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Kleine Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes beschlossen
Am Mittwoch, dem 24. Oktober 2007, beschloß der Deutsche Bundestag nach langer
Diskussion mit den Stimmen der Koalition die sog. Kleine Novelle des
Bundesnaturschutzgesetzes. Am 9. November 2007 passierte der Gesetzentwurf den
Bundesrat. Mit dem Inkrafttreten der neuen Vorschriften ist im Laufe des
Monats Dezember 2007 zu rechnen.
In den Bundestagsdrucksachen 16/5100 und 16/6780 sind die einzelnen Änderungen
des Bundesnaturschutzgesetzes und auch die Geschichte deren streitiger
Verhandlung festgehalten. Die Drucksachen werden eine erhebliche Bedeutung bei
der juristischen Auslegung der schließlich beschlossenen Rechtstexte haben.
Diese enthalten eine Vielzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen und regeln den
heftig umstrittenen Projektbegriff bewußt nicht.
Worum ging es ? Mit Urteil vom 10. Januar 2006 hatte der Europäische
Gerichtshof festgestellt, daß das Bundesnaturschutzgesetz in einzelnen
Regelungen den Artenschutzvorschriften der Art. 12 bis 16 FFH-Richtlinie nicht
entspricht. Folge dieses Urteiles war rechtlich zweierlei: Zum ersten war die
Diskussion über die unmittelbare Anwendung des Europäischen Rechts eröffnet.
Zum zweiten entstand die Pflicht für den deutschen Gesetzgeber, das
Bundesnaturschutzgesetz den europarechtlichen Vorgaben anzupassen.
Auch inhaltlich betraf die Diskussion zwei Problemkreise. Neben dem
Artenschutzrecht hatte der Europäische Gerichtshof gerügt, daß das
Bundesnaturschutzgesetz die Definition dessen, was ein Projekt ist,
europarechtswidrig verkürzt. Der Projektbegriff ist maßgeblich für das
Gebietsschutzregime nach der FFH-Richtlinie. Nur was ein Projekt ist, bedarf
der Verträglichkeitsprüfung. Fraglich war, ob alles, was geeignet ist,
Gebietserhaltungsziele erheblich zu beeinträchtigen, der
Verträglichkeitsprüfungspflicht und ggf. dem Unzulässigkeitseinwand
unterliegt.
Auf Drucksache 16/5100 wurde in einem ersten Durchgang ein Gesetzentwurf zur
Änderung der §§ 42 und 43 BNatSchG vorgelegt. Mit der Neufassung der
artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände in § 42 Abs. 1 BNatSchG und der
Aufhebung des § 43 Abs. 4 BNatSchG sollte das Ziel verfolgt werden, in
Übereinstimmung mit der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie jede Beschädigung
oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten sowie jede erhebliche
Störung streng geschützter Arten während der Fortpflanzungs-, Aufzuchts-,
Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten zu verbieten. Dabei wird
zwischen „besonders“, „streng“ und europäisch geschützten Arten unterschieden.
Einer Umsetzung in Landesrecht bedürfen diese bundesrechtlichen Vorgaben nicht
mehr; sie gelten unmittelbar.
Zugleich wurde § 42 BNatSchG um die neuen Absätze 4 und 5 ergänzt. Sie regeln
bereichsspezifische Ausnahmen für das vorstehend geschilderte, sehr umfassende
Verbot. Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sollen dem Verbot nicht
unterfallen, solange sie sich an die Regeln der guten fachlichen Praxis
halten. Sind allerdings europäisch geschützte Arten betroffen, gilt die
Freistellung für die gute fachliche Praxis nur, soweit sich der
Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die
Bewirtschaftung nicht verschlechtert.
Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch
Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche
Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die
zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- und
Fischereiwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Ein
beeinträchtigtes Artenindividuum reicht also nicht, um die Kaskade der
Rechtsfolgen auszulösen.
Für den baurechtlich wichtigen Bereich von Eingriffsvorhaben wird der
Verbotstatbestand eingeschränkt, soweit die ökologische Funktion der
von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im
räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Wegen der flächenhaften Brisanz der vorstehend skizzierten Regelungen war
darüber im Gesetzgebungsverfahren lange gestritten worden. Der Streit weitete
sich im Laufe des Verfahrens auf den Projektbegriff aus. Ursprünglich war
beabsichtigt, die gute fachliche Praxis der Land-, Forst- und
Fischereiwirtschaft auch vom Projektbegriff freizustellen um
Verträglichkeitsprüfungen für die tägliche Wirtschaftsweise zu vermeiden. Dann
brachte sich die Europäische Kommission ins Gesetzgebungsverfahren ein. Sie
behauptete, ihr lägen u.a. zahlreiche Beschwerdeverfahren zu intensivem
Holzeinschlag in FFH-Gebieten vor. Eine Regelvermutung für die gute fachliche
Praxis reiche vor diesem Hintergrund nicht aus. Es gebe Projekte, die im
Rahmen guter fachlicher Praxis erfolgten, gleichwohl aber im potentiellen
Konflikt zur FFH-Richtlinie stünden. Die Regelvermutung müsse deshalb Grenzen
haben.
Darüber, wo diese Grenzen liegen, ist lange gestritten worden.
Man verständigte sich im Umweltausschuß des Bundestages schließlich darauf,
den Auslöser der Kontroverse, nämlich den Projektbegriff ganz aus dem
Bundesnaturschutzgesetz zu streichen.
§ 10 Abs. 1 Ziffer 11 BNatSchG nannte als Projekte bisher u.a.
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Maßnahmen innerhalb eines NATURA 2000 ‑ Gebiets, sofern sie einer
behördlichen Entscheidung oder einer Anzeige an eine Behörde bedürfen oder
von einer Behörde durchgeführt werden,
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Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne der Eingriffs-
Ausgleichsregelung,
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nach BImSchG genehmigungsbedürftige Anlagen sowie zulassungsbedürftige
Gewässerbenutzungen nach dem Wasserhaushaltsgesetz,
soweit sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten und Plänen,
geeignet sind, ein NATURA 2000 ‑ Gebiet erheblich zu beeinträchtigen.
Diese Definition wird zur Gänze gestrichen. Welche menschliche Handlung oder
Unterlassung die Rechtsfolgen des FFH-Gebietsschutzregimes zukünftig auslöst,
ist im Gesetzestext selbst nicht mehr geregelt.
Statt dessen ist der Gesetzesbegründung als Auslegungsmaterial beigegeben
worden, der Vorhabenbegriff des UVP-Rechts sei maßgeblicher Anhaltspunkt für
die Auslegung und Anwendung des Projektbegriffs. Diesem unterfielen die
Errichtung oder Änderung von baulichen oder sonstigen Anlagen sowie die
Durchführung einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme.
Die gute fachliche Praxis der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sei in
der Regel kein Projekt.
Auch § 34 BNatSchG wird neu gefaßt und damit eine Anzeigepflicht
eingeführt. Wegen des genauen Wortlautes wird auf die Drucksache 16/6780
verwiesen. Im Rahmen des hier zur Verfügung stehenden Raumes kann die
Vorschrift verkürzt in etwa wie folgt wiedergegeben werden:
Bedarf ein Projekt nach anderen als naturschutzrechtlichen Rechtsvorschriften
weder behördlicher Entscheidung noch Anzeige, so ist es der für Naturschutz
und Landschaftspflege zuständigen Behörde anzuzeigen. Die Naturschutzbehörde
kann die Vorlage der zur Prüfung erforderlichen Unterlagen verlangen und die
Durchführung des Projekts zeitlich befristen oder anderweitig beschränken, um
die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Trifft die
Behörde innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige keine Entscheidung,
kann mit der Durchführung des Projekts begonnen werden. Wird mit der
Durchführung eines Projekts ohne die erforderliche Anzeige begonnen, kann die
Behörde die vorläufige Einstellung anordnen. Liegen die
Genehmigungsvoraussetzungen nicht vor, hat die Behörde die Durchführung des
Projektbegriffs zu untersagen. Strengere Schutzvorschriften bleiben unberührt.
Damit ergibt sich die mißliche Situation, daß ein Projekt zwar den Behörden
angezeigt werden muß, niemand aber verläßlich weiß und auch durch einen Blick
in den Gesetzestext nicht feststellen kann, was ein Projekt ist.
Die praktische Durchführung der Regelung wird deshalb auf erhebliche
Schwierigkeiten stoßen.
Diejenigen, die Eingriffe planen, werden gut daran tun, die Maßnahmen kurz vor
ihrer Durchführung anzuzeigen. Eine Rechtspflicht, auf die Entscheidung der
Behörde zu warten, besteht nicht. Mit diesem Vorgehen verliert die
Naturschutzbehörde die Möglichkeit, alleine formal wegen der Tatsache einer
unterlassenen Anzeige die vorläufige Einstellung anzuordnen. In einem unter
Umständen nachlaufenden Verfahren muß die Behörde dann die materiellen
Voraussetzungen prüfen.
Der Gesetzgeber jedenfalls darf sich nicht wundern, wenn auf „mediterranen
Vollzug“ angelegte Vorschriften ‑ so ein geflügeltes Wort aus dem
Gesetzgebungsverfahren - von den Betroffenen hemdsärmelig gehandhabt werden.
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Referentenentwurf UGB liegt vor
Der Referentenentwurf für das Jahrhundertprojekt „Umweltgesetzbuch“ (UGB)
liegt vor. Bekanntlich ist zur Schaffung der hierfür erforderlichen
Bundeskompetenzen das Grundgesetz geändert worden. Das UGB soll das geltende
Recht ersetzen.
Es besteht eine Vereinbarung in der Großen Koalition, zunächst die Materien zu
regeln, die der Ressortzuständigkeit des BMU unterfallen. Das
Gesetzgebungsverfahren ist mit großem Schwung angelaufen. Derzeit läuft auf
Bundesebene die Ressortabstimmung. Es wird damit gerechnet, daß Ende
Januar 2008 / Anfang Februar 2008 eine Verbändebeteiligung erfolgen soll.
Bitte informieren Sie Ihre Bundesverbände.
Vorgelegt sind die Entwürfe für
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Buch I (Prinzipien des Umweltrechts, integrierte Vorhabengenehmigung),
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Buch II (Wasserrecht),
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Buch III (Naturschutz- und Landschaftspflege),
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Buch IV (Strahlenschutz),
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Buch V (Energieeinspeisungsgesetz) und
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Buch VI (Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz).
Die ersten drei Bücher können als Entwurf von der Geschäftsstelle abgefordert
werden.
Eine erste Durchsicht hat folgende Problemkreise identifiziert:
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Im UBG II wird nur noch die wasserrechtliche Erlaubnis geregelt. Auf die
wasserrechtliche Bewilligung soll verzichtet werden. Dies könnte einen
Entzug der durch Bewilligungen verliehenen privaten Rechte
bedeuten. Auch könnten alte Wasserrechte betroffen sein, die für die
Bewirtschaftung ganzer Landstriche häufig immer noch konstitutiv sind.
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Im UGB III soll die ursprünglich vorgesehene Neuregelung der guten
fachlichen Praxis für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft nun doch
nicht erfolgen. Das ist zu begrüßen.
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Im Artenschutz soll das Schutzniveau angehoben werden. Die für die
europäisch geschützten Arten mit der Kleinen Novelle eingeführten Regeln
sollen auf die national geschützten Arten ausgedehnt werden.
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Das in unserem Land gerade abgeschaffte Vorkaufsrecht soll
bundesrechtlich eingeführt werden. Auch der Tatbestand, der dafür sorgt, daß
letztlich jedes Grundstück mit dem Vorkaufsrecht belegt ist (weil es nämlich
an ein Gewässer angrenzt), ist vorgesehen.
Völlig unzureichend ist die Entschädigungsregelung, die als sog.
Salvatorische Klausel ausgestaltet ist. Der Ausdehnung der Befugnisse für
Eingriffe in Freiheit und Eigentum müssen ausreichend detaillierte
Entschädigungstatbestände korrespondieren. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts darf der Gesetzgeber nicht unentschieden lassen,
wann ein Fall der ausgleichspflichtigen und wann ein Fall der nicht
ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung vorliegt.
Mit einem der nächsten Rundschreiben werden wir eine detaillierte
Stellungnahme folgen lassen.
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Umwelthaftungsgesetz
Am 14. November 2007 ist unter der Bezeichnung „Umweltschadensgesetz“ (USchadG)
das Gesetz in Kraft getreten, das die lange umstrittene Umwelthaftung regelt.
Es führt eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung für die
Verursachung eines Umweltschadens ein. Vorsatz oder Fahrlässigkeit bei der
Verursachung des Schadens ist also nicht erforderlich.
Voraussetzung ist die Verursachung eines Umweltschadens durch eine der in
Anlage 1 zum Gesetz aufgeführten beruflichen Tätigkeiten (z.B.
Abfallbewirtschaftung, erlaubnispflichtige Gewässerbenutzungen, Freisetzung
von GVO etc.)
Als Umweltschaden wird definiert: Eine direkt oder indirekt
eintretende, feststellbare nachteilige Veränderung einer natürlichen Ressource
(Arten und natürliche Lebensräume, Gewässer und Boden) oder Beeinträchtigung
der Funktion einer natürlichen Ressource.
Der Verantwortliche ist zu Vermeidungs-, Schadensbegrenzungs- und
Sanierungsmaßnahmen verpflichtet. Über Art und Umfang kann die Behörde
durch Verwaltungsakt entscheiden. Die Kosten der Maßnahmen trägt der
Verantwortliche.
Mehrere Verantwortliche haften gesamtschuldnerisch; die Ausgleichung
untereinander hängt von der Verursachungsquote ab.
Insbesondere für Gewerbe und Industrie, aber auch für innovative
Landwirtschaft ist damit ein hohes Risiko geschaffen.
Einige Versicherungsgesellschaften bieten unter einschränkenden Bedingungen
Versicherungsschutz. Der Text des Umweltschadensgesetzes ist in der
Anlage
beigefügt.
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Wunderwaffe FFH: Nun auch gegen Luftverschmutzung ?
Nach dem Artenschutz ist die Stickstoffdeposition als Wundertüte der
Projektverhinderung entdeckt.
Zum rechtlichen Hintergrund:
Der Gebietsschutz nach der FFH-RL verbietet bekanntlich erhebliche
Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele. Den FFH-Protagonisten ist es nun
gelungen, die sog. Berner Liste in der gemeinsamen Anschauung der
Naturschutzbehörden vom Inhalt der Erhaltungsziele zu verankern. Gesetzeskraft
hat die Berner Liste nicht: Es handelt sich um eine ‑ von der herrschenden
Meinung unterstützte ‑ Auslegung des offenen gesetzlichen Tatbestandsmerkmals
„Erhaltungsziel“. Die Berner Liste ordnet bestimmten Lebensraumtypen bestimmte
„critical loads“ zu, also kritische Lasten der Stickstoffdeposition,
die die von den Lebensraumtypen der FFH-RL umschriebenen Öko-Systeme angeblich
zu verkraften gerade noch in der Lage sind.
Der Clou ist nun, daß die Berner Liste Werte für critical loads enthält, die
die an jedem Ort in Deutschland bereits heute vorhandene Vorbelastung um das
Dreifache unterschreiten. Ein Beispiel: Die critical load für die
Stickstoffdeposition von Buchenwaldlebensraumtypen der FFH-RL wird mit 10 kg
bis 20 kg pro Jahr und Hektar (kg/a/ha) angegeben.
Die aus der OSIRIS-Datenbank des UBA (http://osiris.uba.de/website/depo1/viewer.htm)
abrufbaren Vorbelastungen aber verzeichnen beispielsweise 56 kg pro Jahr und
Hektar Stickstoffdeposition für Laubwald im Norden Schleswig-Holsteins.
Mit anderen Worten: Da die Belastung überall schon jetzt dreimal höher ist als
verträglich, liegt der Schluß nahe, daß jede Zusatzbelastung zu unterbleiben
hat. Straßenverkehr, Baugebiete, Gewerbebetriebe, Viehställe ‑ sie alle
emittieren Stickstoff und dürften grundsätzlich nicht und ausnahmsweise nur
unter den besonderen Voraussetzungen der FFH-RL (öffentliches Interesse,
Alternativlosigkeit, Kohärenzsicherung) verwirklicht werden.
Im Urteil zur Westumfahrung Halle vom 17.01.2007 hat das
Bundesverwaltungsgericht diese Rechtsauslegung ausdrücklich anerkannt. Den
Planfeststellungsbeschluß für dieses Straßenbauvorhaben hat das
Bundesverwaltungsgericht aufgehoben, weil die Verträglichkeitsprüfung den
vorstehend geschilderten Sachverhalt nur unzureichend aufgearbeitet habe. Als
Maß für die Eindringtiefe einer Verträglichkeitsstudie in schwierigste
naturwissenschaftliche Zusammenhänge gibt das Gericht dabei vor:
„Die Ursache dafür, daß die im vorliegenden Fall durchgeführten
FFH-Verträglichkeitsprüfungen und die daran anknüpfenden Regelungen des
Planfeststellungsbeschlusses der gerichtlichen Überprüfung nicht
standhalten, ist zum Teil darin zu suchen, daß die einschlägigen
Rechtsvorschriften auf außerrechtliche, nämlich naturschutzfachliche,
Maßstäbe verweisen, die der Ökosystemforschung entnommen werden sollen. In
dieser Wissenschaftsdisziplin bestehen Erkenntnislücken und methodische
Unsicherheiten. Soweit in Fachkreisen Konventionsvorschläge diskutiert
werden, die der FFH-Problematik durch eine Standardsetzung Rechnung tragen
sollen, können diese bislang nicht ohne weiteres wissenschaftliche Autorität
beanspruchen. Für die behördliche Praxis resultiert aus dem Fehlen
wissenschaftlich anerkannter Standards ein Fehlerpotential, dem auch einige
derjenigen Unzulänglichkeiten geschuldet sind, die der streitigen
Planfeststellung anhaften“.
Selbst wenn die Unzulässigkeitsschwelle im Einzelfall eines Projekts nicht
überschritten wird: In der Praxis besteht schon eine erhebliche Unsicherheit,
wann die Vorschwelle zur Verträglichkeitsprüfungspflicht überschritten wird.
Die Stickstoffdeposition ‑ ein Maß für die Umwandlung des Stickstoffs aus der
Luft in Boden und Biomasse ‑ ist naturgemäß abhängig von den
Standortqualitäten: Je trockener ein Standort beispielsweise ist, desto
sensibler reagiert er auf Stickstofffrachten. Je mehr Biomasse ihm entnommen
wird, desto höher ist die Belastbarkeit etc.
In einem etwa ein Jahr alten Arbeitspapier der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft
Immissionsschutz wird ein sog. Abschneidewert von 4 kg pro Jahr und
Hektar formuliert. Bleibt eine einwirkende Zusatzlast unter diesem Wert, soll
sie nicht geeignet sein, erhebliche Beeinträchtigungen auszulösen. Die
Vorschwelle zur FFH-Verträglichkeitsprüfung wäre damit nicht überschritten.
Die Investoren wären von zeit- und kostenintensiven Verträglichkeitsstudien
befreit.
Die eloquenteren Umweltverwaltungen haben sich statt dessen auf eine 1 % -
Regel verständigt, nachdem zunächst eine 10 % - Regel im Gespräch war: Bleibt
die Zusatzlast unter 1 % der vorhandenen Deposition, muß ein Vorhaben nicht
auf Verträglichkeit geprüft werden. Verursacht also eine Anlage eine
Stickstoffzusatzlast von weniger als 560 g pro Jahr und Hektar, so ist sie
ohne Verträglichkeitsprüfung zulässig. Derartige Werte werde in der engeren
Nachbarschaft auch kleinerer Anlagen ohne weiteres überschritten. Und: Die
Genauigkeiten der gängigen Modelle für Immissionsprognosen sind in diesem
Spektrum regelmäßig überfordert. Die Vorhabenträger sind gezwungen, sich in
der Zwickmühle des Genehmigungsverfahrens ‑ Widerstand gegen
Verfahrensforderungen von Behörden riskiert den Genehmigungserfolg ‑ für teure
und langwierige Verträglichkeitsstudien zu entscheiden.
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Generalplan Binnenhochwasserschutz und Hochwasserrückhalt
Das Ministerium hat nach langjähriger Vorarbeit (wir berichteten mit
Rundschreiben 12/2004 und 6/2006) einen Generalplan Binnenhochwasserschutz und
Hochwasserrückhalt in Schleswig-Holstein vorgelegt. Die außerordentlich dichte
und informative Ausarbeitung soll die Anwendung des Wasserrechts in den
nächsten fünf bis sechs Jahren steuern. Der Generalplan hat eine
verwaltungsinterne Bindung, zeigt die bisher bekannten Schwerpunkte des
erforderlichen Binnenhochwasserschutzes auf und bildet die Grundlage für die
formalen Verwaltungsverfahren zur Überprüfung und Festsetzung von
Überschwemmungsgebieten. Er schafft den fachlichen Rahmen und beschreibt die
Methoden, um die erforderlichen Maßnahmen und Vorhaben im Sinne des
vorbeugenden Hochwasserschutzes durchführen zu können.
In Anlage 3 zum Generalplan werden für die wichtigsten Gewässer die
Hochwasserrisiken beschrieben und damit Prioritäten für die Ausweisung von
Überschwemmungsgebieten durch Verordnungen abgeschichtet:
Auf das nachfolgende Bild klicken für eine
PDF-Ansicht!
Überschwemmungsgebietsverordnungen können Flächennutzungen beschränken.
Flächeneigentümer sollten sich deshalb informieren. Diese Verordnungen sollen
bis zum 10.05.2012 erlassen sein.
Es empfiehlt sich dringend, nach Prüfung der örtlichen Betroffenheit den
Generalplan auch im übrigen auszuwerten. Er ist
(Broschüren -> Publikationen des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt
und ländliche Räume)
oder
erhältlich.
Überschwemmungsgebiete sollen durch Verordnung ausgewiesen werden für
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die Trave von Lübeck-Moislingen bis Bad Oldesloe,
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die Alster bis B 432 / Nahefurth,
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die Bille,
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die Stör,
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die Bramau,
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die Pinnau,
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die Bilsbek,
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die Krückau und
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die Offenau.
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Rechtsprechung
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Schutzgebiete und gentechnisch veränderte Pflanzen
Das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder hatte sich in einem Verfahren nach §
80 Abs. 5 VwGO mit dem Fall zu befassen, daß in einem Naturschutzgebiet
sowie in einem Umgebungsstreifen von 100 m zu einem FFH-Gebiet gentechnisch
veränderter Mais der Sorte MON-810 angebaut werden sollte, Beschluß vom
13.07.2007, 7 L 170/07. Es handelte sich um ein Naturschutzgebiet, das
mit einer „Verordnung über die Festsetzung von Naturschutzgebieten und einem
Landschaftsschutzgebiet von zentraler Bedeutung als Naturpark“ vom 12.091990
ausgewiesen wurde. Damit ist bekanntlich auch der Ostteil des Schaalsees in
Mecklenburg-Vorpommern unter Schutz gestellt worden. Es handelte sich um
einen der letzten Rechtsetzungsakte der DDR-Regierung, dessen Fortgeltung
einigungsvertraglich geregelt wurde.
Die Naturschutzbehörde hatte den Anbau mit einer Ordnungsverfügung
untersagt. Eilrechtsschutz dagegen hat das Verwaltungsgericht mit der
Begründung zurückgewiesen, die Naturschutzverordnung verbiete die Anwendung
von Bioziden. Dieses Verbot beziehe sich nicht lediglich auf Sprüh- und
Streuvorgänge. Mais der Sorte MON-810 produziere Bt-Toxin und sei deshalb
gegen den Maiszünsler, einen Schädling, resistent. Der Verbotstatbestand sei
deshalb erfüllt, auch wenn es an speziellen Vorschriften gegen die
Verwendung von GVO fehle.
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Baurecht
Das Bundesverwaltungsgericht hat seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben,
wonach die mit der Unteren Baugenehmigungsbehörden identische Gemeinde die
Ablehnung eines Bauantrages mit der Versagung ihres Einvernehmens begründen
darf, Urteil vom 19.08.2004, 4 C 16/03. Die Entscheidung betrifft
auch zahlreiche Untere Bauaufsichtsbehörden in Schleswig-Holstein, die bei
den Städten, etwa in Rendsburg, Plön oder auch Westerland angesiedelt sind.
Hier hatten es sich die Baubehörden bei schwierigen Bauvorlagen gelegentlich
einfach gemacht und dafür gesorgt, daß das Einvernehmen nach § 36 BauGB
versagt wurde. In der Versagung der Baugenehmigung mußte sich die
Bauaufsichtsbehörde dann nicht mehr mit den Einzelheiten der Bauvorlagen
auseinandersetzen, sondern konnte auf das versagte Einvernehmen verweisen.
Diesen Weg hat das Bundesverwaltungsgericht nun versperrt.
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Rechtliche Anforderungen an Wasserschutzgebietsverordnungen
In einem Aufsatz in der Fachzeitschrift der Wasserversorgungsunternehmen
„Wasser und Abfall“ vom September 2007 stellt der führende Wasserrechtler
Prof. Michael Reinhardt, Trier, die rechtlichen Anforderungen an
Wasserschutzgebietsverordnungen zusammen. Das ist deshalb aufschlußreich, weil
die wasserrechtliche Literatur nach außen hin häufig den Eindruck kollegialer
Geschlossenheit vermittelt und stark auf die Interessen der
Wasserversorgungsunternehmen abstellt. Intern scheint man vorsichtiger zu sein
und die berechtigten Belange des Eigentums jedenfalls zur Kenntnis zu nehmen.
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Meisterleistung des Gesetzgebers
Wir wußten schon immer, daß der Gesetzgeber klare Formulierungen bevorzugt. In
Art. 4 des „Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie des Europäischen Parlaments
und des Rates über die Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von
Umweltschäden vom 10.05.2007“ heißt es zum Inkrafttreten:
„Dieses Gesetz tritt an dem Tag des sechsten auf den Monat der Verkündung
folgenden Kalendermonats in Kraft, dessen Zahl mit der des Tages der
Verkündung übereinstimmt, oder, wenn es einen solchen Kalendertag nicht
gibt, am ersten Tag des darauffolgenden Kalendermonats.“
Gemeint ist, daß das Gesetz sechs Monate nach Verkündung in Kraft tritt.
Alle angesprochenen Entscheidungen und Aufsätze können bei der Geschäftsstelle
abgefordert werden.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Dr. Giesen
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