Rundschreiben 12/2004


Sonderausgabe

Hochwasserschutz

Sehr geehrte Damen und Herren,

die verwaltungsmäßige Umsetzung der im Anschluß an das Sommerhochwasser 2002 verabschiedeten politischen Vorgaben zum Hochwasserschutz ist mit großer Brisanz in der Fläche angelaufen; die Brisanz liegt weniger in der Steuerung zukünftiger Nutzungen und Planungen, als vielmehr in angekündigten Eingriffen in bestehende Nutzungen und Planungen.

In einer ersten Umsetzungsstufe hat das MUNL Schleswig-Holstein für das Jahr 2005 die Aufstellung eines "Gesamtplan Binnenhochwasserschutz" vorgesehen. Nach ministeriumsinterner Erarbeitung soll ein erster Entwurf im Kabinett beschlossen werden. Sodann soll die Anhörung der Verbände erfolgen. Ein überarbeiteter Entwurf soll dann Gegenstand einer zweiten Kabinettsbefassung sein.

Der Gesamtplan Binnenhochwasserschutz soll insbesondere die Methoden zur Ermittlung von Überschwemmungsgebieten und von überschwemmungsgefährdeten Gebieten darstellen. Als überschwemmungsgefährdete Gebiete können Flächen angesprochen werden, die bei einem Bruch von Deichen oder anderen öffentlichen Hochwasserschutzeinrichtungen überschwemmt werden. Derartige Gebiete können also sehr weitläufig sein und teils alten Bestand an Baulichkeiten, Anlagen, Nutzungen etc. einbeziehen.

In einer zweiten Umsetzungsstufe sollen die Methoden aus dem Gesamtplan Binnenhochwasserschutz zur Ermittlung konkreter Überschwemmungsgebiete und überschwemmungsgefährdeter Gebiete u.a. mit dem Ziel angewendet werden, die Ergebnisse als Vorrang- und Vorbehaltsgebiete in die Raumordnungsplanung zu übernehmen. Hier ist mit starken Bindungen der kommunalen Planungshoheit zu rechnen.

In einer dritten Umsetzungsstufe sollen Rechtsetzungsverfahren zur Festsetzung von Überschwemmungsgebieten und überschwemmungsgefährdeten Gebieten durch Landesverordnung durchgeführt werden. Hier ist mit empfindlichen Beschränkungen auch vorhandener Nutzungen zu rechnen. 

Fachliche Grundlagen dieser auf einen Zeitraum von ca. fünf Jahren angelegten drei Umsetzungsstufen sind zum einen die von der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser herausgegebenen Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der Leitlinien für einen zukunftsweisenden Hochwasserschutz und zum anderen der Bericht der Landesregierung zum nachhaltigen Hochwasserschutz in Schleswig-Holstein (LT-Drs 15/2435).

Wesentliche Ausschnitte aus den LAWA-Handlungsempfehlungen sind in Kopie beigefügt als Anlage 1. Wesentliche Ausschnitte aus dem Bericht der Landesregierung ("Schlußfolgerungen und Konsequenzen"; S. 81 - 90) sind beigefügt als Anlage 2. Die vollständigen Unterlagen können im Internet hier bzw. hier eingesehen oder in Kopie von der Geschäftsstelle abgefordert werden.

Die Rechtsgrundlagen sind in Anlage 3 dokumentiert.

Derzeit wird im Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat das Hochwasserschutzgesetz beraten. Dieses Artikelgesetz sieht auch Änderungen des Wasserhaushaltsgesetzes vor. Beabsichtigt sind neue Rahmenregelungen zu den Überschwemmungsgebieten und den überschwemmungsgefährdeten Gebieten in den §§ 31 b) und 31 c) WHG.

Für das Einzugsgebiet der Stör läuft ein Pilotprojekt. Ziel des Projektes ist es u.a. herauszufinden, welche Methoden zur Bestimmung welcher Hochwasserlinie und damit zur Abgrenzung eines Gebietes führen. Ein entsprechender Gutachtenauftrag ist an die Universität Hamburg-Harburg vergeben worden.

Die Ermittlung der Hochwasserlinien erfolgt grundsätzlich in einem dreistufigen Verfahren. Erstens werden die Pegelstände ermittelt und ausgewertet, die aus dem Netz der Gewässerüberwachung gewonnen werden. Zweitens müssen diese Punktdaten in flächige Wasserstände umgerechnet werden. Drittens müssen die errechneten Wasserstände auf die gemessenen Geländehöhen übertragen werden.

Auf jeder der drei Stufen stellen sich zahlreiche fachliche Fragen. Beispielsweise sind bei der Errechnung der Wasserstände aus den Pegelpunkten Abflußbeiwerte zu berücksichtigen, für deren Berechnung es mehrere wasserwirtschaftliche Theorien gibt. Auch sind die Daten der Vermessungsverwaltung zu den Höhenlinien oft ungenau. Deshalb wird derzeit eine landesweite Befliegung durchgeführt. Schließlich ist zu bestimmen, auf welches Wiederkehrintervall die Hochwasserlinien ermittelt werden sollen (z.B. 50-, 100- oder 200jähriges Hochwasser (HQ)).

Die Problematik wird großflächige Bedeutung erlangen. An Wasserläufen haben sich seit jeher bevorzugt Gewerbe, Industrie und Siedlung etabliert. Die von der LAWA empfohlene "beschleunigte Einführung von Nutzungsbeschränkungen" (Handlungsempfehlungen S. 18) wirft erhebliche Entschädigungsfragen auf.

gez. Dr. Giesen


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