Am Mittwoch, 20.11.2002 hat die
Abteilungsleiterin Naturschutz im MUNF, Frau Brahms, einem ausgewählten Kreis
von Verbänden die Nachmeldung einer dritten Tranche von FFH-Gebieten aus
Schleswig-Holstein angekündigt.
Anders als bei der zweiten Tranche
sei nunmehr eine förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung mit Auslegung bei den
Ämtern geplant, die bereits ab Dezember anlaufen könne. Mit der abschließenden
Vorlage einer Gebietskulisse müsse im Mai 2003 gerechnet werden.
Die dritte Tranche wird einen
erheblichen Flächenumfang haben und besondere Konflikte mit Nutzungen
auslösen.
Die Nachmeldungen gehen, so Frau
Brahms, auf die sog. Biogeographischen Konferenzen zurück, die vom 05.06.2002
bis 07.06.2002 für die Atlantische Biogeographische Region in Den Haag (wir
berichteten mit Rundschreiben 7/2002) sowie vom 10.11.2002 bis 13.11.2002 für
die Kontinentale Biogeographische Region in Potsdam stattgefunden haben.
Als
Anlage 1
ist die im Anschluß an das
Atlantische Seminar vom ETC an die Mitgliedstaaten versandte Mängelliste für
Deutschland mitsamt einer hier erstellten
Teilübersetzung beigefügt.
Als
Anlage 2
ist die Zusammenfassung eines
Teilnehmers für das Kontinentale Seminar beigefügt. Die zweifelhafte Methodik
der Seminare wird anschaulich geschildert.
Aus den erwähnten Lebensraumtypen
und Arten kann darauf geschlossen werden, daß von den Nachmeldungen in erster
Linie Wälder, Fließgewässer sowie angrenzende Flächen betroffen sein werden.
Es ist absehbar, daß die Schattenlisten der Naturschutzverbände weiter
umgesetzt werden.
Betroffenen wird empfohlen, sich
frühzeitig mit biologisch-fachlichen Informationen auszurüsten, um
qualifizierte Stellungnahmen abgeben zu können. Die Geschäftsstelle
unterstützt gern. Die Einzelheiten der Veranstaltung am 20.11.2002 gehen aus
dem in
Anlage 3
beigefügten Vermerk hervor.
Die Nachmeldung der dritten Tranche
wirft eine Reihe von Fragen auf. Aus ihr kann beispielsweise geschlossen
werden, daß die Auswahl der zweiten Tranche mangels Vorliegen aller
erforderlichen Informationen auch über Vergleichsgebiete fehlerhaft war. Die
Europäische Kommission läßt sich vom demokratisch nicht legitimierten ETC
(European Topic Centre on Nature Protection and Biodiversity) zuarbeiten.
Dessen Referenzdaten beruhen auf wissenschaftlich nicht haltbaren
Schattenlisten der Naturschutzverbände. Die Referenzlisten des ETC beruhen nur
auf der Ermittlung von "Vorkommen"; aus ihnen kann deshalb nicht auf
Nachmeldebedarf geschlossen werden, weil in der Auswahlphase die
Mitgliedstaaten zusätzlich Repräsentativität, Größe und Erhaltungszustand der
Lebensraumtypen und Artenpopulationen zu beurteilen hatten.
Diese und viele weitere Fragen
bestätigen die von unserem Arbeitskreis seit jeher eingenommenen
Rechtsstandpunkte.
Alle Verbände, insbesondere die auf
Bundesebene tätigen, sind aufgefordert, von der Bundesregierung und über die
Bundesregierung auch von der Europäischen Kommission Auskunft zu den
Datengrundlagen der vom ETC als Drohkulisse verwendeten "Referenzlisten" zu
erhalten.
In die richtige Richtung weist ein
Schreiben des Niedersächsischen Umweltministeriums an die Unternehmerverbände
Niedersachsen vom 19.09.2002, in dem "diverse offene Fragen im Zusammenhang
mit der endgültigen Definition bestimmter FFH-Lebensraumtypen" eingeräumt
werden. Deren Klärung sei von elementarer Bedeutung für die fachliche
Plausibilität der seitens der Kommission genannten Defizite.
Die Leitungsebenen der Ministerien
sind aufgefordert, ihre "Fachtruppen" nun nicht als willige Vollstrecker
fachlich zweifelhafter Wasserstandsmeldungen der Kommission loszuschicken,
sondern die Kommissionsdaten kritisch zu hinterfragen.
Das Niedersächsische
Umweltministerium hat im Niedersächsischen Ministerialblatt eine "Erklärung
von Gebieten zu Europäischen Vogelschutzgebieten" veröffentlicht. In dieser
"Erklärung" dürfte der förmliche Ausweisungsakt liegen, den der Europäische
Gerichtshof für die Entstehung eines Vogelschutzgebietes voraussetzt. Folge
ist, daß nicht mehr das strenge Schutzregime des Art. 4 Abs. 4 VSRL Anwendung
findet, das teilweise als "Veränderungsverbot" interpretiert wurde, sondern
daß über Art. 7 FFH-RL das Schutzregime des Art. 6 FFH-RL i.V.m. §§ 33 ff.
BNatSchG Anwendung findet.
Die Erklärung betrifft etwa 60
Gebiete in ganz Niedersachsen.
Gebietskarten liegen bei der
Geschäftsstelle vor und können abgefordert werden.
Im Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften vom 09.01.2002 ist die Entscheidung der Kommission vom
28.12.2001 zur Verabschiedung der Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher
Bedeutung in der biogeographischen Region Makaronesien gem. der FFH-RL
veröffentlicht worden. Die biogeographische Region Makaronesien besteht aus
den Inselgruppen der Azoren und Madeiras (Portugal) sowie der Kanaren
(Spanien).
Die Veröffentlichung ist deshalb
von so grundsätzlicher Bedeutung, weil aus ihr ersichtlich ist, in welcher
Form die Europäische Kommission die endgültige Liste über die schließlich
ausgewählten FFH-Gebiete bekanntgibt. Von der Form ist nämlich der
Rechtsschutz abhängig.
In der Literatur ist verbreitet die
Ansicht zu finden, gegen die Listung könnten betroffene Eigentümer
Nichtigkeitsfeststellungsklagen nach Art. 230 Abs. 4 EG-Vertrag zum
Europäischen Gerichtshof erheben. Immer wieder wird das Argument auch in der
Rechtsprechung verwendet, um Rechtsschutz auf den Zeitpunkt nach der Listung
zu verschieben. Die veröffentlichte Entscheidung zeigt nun, daß die
Voraussetzungen des Art. 230 Abs. 4 EGV bei der Listung nach Art. 4 Abs. 2
FFH-RL nicht vorliegen. Nach Art. 3 der Kommissionsentscheidung vom 28.12.2001
ist diese Entscheidung nämlich an alle Mitgliedstaaten gerichtet. Eine solche
an eine andere Person als den betroffenen Eigentümer gerichtete Entscheidung
kann nach Art. 230 Abs. 4 EGV nur angefochten werden, wenn sie einen
Eigentümer unmittelbar und individuell betrifft. Ob unmittelbare und
individuelle Betroffenheit vorliegt, entscheidet sich nach der bisherigen
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes an der Form der Entscheidung.
Für individuelle Betroffenheit wird nämlich die namentliche Nennung
vorausgesetzt.
In der Liste jedoch ist nur der
Name des Gebietes, seine Code-Nummer, das Vorhandensein prioritärer Arten,
seine Größe in ha und die geographischen Koordinaten nach Länge und Breite
angegeben.
Beispiel: ES7010007 - "Las Dunas de
Maspalomas" - * - 362 ha - N 27 44 - W 15 35".
Sofern sich die Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofes zur Auslegung von unmittelbarer und individueller
Betroffenheit nicht ändert, ist deshalb eine Nichtigkeitsfeststellungsklage
gegen die Listung nach Art. 4 Abs. 2 FFH-RL nicht möglich.
Das Landesartikelgesetz zur
Umsetzung der Europäischen Umweltrichtlinien war am 04.09.2002 Gegenstand der
Sitzung des Umweltausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Dort
wurde bemängelt, daß das Landesartikelgesetz noch nicht die
Änderungserfordernisse aus der Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes
berücksichtigt. Um dies zu erreichen, also das Landesnaturschutzgesetz nur in
einem Durchgang zu novellieren, hat der Umweltausschuß um Unterstützung durch
die Landesregierung gebeten. Nun hat Umweltminister Müller mit Schreiben vom
06.11.2002 an den Umweltausschuß (Landtagsdrucksache 15/2687) einen
"Formulierungsvorschlag zur Umsetzung der letzten Novelle des
Bundesnaturschutzgsetzes" vorgelegt.
Das Vorgehen ist beachtlich.
Unverhohlen arbeitet die rot-grüne Mehrheit im Parlament der Landesregierung
zu. Das Parlament ist in der Gefahr, seine Kontrollfunktion zu verlieren und
zum Exekutivorgan der Regierung zu werden.
Vor diesem Hintergrund ist es
besonders wichtig, jeden einzelnen Abgeordneten zu stärken und ihn auf die
Mängel der Regierungsvorlage hinzuweisen.
In
Anlage 4
finden Sie beigefügt eine
vollständige Kopie des Formulierungsvorschlages der Landesregierung sowie
stichwortartige Anmerkungen dazu.
Hervorzuheben ist:
-
Die Systematik der vorrangigen
Flächen für den Naturschutz wird verändert. Biotopverbundflächen, die bisher
ein Unterfall der vorrangigen Flächen für den Naturschutz waren, treten
neben den nun auch durch Teile von Landschaftsschutzgebieten
aufgefüllten Begriff der "vorrangigen Flächen für den Naturschutz".
-
Die im letzten Rundschreiben
kritisierten "Mindestdichten ökologischer Saumstrukturen" sollen
festgeschrieben werden.
-
Die Bindungswirkung der
Landschaftsplanung wird verstärkt
-
Die Ermächtigung zur weiteren
Definition guter fachlicher Praxis in der Landwirtschaft durch Verordnung
wird erteilt.
-
Die Ausnahmemöglichkeiten bei
Baumschutzsatzungen werden eingeschränkt.
-
Das Vorkaufsrecht wird erweitert.
-
Die Rechte der
Naturschutzverbände werden verstärkt.
Nur am Rande sei bemerkt, daß durch
dieses Vorgehen die übliche Verbändebeteiligung und Diskussion im Stadium des
ministeriellen Referentenentwurfes sowie die erste Lesung im Parlament
umgangen wird.