwirtschaftsklausel sei beispielsweise auch die Umwandlung der bisher intensiv genutzten Hochstammobstanlagen in Niederstammplantagen bzw. in Spargelanbauflächen gedeckt.

Das Gericht hat festgestellt, daß das, was der Verordnungsgeber offenbar subjektiv wollte, objektiv-rechtlich von der Landwirtschaftsklausel nicht gedeckt ist. Sie stellt den Wechsel der Kulturart eben nicht frei. Das Oberverwaltungsgericht hat die Verordnung wegen der "offensichtlichen Inkongruenz zwischen der Zielvorstellung des Verordnungsgebers und der verordnungstechnischen Umsetzung" für nichtig erklärt.

Das Urteil wurde möglich, weil der Verordnungsgeber seine Motive in umfangreichen Verwaltungsvorgängen niedergelegt hat. Daraus ist die Nutzlehre zu ziehen, daß vor und in Rechtsetzungsverfahren über die ökologischen Zielvorstellungen intensiv diskutiert werden muß.

  1. In einer lange erwarteten Entscheidung hat der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes mit Beschluß vom 05.12.2002 zur Verfassungsmäßigkeit von Wasserverbänden erkannt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob das Grundgesetz es zulasse, daß Organe der Wasserverbände nicht in einer ununterbrochenen Legitimationskette vom Volk zu den mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Amtswaltern stehen. Diese Bedenken betrafen Arbeitnehmervertreter in den Leitungsgremien der Verbände, welche nach Vorschlägen des Personalrats von der Verbandsversammlung gewählt werden, wobei drei Arbeitnehmer gewählt werden müssen, die in einem Beschäftigungsverhältnis zu dem Verband stehen, und zwei weitere, die keine Beschäftigten des Verbands sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Konstruktion mit der Erwägung abgesegnet, daß in einem Bereich "funktionaler Selbstverwaltung" eine Durchbrechung des Demokratie- und des Rechtsstaatsprinzips zulässig sei. Durch Gesetz dürfe der Gesetzgeber außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung und der gemeindlichen Selbstverwaltung Organisationsformen schaffen, die vom Erfordernis lückenloser personeller demokratischer Legitimation aller Entscheidungsbefugten abweichen.

Die Entscheidung hat sehr grundsätzliche Bedeutung für Selbstverwaltungskörperschaften, die gerade im landwirtschaftlichen Bereich häufig vorkommen (Landwirtschaftskammer, Wasser- und Bodenverbände einschließlich Landesverband etc.).

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  1. Steuerrecht

Nach der Praxis der Finanzverwaltungen sind Entschädigungen, die für naturschutzbedingte Nutzungsbeschränkungen gezahlt werden, einkommensteuerpflichtig. Dies ist im Gesetzgebungsverfahren insbesondere zu § 42 Abs. 4 LNatSchG nicht ausreichend berücksichtigt worden. Nach der Vorschrift können die Naturschutzbehörden vom Eigentümer die Übertragung des Eigentums verlangen, wenn die an ihn zu zahlende Entschädigung mehr als 50 % des Verkehrswertes betragen würde. In der Praxis drohen die Naturschutzbehörden mit der Übernahme, um die Entschädigungsberechtigten zur freiwilligen Reduzierung ihrer Forderung auf 50 % des Verkehrswertes zu veranlassen. Im Ergebnis dieser Praxis verbleibt beim Bürger als Opfer eines staatlichen Eingriffes lediglich ein gutes Viertel des vollen Wertes des Genommenen.

gez. Dr. Giesen


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